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drückte die Enter-Taste. Der Computer piepste:

TRACER ABGESCHICKT

Jetzt begann das Warten.

Susan atmete tief aus. Ihre heftige Reaktion gegenüber dem Commander machte ihr zu schaffen. Wenn überhaupt jemand mit der bedrohlichen Lage im Alleinflug fertig werden konnte, dann war es Commander Trevor Strathmore — mit seiner geradezu unheimlichen

Fähigkeit, jeden Herausforderer aufs Kreuz zu legen.

Als vor längerer Zeit die EFF mit der Geschichte hausieren ging, ein Unterseeboot der NSA würde transozeanische Telefonkabel anzapfen, lancierte Strathmore in aller Seelenruhe die Ente, das besagte U-Boot würde in Wirklichkeit illegal hochtoxische Abfälle verklappen. Die EFF und die Meeres-UmWeltschützer gerieten sich daraufhin endlos darüber in die Haare, welche Version die richtige sei. Die Medien waren die Geschichte bald leid und gingen zu anderen

Themen über.

Strathmore unternahm keinen Schritt, ohne ihn sorgfältig und bis ins letzte Detail durchzuplanen, wobei er sich beim Entwurf und bei der Überprüfung massiv auf seinen Computer stützte. Wie viele NSA­Beamte benutzte auch er eine von der NSA entwickelte Software namens BrainStorm – eine bewährte Methode, um »Was-wäre-wenn-Szenarien« risikolos auf dem Computer durchzuspielen.

BrainStorm war eine künstliche Spielwiese für das

nachrichtendienstliche Milieu, das von seinen Entwicklern als Ursache-Wirkung-Simulator bezeichnet wurde. Ursprünglich war das Programm für Wahlkampagnen entwickelt worden, um Echtzeitmodelle von gegebenen politischen »Environments« zu berechnen. Das mit einer Unmenge von Daten gefütterte Programm erzeugte ein relationales Netz – ein hypothetisches Interaktionsmodell zahlreicher politischer Variablen, einschließlich der gegenwärtigen Politprominenz und ihrer Stäbe, der gegenseitigen Beziehungen, der heißen Themen und der Motivation der einzelnen Bewerber, gewichtet mit Variablen wie Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, finanzieller Rückhalt und Macht. Der Anwender konnte ein beliebiges hypothetisches Ereignis in das Programm eingeben, worauf

BrainStorm die Auswirkung auf das »Environment« berechnete.

Commander Strathmore arbeitete hingebungsvoll mit diesem Simulationsprogramm, das generell eine zeitbezogene Abbildung von im Fluss befindlichen Ereignissen ermöglichte: ein äußerst effektives Werkzeug zur Planung komplexer Strategien und zur Vorhersage ihrer möglichen Schwächen. Susan hatte den Verdacht, dass in Strathmores Computer Pläne schlummerten, die geeignet waren, eines Tages die

Welt zu verändern.

Ja, du bist zu heftig gewesen, dachte sie.

Das Zischen der pneumatischen Schiebetüren von Node 3 riss sie aus ihren Gedanken. Strathmore kam hereingeplatzt.

»Susan«, rief er, »David hat gerade angerufen. Es gibt eine Verzögerung.«

KAPITEL 16

Es fehlt ein Ring?« Susan machte ein skeptisches Gesicht. »Tankados Ring ist abhanden gekommen?«

»Ja. Wir können von Glück sagen, dass David es gemerkt hat. Er hat aufgepasst wie ein Schießhund«, sagte Strathmore anerkennend.

»Aber Sie sind doch hinter einem Schlüssel her und nicht hinter einem Ring.«

»Das schon«, sagte Strathmore, »aber ich glaube, es könnte ein und dasselbe sein.«

Susan sah ihn verständnislos an.

»Das ist eine lange Geschichte.«

Susan zeigte auf das Tracer-Programm auf ihrem Bildschirm. »Bislang habe ich noch kein Ergebnis.«

Mit einem tiefen Seufzer begann Strathmore auf und ab zu gehen. »Es hat offenbar Zeugen von Tankados Tod gegeben. Laut Aussage des Polizisten, der im Leichenschauhaus war, hat heute Vormittag ein kanadischer Tourist völlig außer sich die Guardia Civil angerufen. Er sagte, in einem Park habe ein Japaner einen Herzanfall erlitten. Als der Polizist dort ankam, war Tankado schon tot, der Kanadier aber noch da. Der Beamte hat dann über Funk Krankenwagen und Notarzt gerufen. Der Krankenwagen hat Tankado umgehend ins Leichenschauhaus gebracht. Der Polizist hat versucht, aus dem Kanadier herauszubekommen, was passiert war. Der Tourist muss

unentwegt von einem Ring gequasselt haben, den Tankado unmittelbar vor seinem Tod weggegeben hatte.«

