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Ein Stadionwärter fand Romanowski zehn Minuten später. Er war noch ohnmächtig, auf seiner Brust lag ein Zettel.

«Denken Sie an uns?«

«Jetzt geht es los«, sagte Hartung eine Stunde später, als Romanowski von Dr. Rölle verpflastert worden war. Sein Gesicht sah aus wie eine Mondlandschaft im blauen Licht. Fallersfeld las den Zettel und zerknüllte ihn.

«Und die Polizei nimmt auch das nicht als Beweisstück an?«

«Können Sie sagen, wer ihn geschrieben hat?«fragte Hartung.

«Nein. Aber in wessen Auftrag.«

«Beweis?«

Fallersfeld fluchte.»Das ist doch absurd!«schrie er.»Bei uns genügt das, um.«

«Wir sind aber auf Sizilien, Baron. Ich bin gespannt auf die zweite Aktion.«

«Ab sofort verläßt Laska das Stallgebäude nicht mehr!«befahl Fallersfeld.

«Und das Konditionstraining?«

«Fällt aus! Laska tritt gar nicht zum Parcours an!«

«Das ist die zweite Hoffnung der Mafia. Zehn Millionen Lire Gewinn, und der Sieger muß die Hälfte abgeben! Nein, ich reite.«

«Die Schufte legen Sie und Laska einfach um. Sie haben's gehört — Gewehr mit Zielfernrohr! Scharfschützen.«

«An diese Drohung glaube ich nicht. Hier ist das eigene Risiko zu groß. Sie rechnen mit unserer Angst, wie die Mafia immer mit der Angst der anderen rechnet.«

«Angst, die sie durch Mord aufgebaut hat!«

Hartung schwieg. Was Fallersfeld sagte, war die Wahrheit. Die Mafia kannte kein Erbarmen mit dem, der sich ihr widersetzte. Sie konnte es auch nicht — nur blutige Konsequenz festigte ihre Autorität.

Kommissar Enrico Portaldi stellte Polizisten zur persönlichen Bewachung ab. Bei jedem Schritt wurde Romanowski von zwei martialisch aussehenden Beamten begleitet. Sie schliefen auch mit ihm im Stall.»Ick komm mir vor wie 'n Staatsfeind«, sagte Romanowski, als Hartung am nächsten Tag Laska zum Abreiten holte. Portaldi war mitgekommen, um Hartungs Schutz zu überwachen.»Selbst uff 'n Lokus stehen se um det Becken rum.«

Das Training verlief ohne Zwischenfälle. Auf dem Übungsplatz mit den Hindernissen ritt Hartung allein. Niemand durfte das Gelände betreten. Fallersfeld lief mit einer ausgebeulten rechten Rocktasche herum, etwas Schweres drückte sich durch den Stoff.

«Eine 08«, sagte er, als Hartung gegen die Tasche tippte.»Ich habe stehend freihändig auf fünfzig Meter die Zwölf geschossen!«

Es war eine merkwürdige, gereizte, krampfhaft-fröhliche Stimmung. Nur Angela zeigte, daß sie Angst hatte.»Verzichte auf das Springen«, sagte sie immer wieder, wenn sie mit Hartung allein war. Nachts kam sie in sein Zimmer, kroch unter seine Decke und schmiegte sich an ihn.»Sei vernünftig, Horst. Du weißt doch, daß sie stärker sind als du. Sie haben hier die Macht. Tu es mir zuliebe, bitte. Sag das Turnier ab, oder zahle diese verdammten zwei Millionen Lire. Zwölftausend Mark. Laska ist das Zehnfache wert.«

«Sie ist unbezahlbar.«

«Dann gib nach.«

«Nicht bei einem Menschen wie diesem Commendatore.«

«In Mexiko hättest du 50.000 Dollar gezahlt.«

«Da hatte ich Laska nicht mehr in den Händen. Aber heute ist sie sicher. Und bis übermorgen früh 10 Uhr wird uns kein Haar gekrümmt werden. Laska und ich sind ein lebendes Kapital. Tot nützen wir den Gaunern gar nichts.«

«Und um eine Minute nach zehn?«

«Soweit ist es noch nicht.«

«Ich habe Angst um dich.«

«Angi…«Er küßte sie. Sie schmiegte sich dicht an ihn und umarmte ihn, als wolle man ihn ihr entreißen. Ihr warmer, nackter Kör-per erfüllte ihn mit Glück. Er streichelte sie und spürte unter seinen Händen ihr Zittern.»Übermorgen um diese Zeit ist alles vorbei.«

«Ich liebe dich. Ich will nicht, daß ich dich übermorgen in einem Sarg finde.«

Sie war nicht zu beruhigen. Nachdem sie sich geliebt hatten, lag sie noch lange in seinen Armen, starrte in die Nacht und klammerte sich an ihm fest. Sie schlief erst ermattet ein, als die Dämmerung übers Meer kroch und die Wellen grüngolden schimmerten.

