zu erkaufen suchte.
Das Merkwürdigste an der ganzen Sache war, dass Tankado für die
gegen ihn in Gang gesetzte Verleumdungskampagne Verständnis aufzubringen schien. So lief das eben im nachrichtendienstlichen Milieu. Tankados Reaktion ließ weder Zorn noch Wut erkennen, nur eiserne Entschlossenheit. Als der Sicherheitsdienst ihn abführte, hatte er Strathmore mit stoischer Ruhe eine letzte Warnung zukommen
lassen.
»Jedermann hat ein Recht auf Geheimnisse«, hatte Tankado erklärt. »Der Tag wird kommen, an dem ich dafür sorge, dass es dabei
bleibt.«
KAPITEL 7
In Susans Hirn ging es drunter und drüber – Ensei Tankado hat ein Programm geschrieben, das unentschlüsselbare Codes erzeugt? Die
Vorstellung wollte ihr einfach nicht in den Kopf.
»Er hat es Diabolus genannt«, sagte Strathmore. »Es ist eine Art digitale Festung, das Nonplusultra der Spionageabwehr. Wenn dieses Programm auf den Markt kommt, kann jeder Volksschüler mit einem Modem verschlüsselte Nachrichten verschicken, an denen die NSA
sich die Zähne ausbeißt. Dann können wir einpacken.«
Susans Überlegungen kreisten um etwas ganz anderes als die politischen Implikationen von Diabolus. Sie war immer noch nicht bereit zu glauben, dass ein solches Programm überhaupt möglich war. Sie hatte ihr ganzes Leben lang Codes dechiffriert, stets in der festen Überzeugung, dass es den ultimativen Code nicht geben konnte. Jeder Code kann geknackt werden – so verlangt es das Bergofsky-Prinzip!
Sie kam sich vor wie eine Atheistin, der der liebe Gott erschienen war.
»Wenn dieser Code auf den Markt kommt«, flüsterte sie, »ist die Kryptographie als Wissenschaft erledigt.«
Strathmore nickte. »Mag sein, aber das ist noch unser geringstes Problem.«
»Können wir Tankado nicht mit Geld locken? Ich weiß, dass er Sie hasst – aber könnte man ihm nicht ein paar Millionen Dollar anbieten,
damit er das Programm nicht auf den Markt bringt?«
Strathmore lachte auf. »Ein paar Millionen Dollar? Wissen Sie überhaupt, was so ein Programm wert ist? Die Regierungen der ganzen Welt werden sich gegenseitig überbieten! Stellen Sie sich doch mal vor, wir müssten unserem Präsidenten sagen, dass wir zwar immer noch in den Dateien von Terroristen herumschnüffeln, aber
leider könnten wir ihre Nachrichten nicht mehr lesen! Es geht hier nicht bloß um die NSA, es geht um unser gesamtes nachrichtendienstliches System! Unser Laden ist der Lieferant für alle, das FBI, die CIA, die DEA! Sie werden alle in den Blindflug übergehen müssen. Man wird die Rauschgiftlieferungen der Drogenkartelle nicht mehr verfolgen können, die Steuerbehörde wird nur noch hilflos zusehen, wenn die großen Konzerne ohne einen Schnipsel Papier zu hinterlassen ihre Gewinne verschieben, und Terroristen werden demnächst völlig ungestört per Internet ein
Schwätzchen halten – in kürzester Frist hätten wir das totale Chaos!«
»Für die EFF wird das ein Festtag«, sagte Susan, die blass geworden war.
»Die EFF hat keinen Schimmer, was wir hier eigentlich leisten«, schimpfte Strathmore ärgerlich. »Die würden anders reden, wenn sie wüssten, wie oft wir einen Angriff von Terrororganisationen nur deshalb vereiteln konnten, weil wir die Codes der Terroristen
entziffern können!«
Susan sah die Sache genauso, aber sie kannte auch die Realitäten. Die EFF würde niemals erfahren, wie wichtig der TRANSLTR war. Dieser Computer hatte Dutzende von Angriffen zum Scheitern gebracht, aber das waren Informationen der höchsten Geheimhaltungsstufe, die auf keinen Fall an die Öffentlichkeit gelangen durften. Die Begründung war einfach. Die Regierung hätte mit der Veröffentlichung der Wahrheit eine Massenhysterie riskiert. Kein Mensch konnte vorhersagen, wie die Bevölkerung reagieren würde, wenn herauskam, dass die Vereinigten Staaten in der jüngsten Vergangenheit bereits zwei Mal nur knapp einem Nuklearanschlag
durch fundamentalistische Gruppen entgangen waren.
