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Strathmore schüttelte den Kopf. »Tankado ist zu schlau, um uns diese Möglichkeit zu lassen.«

Susan fühlte sich seltsam erleichtert. »Hält er sich an einem geschützten Ort auf?«

»Nicht unbedingt.«

»Dann ist er wohl untergetaucht, oder?«

Strathmore hob die Schultern. »Tankado hat Japan verlassen. Er wollte die Angebote per Telefon verfolgen. Wir wissen aber, wo er

sich aufhält.«

»Und Sie werden nichts unternehmen?«

»Nein. Tankado hat sich eine Rückversicherung zugelegt. Er hat einem anonymen Dritten ein Duplikat des Schlüssels anvertraut... falls

ihm selbst etwas zustößt.«

Aber natürlich, dachte Susan, ein Schutzengel. »Und ich nehme an, wenn Tankado etwas zustößt, wird der geheimnisvolle Dritte den

Schlüssel verkaufen.«

»Schlimmer noch. Wenn Tankado etwas passiert, wird sein Partner den Key veröffentlichen. '. '.

»Er soll ihn veröffentlichen?«, sagte Susan verdutzt.

Strathmore nickte. »Ins Internet stellen, in der Zeitung abdrucken lassen, Plakate kleben, egal was – kurzum, er soll den Key

verschenken.«

Susan riss die Augen auf. »Kostenlose Downloads?«

»Genau. Tankado muss sich gedacht haben, wenn er tot ist, nützt ihm das Geld sowieso nichts mehr. Warum also der Welt nicht ein

kleines Abschiedsgeschenk machen?«

Eine lange Stille entstand. Susan holte tief Luft, als versuche sie,

die furchtbare Wahrheit zu verdauen. Ensei Tankado hat einen unknackbaren Algorithmus entwickelt und uns zu seinen Geiseln gemacht.

Sie erhob sich jäh. »Wir müssen mit Tankado Kontakt aufnehmen«, sagte sie entschlossen. »Es muss doch möglich sein, ihn zu überzeugen, dass er den Schlüssel keinesfalls veröffentlichen darf. Wir können ihm das Dreifache des höchsten Gebots bieten, seine

Rehabilitation! Alles!«

»Zu spät«, sagte Strathmore und sog tief die Luft ein. »Ensei Tankado lebt nicht mehr. Man hat ihn in Sevilla gegen Mittag Ortszeit

tot aufgefunden.«

KAPITEL 8

Der zweistrahlige Learjet 60 setzte auf der glühend heißen

Landebahn auf. Die andalusische Landschaft, die draußen vor dem Fenster vorbeiraste, verringerte ihre Geschwindigkeit allmählich zum

Kriechtempo.

»Mr Becker?«, knisterte es aus dem Bordlautsprecher. »Wir sind da.«

David Becker stand auf und streckte sich. Als er gewohnheitsmäßig nach dem Gepäckfach über seinem Kopf griff, fiel ihm ein, dass er gar kein Gepäck dabeihatte. Zum Packen war keine Zeit gewesen – aber wozu auch? Es war ja nur eine Stippvisite, hatte

man ihm versichert. Rein und gleich wieder raus.

Die Maschine rollte mit auslaufenden Triebwerken aus dem Sonnenglast in einen verlassenen Hangar am Ende der Landebahn. Der Pilot tauchte aus dem Cockpit auf und betätigte den Ausstieg. Becker goss den Rest seines Preiselbeersafts hinunter, deponierte das

Glas auf einer Theke und griff nach seinem Jackett.

Der Pilot stand schon draußen und half Becker auszusteigen. Er zog einen dicken braunen Umschlag aus der Fliegerkombination. »Das soll ich Ihnen geben«, sagte er und drückte Becker den Umschlag in die Hand. Vorne drauf standen mit blauem

Kugelschreiber flüchtig hingeworfen die Worte: Behalten Sie das Wechselgeld.

Becker griff hinein und ließ den dicken Packen Geldscheine durch die Finger gleiten. »Was ist... denn das?«

»Hiesiges Geld«, sagte der Pilot ungerührt.

»Das weiß ich selbst, aber es ist doch viel zu viel!«, stotterte Becker. »Ich brauche nur etwas Geld fürs Taxi.« Er überschlug den

Gegenwert der Scheine. »Das sind mindestens zehntausend Dollar!«

»Ich habe meine Befehle, Sir.« Der Pilot drehte sich abrupt um und schwang sich wieder hinauf in die Kabine. Der Einstieg glitt hinter

ihm ins Schloss.

