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verantwortungsvoller Posten bei der NSA mit sich brachte.

An einem kühlen Herbstnachmittag saßen sie auf den Rängen des Fußballstadions und schauten zu, wie die Kicker von Rutgers die

Mannschaft von Georgetown fertig machten.

»Was für einen Sport treibst du noch mal? Zucchini?«, neckte Susan.

David stöhnte auf. »Man nennt es Squash.«

Susan sah ihn verständnislos an.

»Es geht wie Zucchini, nur das Spielfeld ist etwas kleiner«, erläuterte David.

Susan boxte ihn in die Seite.

Der linke Verteidiger von Georgetown vergab einen Eckball. Die Menge buhte. Die Verteidiger rannten zurück in die eigene Hälfte.

»Und du?«, erkundigte sich David. »Was für einen Sport treibst du eigentlich?«

»Ich bin Weltmeisterin auf dem Hometrainer.«

David wand sich in gespieltem Abscheu. »Mir sind Sportarten lieber, bei denen man auch gewinnen kann.«

Susan grinste ihn an. »Du bist wohl ein Streber.«

Der Starverteidiger von Georgetown stoppte einen gegnerischen Querpass. Jubel erklang von der Tribüne. Susan beugte sich zu David.

»Doktor«, flüsterte sie ihm ins Ohr.

David sah sie verständnislos an.

»Doktor«, wiederholte Susan. »Du musst mit dem ersten Wort antworten, das dir spontan in den Sinn kommt.«

David sah sie skeptisch an. »Ein Wortassoziationstest?«

»Standardprozedur bei der NSA. Ich muss wissen, mit wem ich es zu tun habe.« Sie sah ihn bedeutungsvoll an. »Also: ›Doktor‹.«

David hob die Achseln. »Doolittle.«

Susan runzelte die Stirn. »Okay, dann versuch's mal hiermit: ›Küche‹.«

»Schlafzimmer«, kam es wie aus der Pistole geschossen.

Susan hob leicht pikiert die Brauen. »Na gut. Und wie steht's damit: ›Natur‹.«

»Darm«, sagte David postwendend.

»Darm?«

»Na klar. Naturdarm. Die Schlägerbespannung der Squash-Cracks.«

»Ach, wie entzückend«, mokierte sich Susan.

»Und wie lautet nun deine Diagnose?«

Susan dachte kurz nach. »Du bist ein kindischer, sexuell frustrierter Squash-Fan.«

»Könnte hinkommen«, meinte David.

In diesem Stil ging es wochenlang weiter. Wenn sie in einem der vielen nachts geöffneten Schnellrestaurants beim Nachtisch saßen,

pflegte David Susan Löcher in den Bauch zu fragen. Wo hatte sie Mathematik studiert? Wie war sie an den Job bei der NSA gekommen? Wie kam es, dass sie so anziehend war?

Susan wurde rot und räumte ein, dass sie eine Spätentwicklerin sei. Während ihrer ganzen Teenagerzeit war sie ungelenk und dürr gewesen und hatte eine Zahnspange getragen. Ihre Tante Clara hatte einmal gesagt, zum Trost für ihre Unansehnlichkeit hätte ihr der liebe Gott einen schlauen Kopf gegeben. Ein voreiliger Trost, dachte

David.

Susan erzählte ihm, dass ihr Interesse an der Kryptographie in der Junior High School erwacht war. Der Leiter des Computerclubs, ein riesiger Achtklässler namens Frank Gutmann, hatte ein Liebesgedicht für sie abgetippt und mit einer numerischen Verschiebechiffre verschlüsselt. Susan hatte ihn angebettelt, ihr zu verraten, was da stand, aber Frank hatte sich geweigert. Darauf hatte sie das Werk nach Hause mitgenommen und die ganze Nacht unter der Bettdecke beim Schein einer Taschenlampe daran herumgeknobelt, bis das Geheimnis gelüftet war. Jede Ziffer stand für einen Buchstaben. Sorgfältig entschlüsselte sie den Text und erlebte das Wunder, wie ein scheinbar zufälliges Zahlengewirr sich wie durch Hexerei in wundervolle Poesie verwandelte. In dieser Nacht hatte sie ihre Berufung entdeckt – Kryptographie und Verschlüsselungssysteme sollten ihr Lebensinhalt

werden.

Zwanzig Jahre später, sie hatte an der Johns Hopkins Universität ihr Mathematikdiplom gemacht und mit einem Stipendium des MIT Zahlentheorie als Hauptfach studiert, legte sie ihre Doktorarbeit vor: Kryptographische Methoden, Protokolle und Algorithmen für manuelle Anwendungen. Offenbar war ihr Professor nicht der Einzige, der ihre Arbeit gelesen hatte, denn kurz darauf erhielt Susan einen

Anruf und ein Flugticket von der NSA.