Nuklearanschläge waren nicht die einzige Bedrohung. Vor nicht allzu langer Zeit hatte der TRANSLTR einen raffiniert eingefädelten Terroranschlag vereitelt. Eine regierungsfeindliche Organisation hatte einen Plan mit der Bezeichnung »Sherwood Forest« entwickelt, der zur »Umverteilung des Reichtums« gegen die New Yorker Börse ins
Werk gesetzt worden war. Im Verlauf von sechs Tagen hatten Mitglieder der Organisation sieben Behälter mit Magnetbomben in den Gebäuden rings um die Börse platziert. Bei der relativ harmlosen Explosion dieser Behälter entsteht eine Welle von außerordentlich starken Magnetfeldern. Eine exakt zeitgleiche Explosion von sieben gut platzierten Bomben hätte ein Magnetfeld von solcher Intensität hervorgerufen, dass in der Börse sämtliche magnetischen Datenträger gelöscht worden wären – die Computerfestplatten, die riesigen MODSpeicher, die Speicherbänder und sogar ganz normale Disketten. Sämtliche Belege, aus denen hervorging, wem was gehört, wären
unwiederbringlich vernichtet worden.
Da die erforderliche absolut zeitgleiche Detonation eine haarfeine Koordination zur Voraussetzung hatte, waren die Magnetbomben per Internet miteinander vernetzt. Die eingebauten Uhren der Magnetbomben tauschten während des zweitägigen Countdowns zu ihrer Synchronisation endlose Datenströme aus. Die NSA registrierte zwar die Datenimpulse als Netzwerkanomalie, interpretierte sie aber als einen harmlosen Austausch von Datenmüll und maß dem Vorgang zunächst keinerlei Bedeutung bei. Nach der Dechiffrierung der Datenströme durch den TRANSLTR erkannten die Analysten jedoch sofort einen über das Internet synchronisierten Countdown. Erst knapp drei Stunden vor der geplanten Explosion gelang es, die
Magnetbomben zu lokalisieren und unschädlich zu machen.
Susan wusste, dass die NSA ohne ihren TRANSLTR gegen progressiven elektronischen Terrorismus hilflos war. Sie warf einen Blick auf den Kontrollmonitor. Er zeigte inzwischen eine Rechenzeit von knapp sechzehn Stunden an. Selbst wenn Tankados Datei jetzt, in diesem Moment, geknackt wurde, war die NSA am Ende, denn es hätte die Crypto-Abteilung auf die Entschlüsselung von noch nicht einmal zwei Dateien pro Tag zurückgeworfen. Schon bei der gegenwärtigen Rate von einhundertfünfzig Dechiffrierungen pro Tag war ein beträchtlicher Rückstau unentschlüsselter Dateien
aufgelaufen.
»Tankado hat mich letzten Monat angerufen«, sagte Strathmore.
Seine Bemerkung riss Susan aus ihren Gedanken. Sie blickte auf. »Tankado hat mit Ihnen telefoniert?« Strathmore nickte. »Er wollte mich warnen.«
»Warnen? Er hasst Sie doch!«
»Er hat mich angerufen und verkündet, er sei drauf und dran, einen Algorithmus zur Erzeugung von unentschlüsselbaren Codes zu
perfektionieren. Ich habe es ihm damals nicht abgenommen.«
»Aber wozu sollte er Sie überhaupt einweihen?«, fragte Susan. »Wollte er Ihnen den Algorithmus verkaufen?«
»Nein, es war eine Erpressung.«
Susan sah auf einmal klar. »Natürlich! Er wollte, dass Sie seinen Namen wieder salonfähig machen!«, sagte sie bewundernd.
»Keineswegs. Er wollte den TRANSLTR.«
»Den TRANSLTR?«
»Ja. Er hat von mir verlangt, öffentlich zu beichten, dass wir diese Maschine haben. Er hat gesagt, wenn wir zugeben, dass wir jedermanns E-Mails lesen können, würde er sein Programm
vernichten.«
Susan sah ihn skeptisch an.
Strathmore zuckte die Achseln. »Wie auch immer, jetzt ist es zu
spät. Er hat Diabolus auf seiner Website ins Internet gestellt. Jeder kann es sich herunterladen, auf der ganzen Welt.«
Susan wurde schneeweiß. »Er hat was?«