liegt dann bei Ihnen.«
Susan wusste, der »Rest« bestand aus einem Einsatzkommando der NSA, das dem Betreffenden den Strom abstellte und Betäubungswaffen schwingend durch klirrende Fensterscheiben in sein Haus eindrang – vermutlich in dem Glauben, eine Verhaftung im Drogenmilieu vorzunehmen. Anschließend würde Strathmore zweifellos eigenhändig aus den Resten der Einrichtung den Vierundsechzig-Bit-Schlüssel herausklauben. Und dann würde er ihn vernichten. Diabolus würde auf ewig im Internet herumspuken, unbenutzbar und für alle Zeiten gesperrt.
»Seien Sie vorsichtig mit Ihrem Tracer«, sagte Strathmore. »Wenn North Dakota in Erfahrung bringt, dass wir ihm auf der Spur sind, macht er sich vielleicht mit dem Key aus dem Staub, bevor unsere
Leute vor Ort sein können.«
»Keine Sorge«, versicherte Susan. »Wenn das Programm den Account gefunden hat, löst es sich im selben Moment auch schon auf.
Kein Mensch merkt, dass es überhaupt da gewesen ist.«
Der Commander nickte müde. »Danke, Susan.«
Susan lächelte ihm voll Mitgefühl zu. Sie war immer wieder erstaunt über die Ruhe, die der Commmander selbst angesichts einer drohenden Katastrophe bewahrte. Sie war überzeugt, dass seine Karriere, die ihn in die obersten Machtzentralen gelangen ließ, von
dieser Eigenschaft getragen war.
Auf dem Weg zur Tür schaute Susan hinunter zum TRANSLTR. Die Vorstellung, dass es einen nicht zu entschlüsselnden Algorithmus geben sollte, wollte ihr immer noch nicht in den Kopf. Hoffentlich
gelang es ihr, North Dakota schnell genug aufzuspüren.
»Wenn Sie sich beeilen«, rief Strathmore ihr nach, »können Sie bei Einbruch der Dunkelheit in den Smoky Mountains sein.«
Susan blieb wie angewurzelt stehen. Sie war absolut sicher, Strathmore gegenüber den geplanten Wochenendausflug mit keinem Wort erwähnt zu haben. Hört die NSA jetzt schon deinen
Privatanschluss ab? Sie fuhr herum.
Strathmore lächelte sie schuldbewusst an. »David hat mir heute früh von Ihrem geplanten Ausflug erzählt. Er hat gesagt, dass Sie über
die Verschiebung ganz schön sauer sein würden.«
Susan verstand gar nichts mehr. »Sie haben heute früh mit David gesprochen?«
»Natürlich.« Susans Reaktion schien Strathmore zu irritieren. »Ich musste ihm doch Instruktionen geben.«
»Instruktionen? Wofür?«
»Na, für seine Reise nach Spanien! David ist doch in meinem
Auftrag nach Spanien geflogen!«
KAPITEL 10
David ist in meinem Auftrag nach Spanien geflogen. Der Satz des Commanders haute Susan fast um.
»David ist in Spanien?« Susan konnte es kaum fassen. Zorn kam in ihr hoch. »Sie haben ihn nach Spanien geschickt? Wie kommen Sie
dazu?«
Strathmore sah sie perplex an. Er war es nicht gewohnt, angepfiffen zu werden, selbst von seiner Chefkryptographin nicht. Er streifte Susan mit einem überraschten Blick. Fauchend wie eine
Tigerin, die ihr Junges verteidigt, stand sie vor ihm.
»Susan«, sagte er, »haben Sie denn nicht mit David gesprochen? Hat er Ihnen denn nicht alles erklärt?«
Susan war zu schockiert, um zu antworten. Spanien. Deshalb hat David unseren Ausflug nach Stone Manor verschoben!