Susan sah Strathmore zweifelnd an. »Tankado hat einen Ring weggegeben ?«

»Ja. Offenbar hat er dem alten Kanadier mit dem Ring vor dem Gesicht herumgefuchtelt – wie um ihn anzuflehen, ihn an sich zu nehmen. Mir scheint, der alte Herr hat den Ring aus nächster Nähe sehen können.« Strathmore hörte auf, hin und her zu gehen. »Er hat

gesagt, auf dem Ring sei etwas eingraviert gewesen – eine Inschrift.«

»Eine Inschrift?«

»Jawohl, und seinen Angaben zufolge war es keine englische Inschrift.« Strathmore hob viel sagend die Brauen.

»Japanisch?«

Strathmore schüttelte den Kopf. »Das war auch mein erster Gedanke. Aber hören Sie sich das an: Der Kanadier hat sich beschwert, dass die Buchstaben überhaupt keinen Sinn ergeben hätten. Buchstaben! Japanische Schriftzeichen und unsere lateinischen Buchstaben kann man wohl kaum miteinander verwechseln. Der Alte hat gesagt, die Inschrift hätte ausgesehen, als sei eine Katze über die

Tastatur einer Schreibmaschine spaziert.«

Susan lachte ungläubig. »Commander, Sie glauben doch nicht etwa...«

»Susan«, fiel Strathmore ihr ins Wort, »ist es denn nicht sonnenklar? Tankado hat den Key für Diabolus in diesen Ring eingravieren lassen! Gold ist dauerhaft. Ob er schläft, duscht, isst – er hat die Schlüsselsequenz immer bei sich, jederzeit griffbereit zur

sofortigen Veröffentlichung.«

»Am Finger, einfach so, ganz offen?«, wandte Susan ein.

»Warum nicht? Spanien ist nicht unbedingt ein Tummelplatz für Kryptographen. Kein Mensch hätte sich einen Reim darauf machen können, was die Inschrift bedeutet. Und außerdem, selbst bei hellstem

Tageslicht könnte niemand sämtliche Zeichen fehlerfrei ablesen und sich dann auch noch komplett einprägen.«

»Und Tankado hat diesen Ring einen Augenblick vor seinem Tod einem ihm völlig fremden Menschen aufgedrängt? Aber warum

denn?«, fragte Susan ratlos.

Strathmores Augen verengten sich. »Was würden Sie denken, warum?«

Es dauerte nur einen Moment, dann hatte Susan begriffen. Ihre Augen weiteten sich.

Strathmore nickte. »Tankado hat versucht, den Ring loszuwerden! Er hat gedacht, wir hätten ihn umgebracht. Als er merkte, dass es mit ihm zu Ende ging, hat er natürlich angenommen, dass wir dahinter stecken. Der Zeitpunkt konnte für ihn kein Zufall sein. Er hat geglaubt, wir hätten ihn aufgespürt und ihn vergiftet oder sonst was, vielleicht mit einem langsam wirkenden Herzlähmungsgift. Er muss geglaubt haben, dass wir North Dakota bereits aufgespürt hätten, denn

sonst hätten wir uns nicht an ihn herangewagt.«

Susan fröstelte. »Natürlich!«, flüsterte sie. »Tankado dachte, wir hätten seine Rückversicherung neutralisiert, damit wir ihn ebenfalls liquidieren können.« Sie hatte alles begriffen. Der Herzanfall war zu einem der NSA so hervorragend ins Konzept passenden Zeitpunkt gekommen, dass Tankado die NSA einfach für verantwortlich halten musste. Sein letzter Impuls war Rache gewesen. Ensei Tankado hatte den Ring in einem verzweifelten letzten Aufbäumen verschenkt, damit der Schlüssel vielleicht doch noch öffentlich bekannt wurde. Und jetzt war ein ahnungsloser kanadischer Tourist im Besitz des Schlüssels für das wirksamste Chiffrierungs-Programm aller Zeiten. Es war kaum zu

fassen.

Susan holte tief Luft. »Wo ist dieser kanadische Tourist jetzt?«, stellte sie die längst fällige Frage.

Strathmore blickte finster drein. »Da liegt das Problem.«

»Weiß der Polizist denn nicht, wo er ist?«

»Nein. Die Geschichte des alten Kanadiers war für den Polizisten so absurd, dass er gedacht hat, der Alte steht entweder unter Schock oder er ist senil. Er hat den Kanadier jedenfalls auf den Sozius seines Motorrads geladen, um ihn in sein Hotel zu fahren. Aber der alte Mann, der offenbar nicht wusste, dass man sich auf einem Motorrad ordentlich festhalten muss, ist schon nach ein paar Metern wieder heruntergefallen, hat sich den Schädel aufgeschlagen und außerdem