«Ich weiß. Hier aber handelt es sich um ein Tier.«
«Eben! Ist ein Tier 50.000 Dollar wert?«
«Es ist Laska, Herr Botschaftsrat.«
«Es geht um 50.000 Dollar, Herr Hartung. «Der Botschaftsrat war konsterniert.»Ich weiß nicht, ist Laska das wert?«
«Fünfzig Millionen!«
«Bleiben wir doch sachlich, Herr Hartung. «Der Botschaftsrat steckte sich eine Zigarette an und rauchte nervös. Seine Mission mißfiel ihm sichtlich.
«Kommen wir auf Ihre Rechnung zurück. Sie erhalten 50.000 Dollar, werfen sie den Banditen in den Rachen, lösen Laska aus und gewinnen den >Großen Preis von Mexiko<. Dann zahlen Sie die Summe zurück. So weit, so gut. Aber — wer kann denn dafür garantieren, daß Sie gewinnen?«
«Niemand. Keiner kann Siege garantieren, Favoriten können Letzter werden.«
«Sie sagen es. Und da sprechen Sie von einer Garantie für 50.000 Dollar?«
«Ich habe gedacht«, sagte Hartung leise,»daß Ihnen Laska dieses Geld wert ist, mit oder ohne Garantie. Sie hat in drei Jahren für Deutschland viele Siege ersprungen. Dreimal habe ich den Silbernen Lorbeer vom Bundespräsidenten verliehen bekommen, aber jetzt, wo es um Geld geht, ist Laska nur ein einfacher Gaul, den man abschlachten kann. Ich pfeife auf Ihr Geld, Herr Botschaftsrat, und ich pfeife auf den deutschen Sport!«
Hier brach das Gespräch ab. Der Botschaftsrat ging hinunter in die Hotelhalle und telefonierte mit seinem Botschafter. Nach zwanzig Minuten erschien er wieder in Hartungs Zimmer.
«Wir haben dem AA in Bonn fernmündlich Bericht gegeben«, sagte er steif.»Es wird eine Ausnahme gemacht. Sie erhalten die 50.000 Dollar. Ein Bote ist in einer halben Stunde mit dem Geld im Hotel. Wir hoffen aber, daß es nicht zu einer Übergabe kommt. «Er sah dabei Polizeichef Juan Socorro an. Der knirschte mit den Zähnen, trank Sangrita und qualmte einen Zigarillo nach dem anderen.
Um halb neun rief Fernandez y Laredo wieder an. Über einen Verstärker konnten alle Anwesenden das Gespräch mithören.
«Aha, Senor Hartung persönlich«, sagte die Stimme.»Für die Madonna einen Handkuß. Ihre Stimme ist so schön wie sie selbst. Ich beneide Sie, Senor, das schönste Pferd, die schönste Frau. Das Glück hat Sie geküßt.«
«Ein gebildeter Mann«, ächzte Socorro und raufte sich die Haare.»Ein Caballero. Das ist kein einfacher Bandit. Madre de Dios, das macht eine Fahndung fast unmöglich. Hier kann nur noch der Zufall helfen.«
Wer die Macht der Reichen in Mexiko kennt, kann Socorros Zusammenbruch verstehen. An den Mauern der Paläste rannte sich von jeher die Staatsmacht den Kopf ein. Wie soll man unter den Caballeros einen Banditen finden?
«Sie haben das Geld?«fragte Laredo.
«Ja. 50.000 Dollar. Nach dem Muster Ihrer amerikanischen Gangsterkollegen in kleinen, gebrauchten Scheinen.«
«Sie überschätzen mich. Ich bin nur ein Geschäftsmann. 50.000 Dollar sind für mich nichts weiter als eine sportliche Angelegenheit, und als Sportsmann möchte ich sie gewinnen.«
Der Hohn in Laredos Worten war so dick aufgetragen, daß Socorro nach Atem rang.»Vorbei!«stöhnte er.»Vorbei. Den bekommen wir nie! Das ist einer von den Caballeros, vor denen jeder den Hut zieht. Zahlen Sie, Senor Hartung, und vergessen Sie diese Tage in Mexiko.«
«Wohin soll das Geld gebracht werden?«
«Fahren Sie — allein, bitte, Caballero — die Straße nach Toluca de Lerdo hinunter. Hinter Toluca kommen Sie durch das Valle de Bravo. An der Straße steht eine Kakteengruppe, Sie können sie nicht verfehlen, sie ist zu auffällig. Dort werfen Sie die Tasche mit dem Geld aus dem Fenster, wenden und fahren zurück nach Mexiko. «Fernandez y Laredo lachte leise.»Mein lieber Juan!«PolizeichefSo-corro zuckte zusammen und lief rot an.»Sie sitzen jetzt neben dem Telefon, ich weiß es. Kommen Sie nicht auf den Gedanken, Ihre
Leute in den Bergen zu verstecken. Ich sehe alles. Sie gefährden nur Laska und entfesseln einen Skandal, der dem Namen unseres Landes schadet. Unternehmen Sie nichts, es könnte sonst Tote geben.«
«Diablo!«schrie Socorro und hieb auf die Tischplatte.»Diablo!«
«Und was wird aus Laska?«fragte Hartung ruhig.