Mit der Post erhielt Hartung ein Päckchen. Poststempel Syrakus. Vorsichtig — er hatte schon gelesen, daß in solcher Form kleine Höllenmaschinen verschickt wurden, die beim Lösen der Paketverschnürungen explodierten — öffnete er es, indem er blitzschnell die Fäden durchschnitt, hinter der Couch in Deckung ging und sich flach auf den Boden warf.

Das Päckchen explodierte nicht. Hartung wickelte es aus, ein Karton kam zum Vorschein, und in dem Karton lag, sauber in Holzwolle gepackt, als sei er sehr zerbrechlich, ein kleiner schwarzer Sarg. Es war ein Meisterwerk der Schnitzkunst, nichts fehlte an ihm — das Kreuz und ein Palmwedel auf dem Deckel, die Griffe an den Seiten, die zierlichen Füße, Ornamentschnitzerei an den Seiten — ein typischer südländischer Prunksarg.

Hartung hob den Deckel ab. Auf einem winzigen seidenen Kissen lag ein weißes Kreuz. >H. Hartung< stand auf dem Querbalken.

«Sehr sinnig«, sagte Fallersfeld, der als erster das makabre Geschenk betrachtete.»Und mit Stilgefühl, das muß man dem Commenda-tore lassen. Er hat Bildung. So gefühlvoll ist noch keiner gewarnt worden.«

«Kein Wort darüber zu Angela, Baron. Ich bitte Sie!«

«Mit Vorbehalt. Wo ist sie überhaupt?«

«Sie macht einen Ausflug zum Ätna.«

«Allein? Sie Wahnsinniger!«»Sie sind zu dritt und der Chauffeur. Ein hoteleigener Wagen, unauffällig. Es ergab sich plötzlich. Ein amerikanisches Ehepaar wollte zum Ätna, und im Wagen war noch ein Platz frei.«

Fallersfeld betrachtete wieder den kleinen schwarzen Sarg.»Als Souvenir ist er zu gebrauchen«, sagte er,»aber nicht als Modell für einen richtigen Sarg, in dem Sie liegen werden.«

«Sie reden wie Angi, Baron.«

«Vertraue aufs Gefühl der Frauen, du kannst Paläste darauf bauen.«

«Von Schiller ist das nicht.«

«Von mir.«

«Drum. Sie werden nie in die Literaturgeschichte eingehen, Baron.«

«Lassen wir das dumme Gerede. Wir zahlen die zwei Millionen Lire.«

«Nein.«

«Ich will Sie lebend nach Deutschland zurückbringen!«brüllte Fallersfeld plötzlich. Die ganze aufgestaute Angst brach aus ihm heraus.»Dieser Sarg ist deutlich genug.«

«Einen Nervenkrieg würden Sie verlieren. Das genau ist es, was der Commendatore mit uns macht. Ich warte noch — bis morgen um zehn!«

«Bis dahin bin ich irrenhausreif.«

Sie zuckten beide zusammen, als hinter ihnen aufdem Nachttisch das Telefon klingelte.

«Lambordano«, sagte Fallersfeld tonlos.

«Warum so schwarzsehen? Es kann Angi sein, Romanowski, Dr. Rölle, Kommissar Portaldi, irgendwer.«

«Nehmen Sie endlich ab. «Fallersfeld war bleich geworden.»Das Klingeln macht mich verrückt.«

Hartung hob den Hörer ans Ohr. Dann verzog sich sein Gesicht, und er nickte Fallersfeld zu.»Piero Cabuzzi. Einen schönen guten Morgen, signor avvocato. Wie ist Ihr Befinden? Meines ist gut. Ich habe blendend geschlafen, bin viermal durch den Swimming-pool geschwommen, habe hervorragend gefrühstückt und bewundere jetzt eine sizilianische Schnitzarbeit. Ein Meisterwerk. Ist das kleine Kreuz mit meinem Namen geweiht?«

Cabuzzi schien Mühe zu haben, die gute Laune Hartungs zu verdauen. Er schwieg, als Hartung fröhlich lachte. Fallersfeld raufte sich die Haare.

«Provozieren Sie nicht!«zischte er.»Mein Gott, seien Sie doch vernünftig.«

«Kann ich den Scheck holen?«fragte Cabuzzi knapp.

«Nein.«

«Unterschätzen Sie uns nicht, Signore.«

«Auf gar keinen Fall, aber ich überschätze Sie auch nicht. Ich werde Ihnen etwas Schreckliches sagen, schrecklich für den lieben Com-mendatore: Laska ist mir keine tausend Lire wert. Noch weiß es niemand, aber bei ihrem Abenteuer in Mexiko — Sie haben sicherlich davon in den Zeitungen gelesen — hat sie sich beim Sprung über die Felsenmauer den linken vorderen Huf angeknackst. Noch merkt man nichts, unser Dr. Rölle pumpt das Bein mit Spritzen voll und macht nachts Umschläge. Aber wenn Laska länger geht, beginnt sie zu lahmen. Ob sie den Parcours bis zum Ende durchhält, weiß ich nicht. Nur eines wissen wir — sie ist nicht mehr zu heilen und wird in Deutschland eingeschläfert werden. Schießen Sie also ruhig auf Laska, mir ist's egal.«