»Ich habe ihn heute früh mit einem Wagen abholen lassen. Er hat gesagt, er würde Sie vor der Abfahrt noch anrufen. Es tut mir wirklich
Leid, aber ich dachte...«
»Wozu haben Sie David nach Spanien geschickt?«
Strathmore sah sie verdutzt an. »Damit er den einen Key beschafft.«
»Welchen Key?«
»Na, den von Tankado!«
Susan blickte nicht mehr durch. »Wovon ist denn nun die Rede?«
Strathmore seufzte. »Als Tankado starb, hatte er bestimmt seinen Schlüssel bei sich. Ich kann es mir bei Gott nicht leisten, dass der Key irgendwo in einer spanischen Leichenhalle herumliegt!«
»Und da ist Ihnen nichts Besseres eingefallen, als David Becker loszuschicken?« Susan war zu besorgt, um sich noch aufzuregen. Das Ganze war viel zu absurd. »Einen Mann, der noch nicht einmal für Sie
arbeitet!«
Strathmore zuckte leicht zusammen. In diesem Ton hatte noch niemand mit dem Vizedirektor der NSA gesprochen. »Susan«, sagte
er betont ruhig, »das ist es ja gerade. Ich brauchte jemanden...«
Die Tigerin schlug zu. »Sie haben zwanzigtausend Untergebene! Was gibt Ihnen das Recht, ausgerechnet meinen Verlobten
loszuschicken?«
»Ich habe für diesen Kurierdienst einen Normalbürger gebraucht, jemand, der mit den Regierungsbehörden nicht das Geringste zu tun hat! Wenn ich den Dienstweg gewählt und jemand Wind davon
bekommen hätte, dass...«
»Und David Becker ist wohl der einzige Normalbürger, den Sie kennen!«
»Nein! David Becker ist nicht der einzige Normalbürger, den ich kenne, aber heute früh um sechs Uhr musste leider alles ziemlich schnell gehen! David Becker spricht die Landessprache, er ist nicht auf den Kopf gefallen, ich kann ihm vertrauen, und außerdem habe ich
gedacht, ich könnte ihm einen Gefallen tun.«
»Einen Gefallen?«, schnaubte Susan empört. »Hals über Kopf nach
Spanien geschickt zu werden soll wohl ein Gefallen sein?«
»Jawohl! Schließlich bekommt er von mir für diesen einen Tag Arbeit zehntausend Dollar und muss dafür nichts weiter tun, als Tankados Habseligkeiten abholen und wieder nach Hause fliegen!
Wenn das kein Gefallen ist!«
Susan verstummte. Sie hatte begriffen. Es ging wieder einmal nur ums liebe Geld. Ihre Gedanken glitten fünf Monate zurück zu jenem unseligen Abend, an dem David vom Rektor der Georgetown Universität die Beförderung zum Leiter des Fachbereichs für Sprachen angeboten worden war. Der Rektor hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, dass er vermutlich seine Lehrtätigkeit würde einschränken müssen, weil mehr Verwaltungsarbeit auf ihn zukäme – aber dafür sei sein Gehalt natürlich um einiges höher. David, lass die Finger davon, hätte Susan am liebsten geschrieen, du wirst es bereuen! Wir haben doch Geld genug. Kann es denn so wichtig sein, wer von uns es nach Hause bringt? Aber sie wollte David nicht bevormunden. Am Ende hatte sie sich kommentarlos mit seiner Entscheidung abgefunden. Als sie an diesem Abend einschliefen, versuchte Susan, sich für David zu freuen, aber eine innere Stimme hatte ihr gesagt, dass sie sich auf dem besten Weg in eine Katastrophe befanden. Sie hatte Recht behalten – aber niemals hätte sie geglaubt,
wie sehr.
»Sie haben ihn mit zehntausend Dollar geködert?«, schimpfte sie. »Das ist ein gemeiner Trick!«
Strathmore wurde allmählich sauer. »Ein Trick? Ach was, über Geld ist überhaupt nicht gesprochen worden! Ich habe David lediglich gefragt, ob er mir einen Gefallen tun würde, und er hat sich aus völlig
freien Stücken dazu bereit erklärt.«
»Natürlich hat er sich dazu bereit erklärt – schließlich sind Sie mein Chef und der Vizedirektor der NSA! Wie hätte er sich da
weigern können?«
»Recht haben Sie!«, schoss Strathmore zurück. »Und genau aus diesem Grund habe ich ihn auch angerufen. Ich konnte mir nämlich
nicht den Luxus leisten, zu riskieren...«
»Weiß der Direktor, dass Sie einen behördenfremden Zivilisten losgeschickt haben?«
»Susan«, sagte Strathmore, dem offensichtlich langsam die Geduld ausging, »der Direktor hat mit dieser Sache überhaupt nichts zu tun,
und darum weiß er auch nichts davon.«
Susan starrte Strathmore fassungslos an. Sie hatte das Gefühl, mit einem Unbekannten zu reden. Der Commander hatte ihren Verlobten – einen Universitätsdozenten – mit einer Geheimdienstmission der NSA betraut und es noch nicht einmal für nötig befunden, seinen Vorgesetzten von der größten Krise in der Geschichte dieser Behörde
zu benachrichtigen!
»Sie haben Leland Fontaine nicht unterrichtet?«