Wer sich mit Kryptographie beschäftigte, kannte auch die NSA, denn bei dieser Behörde arbeiteten die besten Kryptographen der Welt. Wenn sich die Privatwirtschaft jeden Frühling mit geradezu obszönen Gehaltsangeboten und Aktienoptionen auf die besten Köpfe der Studienabgänger stürzte, pflegte die NSA sorgfältig das Getümmel zu beobachten, sich ihre Schäfchen auszusuchen und schließlich mit dem Doppelten des höchsten Gebots auf den Plan zu treten. Wenn die NSA etwas haben wollte, kaufte sie es eben. Vor

Aufregung bibbernd war Susan nach Washington geflogen, wo ein Wagen der NSA sie am Dulles Airport erwartet und nach Fort Meade

verfrachtet hatte.

Außer Susan hatten in jenem Jahr einundvierzig weitere Bewerber den besagten Anruf erhalten. Susan war mit ihren achtundzwanzig Jahren die jüngste und obendrein die einzige weibliche Bewerberin gewesen. Die Sache erwies sich weniger als eine Informationsplattform, sondern zu weitaus größeren Teilen als PR-Veranstaltung mit einem intensiven Beiprogramm von Intelligenztests. Susan und sechs weitere Kandidaten wurden in den folgenden Wochen noch einmal eingeladen. Susan hatte zwar Bedenken, ging aber trotzdem hin. Die Bewerber wurden sofort voneinander getrennt und mussten sich Lügendetektor-Tests, Hintergrundbefragungen, graphologischen Analysen und nicht enden wollenden Interviews unterziehen, wobei die auf Tonträger dokumentierten Befragungen auch die sexuelle Orientierung und die sexuellen Praktiken nicht ausließen. Als der Interviewer Susan fragte, ob sie schon einmal Geschlechtsverkehr mit Tieren gehabt hätte, war sie drauf und dran gewesen, aufzustehen und zu gehen. Aber das Geheimnisvolle der ganzen Veranstaltung und die Aussicht, an der vordersten Front der kryptographischen Theorie mitmischen zu können, einen Arbeitsplatz im »Rätsel-Palast« zu beziehen und Mitglied des exklusivsten Clubs der Welt zu werden – der National Security Agency -, ließen sie auch diese Situation irgendwie

überstehen.

David Becker war von ihren Erzählungen vollkommen fasziniert. »Sie haben dich tatsächlich gefragt, ob du schon einmal

Geschlechtsverkehr mit einem Tier gehabt hättest?«

Susan hob hilflos die Schultern. »Es gehört eben zum Background-Check.«

»Und...«, David versuchte ein Grinsen zu unterdrücken, »was hast du geantwortet?«

Sie trat ihn unter dem Tisch gegen das Schienbein. »Nein, natürlich! Und bis letzte Nacht hat das auch gestimmt!«

David hätte Susans Idealvorstellung von einem Mann nicht besser entsprechen können – bis auf eine unglückliche Eigenart. Wenn sie miteinander ausgingen, bestand er notorisch darauf, die Rechnung zu begleichen. Susan litt darunter, dass er für ein Dinner bei Kerzenschein einen ganzen Tagesverdienst hinblättern musste, doch David war unerbittlich. Susan gewöhnte sich an, auf Proteste zu verzichten, aber es störte sie dennoch. Das Bezahlen wäre eigentlich deine Sache, tadelte sie sich selbst. Schließlich kriegst du jeden Monat

mehr Geld aufs Konto, als du ausgeben kannst.

Wie auch immer, ungeachtet seiner altmodischen Kavaliersvorstellungen war David für Susan der ideale Mann. Er war einfühlsam, klug, lustig, und vor allem, er interessierte sich aufrichtig für ihre Arbeit. Ob bei den Besuchen des Smithonian Institute, beim Radfahren oder beim Zerkochenlassen der Spaghetti in Susans Küche, seine Neugier ließ nie nach. Susan beantwortete seine Fragen nach bestem Vermögen und gab David Einblick in die National Security

Agency – soweit es ihre Pflicht zur Geheimhaltung zuließ.

David war fasziniert von dem, was er da zu hören bekam.

Seit über fünfzig Jahren war die am vierten November 1952 um zwölf Uhr eins von Präsident Truman gegründete National Security Agency der mysteriöseste Nachrichtendienst der Welt. Die auf sieben Seiten niedergelegte ursprüngliche Doktrin der NSA gab ein klar umrissenes Aufgabengebiet vor: den umfassenden Schutz von sämtlichen hoheitlichen US-amerikanischen Kommunikationskanälen und deren Inhalten sowie das möglichst vollständige Abfangen der