«Wir werden sie nie gewinnen.«
«Nicht auf dem Parcours. Wir werden klüger sein als unsere Vorgänger.«
«Das ist Ihre Stärke, Caballero y Laredo. «Calabozo bewunderte seinen Herrn rückhaltlos. Als er damals als armseliger Tramp von ihm aufgenommen wurde, hätte er ihm den Staub von den Stiefeln geküßt und wie ein Hund zu seinen Füßen geschlafen. Jetzt, nach zehn Jahren, hatte er sich als zweiter Mann auf der Hazienda mit dem poetischen Namen Cielo de flores, das heißt >Blumenhimmel<, unentbehrlich gemacht. Seine Kenntnis von allen möglichen dunklen Machenschaften könnte ihm allerdings gefährlich werden, denn wenn Laredo diesen Mitwisser loswerden wollte, gab es nur einen Weg — den Tod. Calabozo aber dachte nicht daran, sich irgendwo in der Wildnis verscharren zu lassen; deshalb übte er sich in der leichten Kunst, seinen Herrn immer und überall zu bewundern.»An was denken Sie?«
«Daran, daß Laska um den >Großen Preis von Mexiko< springen und siegen wird. Mit unserer Hilfe.«
«Ich verstehe gar nichts mehr, Senor. «Calabozo nahm seinen schwarzen Topfhut ab.»Unsere Reiter sollen verlieren?«
«Sie werden es zwangsläufig.«
«Und die 50.000 Dollar?«
«Gewinnen wir trotzdem. «Fernandez y Laredo stand auf. Er war größer, als er beim Sitzen wirkte, kräftig, breitschultrig und muskulös. Nur seine penetrante Eitelkeit zerstörte das Bild eines schönen, eleganten Mannes.»Komm, sehen wir uns Laska an. Wie wird sie bewacht?«
«Wie das Gold in der Staatsbank, Caballero.«
«Ist in die Staatsbank schon einmal eingebrochen worden?«
«Nein. Nur bei Revolutionen — die Politiker. «Pedro grinste breit.
«Dann leihen wir uns von den Politikern die Unverfrorenheit. «Fernandez y Laredo klopfte Calabozo auf die schmale Schulter. Das war eine hohe Auszeichnung.»Und nicht ein einziges Haar wird Las-ka dabei gekrümmt. Ich liebe dieses Pferd, madre de dios!«
Eine halbe Stunde später standen die beiden am Trainingsplatz und beobachteten Laska beim Ablongieren. Romanowski schielte ein paarmal zu ihnen hinüber. Er hatte sich einen riesigen, geflochtenen mexikanischen Sombrero gekauft, nach dem Laska sofort geschnappt hatte. Zum Glück war Romanowski schneller gewesen und hatte den Kopf zurückgezogen.
«Da sind se schon wieder«, sagte er halblaut.»Olle, paß uff, zuviel Interesse is ooch nich jut.«
«Romanowski ist das einzige Hindernis«, sagte Laredo leise.»Er ist wie ein Stier.«
«Er heißt Pedro. Mit meinem Namensvetter werde ich schon fertig. «Calabozo schob sich eine neue getrocknete Blattkugel in den Mund.»Darf ich ihn — rrrtsch?«Er deutete vielsagend auf seine Keh-le.
«Wohl verrückt, was?«Laredo drehte die lange Zigarre zwischen den Zähnen.»Keine Gewalt. Mit Eleganz, Pedro. Wir sind doch Ehrenmänner. Gehen wir.«
Es gibt in Mexiko zwei Dinge, über denen ein Fremder sofort den Verstand verliert — die schwarzhaarigen, glutäugigen, heißblütigen Frauen und den nicht weniger feurig ins Blut gehenden Tequila. Ein höllischer Schnaps, den sogar der Teufel nur schlückchenweise trinken würde.
Romanowski probierte nur den Tequila, von den Frauen hatte er die Nase voll. Sein letztes Erlebnis mit Yana Michimoko, der >Man-delblüte< in Tokio, war noch zu frisch, als daß er sich wieder in ein Abenteuer gestürzt hätte, diesmal mit einer hüftenwiegenden Mexikanerin, deren Freund bestimmt nicht Judo und Karate anwenden, sondern mit einem Messer Rache nehmen würde. Romanowski hatte etwas gegen Messer, vor allem, wenn sie in seinem Leib steckten, und so beschaffte er sich heimlich — Hartung hatte ihm das Trinken streng verboten — einen Tonkrug mit dem merkwürdig säuerlich riechenden Schnaps, setzte sich neben Laska in die Box und begann zu Abend zu essen. Ein Stück Brot, ein Stück Wurst, ein Gläschen Tequila.
Die ersten Schlucke nahm er vorsichtig. Das Zeug schmeckte merkwürdig, aber es rann feurig durch die Speiseröhre in den Magen und wirkte dort wie ein richtiger Schnaps. Romanowski wurde wohl zumute.
