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«Trotzdem bezahle ich!«

Portaldi nickte.»Ein Rat als Privatmann, Baron! Tun Sie das, so schnell Sie können. Sie ersparen damit auch mir viele Schwierigkeiten.«

Fallersfeld bezahlte nicht. Er konnte es nicht, weil wiederum weder Cabuzzi noch Lambordano zu erreichen waren. Daß der Com-mendatore kurz vor zehn bei Hartung anrief, wußte Fallersfeld nicht, und Hartung sagte es auch nicht.

Die Unterhaltung war kurz.

«Zahlen Sie?«

«Nein, Sie Schuft! Ein wehrloses Mädchen kahlzuscheren! Wagen Sie sich bloß nicht mehr in meine Nähe!«

«Ihnen ist nicht zu helfen! Um 16 Uhr springen Sie. Wir haben uns überzeugt, Laska hinkt. Wir schießen Sie aus dem Sattel!«

«Das steht Ihnen frei.«

«Immer diese heldenhaften Deutschen!«Lambordano schnaufte.»Sterben Sie anständig.«

«Darauf können Sie sich verlassen.«

Das Gespräch brach ab. Hartung sah auf die Uhr. Genau 10 Uhr. Er zog sein Reitzeug an, rief in den Ställen an und dann bei Angela. Der Hotelfriseur hatte ihr eine wunderschöne hellblonde Perücke besorgt. Eine schicke Lockenfrisur.

«Die Gefahr ist vorbei«, sagte Hartung.»Ich gehe jetzt zum Platz. Versprich mir, im Hotel zu bleiben bis nach dem Turnier.«

«Nein. Ich komme mit dir.«

«Angi, das ist Wahnsinn.«

«Wenn die Gefahr vorbei ist…«Ihre Stimme klang fest und ruhig.»Mich belügst du nicht. Ich merke sofort, wenn du schwindelst. Du kannst gar nicht lügen. Die Gefahr fängt jetzt erst an.«

«Angi.«

«Es gibt nichts, was mich zurückhalten könnte, bei dir zu sein. Das weißt du, also rede nicht weiter.«

Hartung seufzte. Es war wirklich nutzlos, mit Angela zu streiten. Wenn eine Frau so liebt wie sie, gibt es keine getrennten Probleme mehr.

Sie trafen sich unten in der Halle und fuhren zusammen hinaus zum Stadion. Hunderte Fahnen flatterten an den hohen weißen Masten, der Parcours war aufgebaut, die Militärkapelle, die mit flotten Märschen und Paradieren das Turnier eröffnete und die Pausen ausfüllte, probte zum letztenmal. Um die Ställe und den Abreiteplatz hatte Portaldi einen dichten Polizeikordon gezogen.

«Wenn es passiert, dann hier«, sagte Hartung und drückte Angela an sich.»Im Stadion ist es unmöglich.«

Das Morgenabreiten. Lockerungsübungen, Probesprünge. Schrittkombinationen, die ganzen Gehorsamsübungen, die bei einem temperamentvollen Springpferd notwendig sind — Hartung absolvierte sie mit äußerlicher Sicherheit. Im Nacken aber hatte er ein eiskaltes Gefühl. Irgendwo lauerte der Tod.

Nichts geschah. Romanowski, Fallersfeld, Kommissar Portaldi und Angela waren wie ein Ring um Hartung. Beim Mittagessen im Stadion-Restaurant bildeten sie einen Wall um ihn. Auch die anderen deutschen Reiter saßen sprungbereit. Portaldi hatte Pistolen verteilt, gegen alle Vorschriften. Das bewies, wie ernst er die Drohung der >Gesellschaft< nahm. Er nannte jetzt den amtlichen Namen — das Wort Mafia war tabu.

Vierzehn Uhr. Beginn des Turniers. Schwungvolle Reden, Musik, Jubel, Händeklatschen, die Militärkapelle, das A-Springen, das Italien gewann.

«Ich löse mich vor Angst auf«, flüsterte Fallersfeld, als Hartung mit Laska am langen Zügel zum Einreittor kam. Romanowski folgte ihm wie ein Revolvermann, er trug die Pistole offen im Gürtel und hatte die Hand darauf gelegt.

Zur gleichen Zeit schraubte auf dem obersten Stehplatz, hinter der riesigen Anzeigetafel, auf der die elektronischen Buchstaben summten, Mario Albertino ein Gewehr zusammen. Er tat es mit einer leidenschaftslosen Präzision. Kolben, Mittelteil mit Schloß, Lauf, Zielfernrohr. Er hatte das schon oft getan — in den Bergen, an der Küste, im Wasser, im Sumpf, im Wald, in den unmöglichsten Situationen. Mario Albertino war der gefürchtetste Scharfschütze der >Familie< Lambordanos, und Familie heißt bei der sizilianischen Mafia soviel wie Abteilung.

