Fallersfeld starrte ihm nach und schüttelte den Kopf.»Bei solchem Geschäftsgebaren wird er nie ein Onassis«, sagte er.
«Die Absicht hat er auch nicht. Sehen Sie mal hier. «Hartung hatte sein Eis ausgewickelt. Ein Zettel hing an der Schokoladenglasur. Damit war auch erklärt, warum der Eismann so lange in seiner Truhe herumgewühlt hatte.»Ein Liebesbrief. Sogar auf deutsch: >Wir freuen uns, Sie heute Abend auf Ihrem Zimmer besuchen zu dürfen. Wir haben Ihnen einen interessanten Vorschlag zu machen.< Na, wie ist das, Baron? Meine Ahnung.«
«Sofort zur Polizei! Sofort!«Fallersfeld warf sein Eis weg, als sei es vergiftet.»Das ist ja ungeheuerlich!«»Polizei? Sinnlos, Baron. Die beiden ehrenwerten Herren werden, wenn die Polizei uns beschattet, wirklich mit irgendeinem Vorschlag kommen, völlig harmlos, voll südländischer Liebenswürdigkeit, gespickt mit Charme und Phantasie. Aber in Wirklichkeit wird alles nur noch kompliziert — die Herren sind sehr empfindlich, und die Polizei löst bei ihnen Trotzreaktionen aus.«
Fallersfeld blickte Hartung betroffen an. Mit zitternder Hand rückte er sein Monokel zurecht.»Horst, Sie sind ja infiziert! Sie denken ja wie ein Gangster!«
«Ich hatte genug Gelegenheit, mich in ihr Seelenleben hineinzuversetzen. Hören wir uns erst einmal an, was die Herren wünschen. Es kann sogar ganz harmlos sein.«
«Mit einem Zettel um ein Eis am Stiel?«
«Mal etwas Neues. Die Werbung geht immer neue Wege.«
«Ihre Nerven möchte ich haben!«
«Noch habe ich sie, zum Glück. Aber nicht mehr lange. Verstehen Sie jetzt, warum ich nach dieser Saison aufhöre?«
«Sie brauchen ja nicht mehr Laska zu reiten! Der ganze Rummel hat ja erst eingesetzt, seitdem Laska zum Wunderpferd erhoben wurde. Früher haben Sie normale Pferde geritten und auch normal gelebt. Das machen Sie eben wieder.«
«Nein! Mit Laska habe ich meinen Höhepunkt erreicht, und man soll auf seinem Höhepunkt abtreten. Es ist tragisch, manchmal sogar lächerlich, wenn man den eigenen Abstieg nicht wahrnimmt und nur noch ein Zerrbild einstigen Ruhmes wird. Wollen Sie bei dem Gespräch dabeisein, Baron?«
«Natürlich! Die Kerle nehme ich aufs Korn.«
«Sie sind uns überlegen. Denken Sie daran, Baron, wir befinden uns im Mutterland der Mafia.«
Es war ein wunderschöner, blütendufterfüllter Nachmittag, als die beiden Herren im Hotel erschienen und mit dem Lift in den dritten Stock zum Zimmer 307 fuhren. Niemand beachtete sie, mit ihrer südländischen Eleganz fielen sie hier nicht auf. Nur der Chefportier hinter der Rezeption zog den Kopf unmerklich ein. Er beschloß, nichts gesehen zu haben.
Niemand, außer Fallersfeld, wußte von diesem Besuch. Angela und die anderen Reiter kühlten sich im Swimmingpool ab, spielten unter den Sonnensegeln Tischtennis oder auf dem englisch kurz gehaltenen Rasen Kricket. Das Hotel war voll belegt, die meisten Gäste tummelten sich am Schwimmbecken oder lagen unter den Sonnenschirmen in den Liegestühlen. Ein Bild sorglosen Nichtstuns.
Die beiden Herren nahmen ihre weichen Filzhüte ab, als sie Har-tungs Appartement betraten, und stellten sich vor.
«Ricardo Lambordano.«
«Piero Cabuzzi.«
«Das ist Baron Fallersfeld, unser Equipenchef«, sagte Hartung. Fallersfeld stand nicht aus seinem Sessel auf, er dokumentierte damit seine Mißbilligung des Besuches und seine Verachtung für die beiden Herren.
«Mich kennen Sie anscheinend.«
Lambordano — er schien der wichtigere Mann zu sein, denn Ca-buzzi blieb immer einen halben Schritt hinter ihm zurück — lächelte strahlend.»Es war klug, Signore, nicht die Polizei zu rufen. Was hätte sie auch genützt? Wir wollen Ihnen nur ein wundervolles Pferd anbieten, dagegen kann auch die Polizei nichts haben. «Er blickte wieder aufFallersfeld, der ihn durch sein Monokel musterte wie eine Schlange ein Kaninchen.»Ist nicht ein Mann zuviel im Zimmer, Signore?«
«Baron Fallersfeld ist — bei allen Geschäften mit mir — immer die letzte Instanz, Signor Lambordano.«
«Commendatore Lambordano. «Er sagte es mit Stolz.
