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Aus dem Lautsprecher ertönte eine ferne Stimme. Socorro riß sich die Mütze mit den goldenen Verzierungen vom Kopf.

«Sie haben ihn! Sie haben ihn! Na, sind meine Leute nicht tolle Burschen? Ihr Transportwagen steht unauffällig geparkt neben der Straße nach Uruapan del Progeso. Zwischen Morelia und Pazcua-ro. Was sagen Sie nun?«

«Der Wagen ist natürlich leer.«

«Natürlich! Aber wir wissen jetzt die Richtung, die die Gauner genommen haben!«

«Und wohin sind sie?«

«In die Sierra Madre del Sur — oder in die Berge von Guerrero. Aber sie können sich auch im Hochland von Michoacan verstecken.«

«Beruhigend. «Socorro bemerkte den sarkastischen Unterton in Hartungs Stimme nicht.»Suchen wir also ein Gebiet ab, das so groß wie Deutschland ist.«

«Gar kein Problem. In Deutschland ist das Suchen eine Qual, bei uns eine Kleinigkeit. Es gibt in diesen Gebieten nur wenige Straßen, und im Gebirge kommt man bloß auf einigen Pfaden voran. Sie kennen unser Land nicht, Senor. Bis zum Abend bringen wir Ihnen Ihr Pferd.«

Polizeichef Socorro sollte sich irren. Die Stelle, wo man Laska umgeladen hatte, wurde millimeterweise untersucht, aber außer einem Haufen Pferdedung fand man gar nichts. Sogar die Reifenspuren waren verwischt worden.

«Profis!«sagte Socorro mit erhobenem Finger.»Aber dem Pferd geht es gut. Es hat geapfelt. Außerdem wurde es hier getränkt und gefüttert. Sehen Sie die Heureste? Es sind Pferdekenner.«

«Sehr tröstlich. In drei Tagen ist das Turnier. «Hartung blickte zurück zu Romanowski.»Du hast nichts zu sagen, was?«

«Nee. Aba ick nehme mir det Leben, Herrchen. Ick bin zu nischt nutze.«

«Doch. Zum Vertilgen von Alkohol!«Hartung sah hinüber zu den Küstenbergen. Ich gebe den Turniersport auf, dachte er. Seit man Laska zum Wunderpferd gemacht hat, wird das Leben immer gefährlicher. Wir werden uns zurückziehen nach Barsfeld, dort wirst du auf der Koppel ein ruhiges Leben führen, wir werden nur zu unserem Vergnügen springen, durch die Wälder reiten, an Jagden teilnehmen und eine Menge Fohlen bekommen. Wir haben die Ruhe verdient, mein Mädchen, wenn du nur wieder da wärst!

Angela umarmte ihn von hinten. Ihr Kopf lag auf seiner Schulter.

«Es ist immer gut gegangen«, sagte sie tröstend.»In Rom, San Fran-zisko, Südafrika — warum nicht auch in Mexiko?«

«Ich höre nach dieser Tournee auf. «Hartung atmete tiefein.»Las-ka soll länger leben als zehn Jahre!«

«Man wird es dir übelnehmen, Horst.«

«Wer?«

«Fallersfeld. Der deutsche Reitsport. Ganz Deutschland. Die ganze Welt. Wie sagte Miss Walkering: Sie gehören allen Menschen.«

«Und das sagst du? Ausgerechnet du? Die Frau, die immer nur wartet?«

«Ich habe mich daran gewöhnt, zweigleisig zu denken und zu fühlen. Einmal als die Frau, die dich liebt — da hasse ich alles, was mit Turnieren zusammenhängt, denn jede Stunde ohne dich existiert nicht für mich. Und einmal als Frau eines großen Sportsmannes — da bewundere ich dich und Laska und kann vor Herzklopfen kaum atmen, wenn ihr auf den Parcours reitet.«

«Ich höre auf, Angi. «Hartung sagte es mit einer Endgültigkeit, die keine Frage mehr zuließ.»Ich habe mein Gut, die Pferdezucht, den Reitstall.«

«Und mich und Laska. Eigentlich ein vollkommenes Leben.«

«Nicht eigentlich — sicherlich!«Er blickte wieder hinüber zu den Bergen. Die Sonne brannte auf die kahlen Hochflächen. Die Luft flimmerte. Im Sonnenglast verzerrten sich die Konturen.»Fahr mit den Polizisten ins Hotel. Wir suchen hier weiter. Ich habe so eine Ahnung, daß sich die Banditen an mich wenden.«

Sie taten es wirklich.

Fernandez y Laredo persönlich war es, der im Hotel >Playa del Sol< anrief. Er brauchte seine Stimme nicht zu verstellen, die Deutschen kannten sie nicht, und selbst wenn das Telefon von der Polizei abgehört wurde, war ein Caballero wie Laredo über jeden Zweifel er-haben.