Als das Gewehr zusammengesetzt war, hockte sich Albertino unter die Anzeigetafel. Hier war er allein, Bretter und Stützen schützten ihn vor den Blicken der anderen, aber er selbst hatte eine vorzügliche Sicht über den gesamten Parcours. Er hob das Gewehr, blickte durch das Zielfernrohr und hatte die Hindernisse groß und schußsicher im Visier.

Zufrieden setzte er das Gewehr ab, holte ein kleines Funkgerät aus der Tasche und drückte auf einen Knopf.

«Alles in Ordnung«, sagte er.»Wann soll ich abdrücken?«

«Mitten im Sprung über das letzte Hindernis. Er soll bis zuletzt von der Angst zerfressen werden. Siehst du das letzte Hindernis?«

«Zum Greifen nahe. Ich schieße, wenn er genau drüber ist.«

«Und wenn du vorbeischießt?«

«Das ist noch nie vorgekommen.«

«Es darf heute nicht das erste Mal sein. Ende.«

Mario Albertino zuckte mit den Schultern, steckte sich eine Zigarette an und wartete.

Das Springen um den >Pokal des hl. Stephanus< begann.

Ein Riesending aus Silber, es stand unten auf einem mit rotem Samt bezogenen Podest. Und zehn Millionen Lire.

«Noch nichts«, stammelte Fallersfeld.»Ich werde wahnsinnig. Wenn sie die Drohung wahrmachen, dann nur jetzt.«

Um Hartung standen dichtgedrängt Polizisten. Militär, Ordner. Romanowski hielt Laska, pflichtschuldig hinkte sie ein wenig, was sich sofort bei den anderen Equipen herumsprach.

Es wurde ein vertracktes Springen auf einem steinharten Boden. Zwar hatte man vor und hinter den Hindernissen den Boden aufgepflügt und mit Sägemehl durchgearbeitet, aber schon nach den ersten sechs Umläufen war die Erde wieder festgetreten. Die Hindernisse selbst waren hoch, die Doppel- und Dreifachkombinationen weit, und vor allem standen sie ziemlich eng beieinander.

«Diesen Parcours hat ein Zwerg aus seiner Perspektive aufgebaut!«sagte Fallersfeld.»Die Pferde müssen ja hüpfen wie Gummibälle.«

Die Resultate waren auch so. Ohne zwölf Fehler ging keiner vom Platz, allein der deutsche Reiter Hans Mucke erreichte acht Fehlerpunkte. Nur die Italiener, hier zu Hause, nahmen die Hindernisse mit einer Eleganz und Leichtigkeit, die begeisterte. Sie waren die einzigen, die keine Fehler ritten. Das Stadion tobte und schrie, das südländische Temperament schäumte über.

Dann wurde Hartung aufgerufen. Als letzter, als Krönung des Tur-niers.

«Horst Hartung auf Laska, Deutschland.«

Mario Albertino legte sein Gewehr an. Neben ihm auf der Erde stand das kleine Funkgerät.»Bereit«, meldete er.

«Gut, Mario.«

Hartung ritt ein. Die übliche Vorstellung, Grüßen mit der Kappe, leichte Wendung auf der Hinterhand, Antraben zur Starterfahne, Senken der Fahne, es gab kein Zurück mehr. Die Uhr lief, der gnadenlose Zeitnehmer, und vor ihm lagen einundzwanzig Hindernisse.

«Jetzt ist er sicher«, sagte Fallersfeld und zog Angela an sich. Sie schluchzte leise und starrte auf den einsamen Reiter und sein Pferd. Ungläubig sahen auch die anderen Reiter Laska nach, sie hinkte nicht mehr, sie trabte auf das erste Hindernis zu, geballte Kraft, leuchtende goldrote Schönheit.

Mario Albertino, der Scharfschütze, auf dessen Kopf 500.000 Lire standen, verfolgte im Zielfernrohr den Ritt Hartungs. Groß, tödlich sicher lag sein Kopf im Fadenkreuz. Es konnte keinen Fehlschuß geben.

Laska sprang wie eine abschnellende Stahlfeder. Es war, als mache sie sich über die Hindernisse lustig, als gäbe es keine Höhen und Weiten für sie. Sogar Mario Albertino schnalzte mit der Zunge, wie sie Dreierkombinationen nahm, als seien es Cavalettis. Neben ihm pfiff leise das Funkgerät.

«Noch sechs Hindernisse, Mario.«

«Ich habe ihn genau im Kreuz. Brauch nur den Finger durchzuziehen.«

«Springt sie nicht herrlich? Das Hinken war eine Lüge. Aber er wird dafür bezahlen.«