«Det verrat nur nich«, sagte er zu Laska, hauchte sie an und beobachtete sie. Bei Schnaps zog sie immer die Nüstern hoch. Diesmal zeigte sie keinerlei Reaktion.»Riecht also nich«, stellte Romanowski zufrieden fest.»Det is jut. Ich kann's mir nich leisten, 'ne Fahne zu hissen.«
Tequila ist ein Teufelszeug, wie schon gesagt. Man gewöhnt sich an ihn, trinkt ihn nachher wie Limonade und fällt dann um, ohne noch einen Mucks zu sagen. Die mexikanischen Indianer behaupten, daß er schöne Träume schenkt. Romanowski bescherte er Blei, das träge durch sein Gehirn floß. Schnarchend lag er neben Laskas Box im Stroh, Arme und Beine von sich gestreckt. Er war eben kein Indianer.
Am Morgen wachte er früh auf. Zehntausend Bienen summten in seinem Kopf, seine Beine waren aus Pudding, im Magen brannte es wie Salzsäure.»O Jott!«sagte Romanowski erschüttert.»Det ick imma der Leidtrajende bin! Zum Jlück bin ick der erste, der uff-steht. Laska, Olle, uff de Beene, der Tag is da!«
Aber Laska rührte sich nicht. Romanowski stemmte sich an der Stallwand hoch, gähnte, machte drei Kniebeugen, um den Pudding in den Beinen zu vertreiben, und stakste dann zur Box.
Es war unmöglich, daß Laska aufstand — denn Laska war nicht mehr da.
Das Aufgebot an Polizei war so umfangreich, als sei ein Staatsmann ermordet worden. Alles drängelte sich vor den Ställen, Wege und Straßen wurden abgesperrt, das Azteken-Stadion durfte niemand betreten, alle, die nachts auf dem Gelände gewesen waren, standen unter Arrest, der Polizeichef von Mexiko City, Senor Juan Socorro, leitete persönlich die Ermittlungen. Es war eine große Schau, ein Aufmarsch von Uniformen, ein Durcheinander aus Worten und Gesten, ein Hin- und Hergerenne, aber es kam nichts dabei heraus. Horst Hartung wußte es bereits, als Polizeichef Socorro schwitzend und mit rollenden Augen aus der Schar seiner Polizisten auftauchte.
«Senor, es ist bedauerlich, aber wir finden keine Spuren«, sagte er.»Die Verbrecher sind raffiniert vorgegangen. Sie haben sogar Ihren Transportwagen benutzt, Senor. Zwei Nachtwächter haben ihn abfahren sehen, aber sie dachten, es seien die Deutschen, und hielten ihn deshalb nicht an. Was sagen Sie nun?«
«Wenig. «Hartung hatte schon vor Stunden festgestellt, was nun die Polizei lauthals bekanntgab: Laska war mit ihrem eigenen Transportwagen weggefahren worden. Wie weit, und ob man sie außerhalb der Stadt umgeladen hatte, war noch nicht bekannt. Polizisten auf Motorrädern jagten über alle Ausfallstraßen und suchten das auffällige Gefährt. Drei Hubschrauber flogen um den Lago Texcoco, in Richtung Yukatan und zur Sierra Madre del Sur.
Romanowski, der jetzt völlig entnervt im Stall hockte und vor sich hinstierte, konnte gar nichts sagen.
«Ick hab jeschlafen«, beteuerte er Hartung, nachdem Laskas Verschwinden den Alarm ausgelöst hatte.»Eenmal muß der Mensch ooch ruhen, bei die dünne Luft!«
Hartung schnupperte. Aber Romanowski roch nach Pfefferminztee. Bevor er Hartung aus dem Bett holte, hatte er eine ganze Kanne davon getrunken, mit Tee gegurgelt und seinen Gaumen ausgespült. Hartung sah Romanowski streng an. Wenn ein Mensch wie er nach Pfefferminz duftete, war das verdächtig, aber beweisen konnte man ihm nichts.
«Det se mitjejangen is, det wundert mir!«sagte Romanowski immer wieder.»Ick habe keene Erklärung nich dafür.«
«Langsam wird es langweilig. «Hartung hörte die Funkmeldungen, die aus den Hubschraubern kamen. Neben Polizeichef Socorro war der Empfänger mit einem Verstärker gekoppelt.»Immer die alte Leier — Laska darf nicht siegen. Es ist doch nur Sport!«
«Für Sie, Senor. «Socorro trocknete sich mit einem großen Taschentuch das Gesicht.»Aber die anderen machen daraus ein Geschäft. 50.000 Dollar Prämie, das lohnt sich. Bei Ihnen ist es nicht üblich, aber hier und drüben in den USA und woanders, da wird gewettet, da wetten sie um alles und für alles, sogar Kamelkämpfe soll es geben. Und wo leicht Geld verdient wird, sind auch die Gangster zur Stelle. Sport! Daß ich nicht lache!«