«Ah, Senorita«, sagte er, als sich Angela meldete. Laredo sprach ein gebrochenes Deutsch, aber da er jedes Wort vorher notiert hatte, gelang ihm eine flüssige Unterhaltung. Er hatte Hartung oder einen Polizeibeamten erwartet, nun war diese hübsche Deutsche am Apparat, und der spanische Edelmann in ihm wurde wach.»Ich küsse Ihre Hand. Oh, ich kenne Sie, ich habe Sie oft gesehen. Sie sind ein Stern über einer Wüste, eine Blume in einem öden Tal.«

«Wer sind Sie?«fragte Angela und atmete schneller. Gleichzeitig schaltete sie ein Tonbandgerät ein, das mit dem Telefon verbunden war. Die Polizei hatte es montiert, außerdem war die Leitung angezapft, zur doppelten Kontrolle.

«Oh, ich liebe die Schönheit«, säuselte Laredo.»Mit Ihnen, Madonna, zu plaudern — «

«Was wollen Sie? Haben Sie Laska gestohlen?«

«Ein Mann meiner Herkunft stiehlt nicht, er macht Geschäfte.«

«Wo ist Laska? Ich flehe Sie an, behandeln Sie sie gut. Mit einem wehrlosen Tier Gangster zu spielen, ist das Gemeinste, was es gibt. Genauso gemein wie eine Kindesentführung.«

«Sie haben völlig recht, Madonna. «Laredos Stimme klang, als wolle sie um Verzeihung bitten.»Aber manchmal zwingt einen das harte, unerbittliche Leben, gegen seine eigene innere Überzeugung zu handeln. Ich bewundere Laska, und deshalb ist sie mir auch 50.000 Dollar wert.«

«Also Erpressung?«Angela atmete auf. Sie wußte, daß jetzt die Polizei fieberhaft den Ort suchte, von dem aus der Bandit telefonierte. Je länger sie mit ihm sprach, um so größer war die Chance, ihn zu erwischen.

«Königin der Sterne, das ist ein böses Wort. Ich schlage ein Geschäft vor, einen Austausch.«

«Wir haben keine 50.000 Dollar.«

«Man kann sie sich leihen, Madonna. Jeder gibt sie Ihnen, jede Bank, Ihre Botschaft, reiche Caballeros. Laska wird diese 50.000 Dollar ja im >Großen Preis< gewinnen, etwas Sichereres gibt es gar nicht für einen Bankier. Sie leihen sich das Geld, geben es mir, gewinnen mit Laska den Preis und zahlen es zurück. Ein Ringgeschäft, weiter nichts. Es liegt in der Natur dieses Geschäftes, daß ich dabei als einziger verdiene. Dafür garantiere ich Ihnen, daß Laska zurückkommt, gepflegt wie eine Prinzessin und topfit für das Turnier.«

«Und wohin soll das Geld gebracht werden?«

«Das sage ich Ihnen noch. Ich rufe am Abend noch einmal an.«

Ein Knacken, der Fremde hatte aufgelegt. Hatte es für die Polizei gereicht, seinen Standort zu ermitteln?

Polizeichef Socorro, immer mit seinen Leuten in Mexiko City verbunden und jetzt auf einer staubigen Landstraße bei Ario de Rosales, bekam einen Wutanfall, als das Funkgerät den Erfolg der Telefonüberwachung meldete und warf seine Mütze theatralisch auf den Boden.

«Sie haben den Apparat!«brüllte er und raufte sich die Haare.»Eine Telefonzelle im Kaufhaus >Exito<. Und wer steht drin, als die Idioten in das Warenhaus stürmen? Ein zehnjähriger Junge, der mit seiner Großmutter telefoniert. Senor, ich schäme mich.«

Hartung schwieg. Socorro tat ihm leid. Der Mann gab sich alle Mühe, aber ein Polizist in Mexiko ist eben auch nur ein Mensch.

Am Abend saßen sie alle in Hartungs Zimmer — Socorro, Angela, Dr. Rölle, die anderen Reiter, Romanowski, der sich wünschte, klein zu sein wie ein Sandfloh, und ein Botschaftsrat der deutschen Botschaft in Mexiko. Mit ihm hatte Hartung eine harte halbe Stunde verbracht.

Es ging darum, ob die deutsche Botschaft die 50.000 Dollar vorstrecken wollte. Diese Frage löste eine so rege diplomatische Tätigkeit aus, daß Hartung erschrocken bereute, sie gestellt zu haben.

«Grundsätzlich lassen wir uns nicht erpressen«, sagte der Botschaftsrat im Namen des Botschafters, der selbst verhindert war, aber anscheinend immer informiert werden konnte.»Nur bei Personenentführungen sind wir ermächtigt, nach Rücksprache mit dem Auswärtigen Amt in Bonn.«