«Wir bringen sie Ihnen zurück. Plötzlich wird sie da sein.«
«Und wer garantiert das?«
«Mein Wort. Das Wort eines mexikanischen honrado.« Ein Knacken. Das Gespräch war beendet.»Der hat Nerven«, sagte Dr. Rölle in die Stille hinein.»Ehrenmann!«
Hartung wandte sich an den Botschaftsrat.»Sie haben es gehört. Stellt man mir das Geld zur Verfügung?«
«Ja.«
«Dann kann ich also fahren?«
«Halt!«Polizeichef Socorro sprang auf.»Was dieser Bandit zu mir gesagt hat, ist eine Provokation! Das Turnier ist übermorgen, wir haben noch achtundvierzig Stunden Zeit!«
«Die haben wir nicht. Ich kann nicht mit einem Pferd springen, das eine Stunde vorher aus wer weiß welchen Qualen und nervlichen Belastungen entlassen worden ist.«
Socorro riß die schwarzen Augen auf.»Pferde haben Nerven?«
«Zartere als Sie und ich!«
Das Funkgerät summte. Socorro warf den Hebel auf Empfang. Die Stimme eines aufgeregten Polizisten.»Er hat aus einer Telefonzelle im Hauptbahnhof angerufen. Aber der Mann, den wir verhaftet haben, ist es nicht gewesen. Er hatte gerade mit dem vorherigen Anrufer die Kabine gewechselt.«
«Wieder zu spät!«brüllte Socorro. Er war den Tränen nahe.»Wie sah der Mann aus?«
«Kräftig, gepflegt, elegant gekleidet. Mehr weiß der Verhaftete auch nicht. Sollen wir ihn laufenlassen?«
«Natürlich!«Socorro stellte das Gerät ab.»Sie hören es, hombres. Ich werde jetzt Miguel Rivera einsetzen.«
«Wer ist das?«fragte der Botschaftsrat.
«Ein Erzgauner, der die ganze Unterwelt kennt. Er ist mir verpflichtet — ich habe ihn einmal vor der Liquidation durch eine gegnerische Bande bewahrt. Seitdem singt er ab und zu, wenn es nötig ist und er nicht in die Sache mitverwickelt ist.«
«Also ein Spitzel«, sagte Dr. Rölle.
«Immer diese klaren Begriffe. «Socorro lächelte breit.»Wir nennen so etwas einen heimlichen Freund, wir sind höflicher, hombres.«
Miguel Rivera erfuhr auch nach zwölf Stunden Herumhorchens nicht, wer hinter dem Pferderaub steckte. Aber er brachte die genaue Lage des Versteckes mit, in dem sich Laska befand. Socorro belohnte ihn mit 1.000 Pesos, die Hartung stiftete, und verließ durch einen Kellerausgang das Hotel. Dann beugten sich Hartung, Angela, Socorro und Dr. Rölle über eine große Autokarte von Mexiko.
«Hier ist es«, sagte Socorro.»Meine Ahnung! In den Michoacan-Bergen. In den verfluchten Felsentälern beim Monte Paricutin. Fast auf dem Mond, hombres. Aber da man den Mond erreichen kann, werden wir auch in dieses Tal gelangen. Jetzt sollen Sie etwas erleben! Wir möchten, daß Sie Mexiko in guter Erinnerung behalten.«
«Das kann ich Ihnen versprechen. «Hartung griff seine Jacke. Angela stand schon an der Tür.»Du bleibst hier, Angi!«
«Auf gar keinen Fall. Ich komme mit.«
«Es ist zu gefährlich.«
«Wenn es für dich nicht zu gefährlich ist, warum dann für mich?«
«Doktor!«Hartung wandte sich an Dr. Rölle.»Was kann man da tun?«
«Nichts. «Dr. Rölle hob die Schultern.»Ist es schon jemals gelungen, eine verliebte Frau zu bremsen?«
Eine halbe Stunde später brauste eine kleine Autokolonne hinaus in die Küstenberge. Dr. Rölle blieb als Telefonwache zurück. Er sollte, wenn der Erpresser noch einmal anrief, sagen, daß die 50.000 Dollar am Abend, wie gewünscht, bei der Kakteengruppe aus einem Wagen geworfen würden.
Die staubige, aber gut ausgebaute Straße war bis Morelia, einer typischen mexikanischen Provinzstadt mit einer herrlichen Kathedrale, in schnellem Tempo befahrbar. Dann aber begann es schwierig zu werden, bis der steinige Weg plötzlich ganz aufhörte und nur noch ein schmaler Pfad in die Schluchten des Paricutin führte.