«Oh, gratuliere! Commendatore, Sie wollen mir doch nicht wirklich ein Pferd verkaufen?«Hartung zeigte auf die Sesselgruppe. Lam-bordano und Cabuzzi setzten sich und sahen sich forschend um. Hartung schüttelte den Kopf.»Nein, kein Tonband und keine versteckten Mikrophone. Mein Ehrenwort.«»Ihr Wort ist uns genug. «Lambordano schlug die Beine übereinander. Hartung schenkte Campari mit viel Eis und einen Schuß Sodawasser in hohe Gläser und setzte sich dann auch. Man trank schweigend ein paar Schluck, in aller Ruhe und Gelassenheit, nur um Fallersfelds Lippen zuckte es nervös.»Zur Sache.«
«Bitte.«
«Wir wollen Ihnen tatsächlich ein Pferd verkaufen. Ein herrliches Pferd. Ein einmaliges Pferd. Ein Wunder von einem Pferd. Laska.«
Hartung hielt kurz den Atem an. Also doch, dachte er. Nur ist dieses Angebot illusorisch, denn Polizei bewacht Laska, und Romanowski liegt auf einer Matratze vor der einzigen Stalltür auf dem Boden. Sie werden Laska nie in ihre Hände bekommen.
«Ich bin an dem Kauf nicht interessiert«, sagte Hartung freundlich.»Ich besitze ein Pferd, das zufällig genauso heißt. Sie sollten schleunigst den Namen ändern, sonst gibt es Verwechslungen.«
Lambordano grinste breit. Er wies auf den kleineren, noch eleganteren Cabuzzi, der auf die Glut seiner Zigarre starrte.»Signor Cabuzzi wird Ihnen gern die Zusammenhänge erklären.«
«Sie sehen mich äußerst gespannt, Commendatore.«
Cabuzzi, nicht so gut Deutsch sprechend wie sein Chef oder Partner, trank noch einen Schluck Campari. Dann sagte er:»Es gibt zwei Möglichkeiten, ein Pferd zu besitzen — ein lebendes Pferd oder ein totes Pferd.«
«Frechheit«, keuchte Fallersfeld.»Infame Schurkerei.«
Commendatore Lambordano schielte zu Fallersfeld.»Ich ahnte es, Signor Hartung, der Baron stört.«
Hartung blickte Fallersfeld stumm, aber bittend an. Schweigen Sie, was diese Kerle auch sagen, wir müssen wissen, wie wir uns vor ihnen zu schützen haben. Reden lassen, dann sagt ein Mensch oft mehr, als er will. Die eigenen Worte reißen ihn mit.
«Das gilt natürlich nur im Notfall«, fuhr Cabuzzi ungerührt fort.»Zur Klärung der Lage. Was hier im Stadion von Syrakus veranstaltet wird, unterliegt unserer stillschweigenden Genehmigung und Kontrolle. Gegen ein geringes Honorar garantieren wir einen ungestörten
Ablaufder Veranstaltung, schützen alle Teilnehmer, schirmen sie vor Unbill ab. Kurz — die Veranstaltung wird ein Erfolg — durch unsere unsichtbare Hilfe.«
Hartung nickte.»In den USA nennt man so etwas Racket. Dadurch sind dort die Mafia und die Cosa Nostra steinreich geworden.«
«Das sind Namen, die wir nicht gerne hören. «Commendatore Lam-bordano wurde etwas steifer.»Alles, was man über diese angeblich existierenden Organisationen sagt, ist sehr phantastisch. Bringen Sie uns nicht mit so etwas in Verbindung. Wir sind ein seriöses Unternehmen, das für die allgemeine Sicherheit sorgt. Schließlich bin ich Commendatore!«
«Natürlich, ich vergaß es eine Sekunde. «Hartung verbeugte sich.»Was kostet Ihre Versicherungspolice?«
«Für die gesamte Dauer des Reitturniers nicht mehr als zwei Millionen Lire.«
«Verrückt. Das sind 12.000 Mark!«rief Fallersfeld.
«Bedenken Sie unsere Leistungen«, sagte Lambordano reserviert.»Wir haben Auslagen.«
«Und wenn wir nicht zahlen?«
«Mit einer solchen Möglichkeit rechnen wir gar nicht erst. «Lam-bordano umspannte das Campariglas mit beiden Händen. Er hatte gepflegte Finger, manikürt, zartgliedrig.»Die Amerikaner — wir haben ihnen natürlich auch unser Angebot unterbreitet — reagierten sofort und schrieben einen Scheck aus. Dabei sind sie nicht die Favoriten wie Sie, Signori. Der Geldpreis beträgt zehn Millionen Lire — da kann man zwei Millionen abzweigen.«