Becker betrachtete das Flugzeug und dann wieder das Geld in seiner Hand. Er stand eine Weile unschlüssig in dem Hangar herum. Schließlich steckte er das Geld in die Brusttasche, warf sich das Jackett über die Schulter und machte sich die Landebahn entlang auf den Weg. Was für ein seltsamer Anfang! Becker versuchte, nicht mehr daran zu denken. Mit ein bisschen Glück war er zeitig genug zurück, um seinen Ausflug mit Susan nach Stone Manor wenigstens

teilweise noch zu retten.

Rein und raus, dachte er frohgemut. Rein und raus!

KAPITEL 9

Phil Charturkian, ein Techniker der für die Systemüberwachung und – Wartung zuständigen Abteilung, wollte eigentlich nur kurz bei der Crypto vorbeischauen, um ein paar Unterlagen zu holen, die vom Vortag noch dort lagen. Er schlenderte durch die Kuppel und trat ins Laboratorium der Techniker der System-Security-Abteilung, die jeder nur Sys-Sec nannte. Schon beim Hereinkommen fiel ihm auf, dass etwas nicht stimmte. Das Kontrollterminal für die internen Abläufe

des TRANSLTR war nicht besetzt, der Bildschirm abgeschaltet.

»Hallo? Jemand da?«

Keine Antwort. Alles wirkte aufgeräumt – als wäre schon lange keiner mehr da gewesen.

Charturkian gehörte erst seit relativ kurzer Zeit zum Sys-Sec-Team, aber ungeachtet seiner dreiundzwanzig Jahre war er bestens ausgebildet, und vor allem kannte er die Vorschriften: Im Crypto-Lab musste immer ein dienstbereiter Sys-Sec-Mann sitzen, besonders am

Samstag, wenn von den Kryptographen keiner da war.

Er schaltete den Bildschirm an. Während er daraufwartete, dass der Monitor hell wurde, schaute er auf den Dienstplan an der Wand und ging die Namensliste durch. »Wer hat denn Wachdienst?«, fragte er laut. Nach Dienstplan hätte ein junger Hüpfer namens Seidenberg in der vorangegangenen Nacht um Mitternacht eine Doppelschicht

antreten müssen. Charturkian sah sich in dem leeren Laboratorium um. »Wo zum Teufel steckt der Kerl?«

Während er auf den immer noch blinden Bildschirm starrte, fragte er sich, ob Strathmore wusste, dass die Sys-Sec-Abteilung unbesetzt war. Beim Hereinkommen war ihm aufgefallen, dass die Vorhänge von Strathmores Büro vorgezogen waren, was bedeutete, dass der Boss da war – samstags keineswegs ungewöhnlich. Ungeachtet seiner strikten Anweisung an die Mitarbeiter, am Samstag nicht zu arbeiten,

schien er selbst dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr voll durchzuackern.

Eines stand für Charturkian zweifelsfrei fest: Wenn Strathmore dahinter kam, dass die Sys-Sec-Abteilung nicht besetzt war, würde der junge Spund hochkant fliegen. Mit einem Blick zum Telefon überlegte er, ob er den säumigen Kollegen anrufen sollte, um ihm unangenehme Konsequenzen zu ersparen. Sys-Secs deckten einander den Rücken, das verlangte ein ungeschriebenes Gesetz. Sie waren in der Crypto-Abteilung lediglich das Fußvolk, das mit seinen Gebietern im Dauerzwist lag. Es war ein offenes Geheimnis, dass die Kryptographien die eigentlichen Herren dieses Multi-Milliarden-Etablissements waren. Die Sys-Secs musste man dulden, weil sie für das reibungslose Funktionieren des teuren Spielzeugs der

Herrschaften unentbehrlich waren.

Charturkian hatte sich entschieden. Er griff nach dem Telefon – aber der Hörer gelangte nicht bis an sein Ohr. Mitten in der Bewegung hielt er inne. Mit offenem Mund starrte er auf den Bildschirm vor seinen Augen, auf dem soeben ein kleines Anzeigefenster Gestalt

annahm. Wie in Zeitlupe legte Charturkian den Hörer wieder auf.

In seinen acht Monaten als NSA-Sys-Sec hatte Phil Charturkian auf dem TRANSLTR-Kontrollmonitor noch nie eine Anzeige gesehen, die nicht mit zwei Nullen begann. Heute war es zum ersten

Mal anders.

BISHERIGE RECHENZEIT: 15:17:21

»Fünfzehn Stunden und siebzehn Minuten?«, keuchte er. »Das gibt es doch nicht!«

Mit einem Stoßgebet zum Himmel schaltete er den Bildschirm aus

und ließ ihn gleich wieder hochfahren in der Hoffnung, dass es eine fehlerhafte Anzeige gewesen war. Das Ergebnis blieb