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Hulohot. Hoffentlich triffst du es auch einmal so gut.

Becker hatte sich auf den kalten Steinboden der Kathedrale gekniet und zog das Genick ein – ein höchst ungehöriges Betragen in einem Gotteshaus. Der Mann, der neben ihm saß, blickte indigniert auf ihn

hinunter.

»Me encuentro mal«, sagte Becker entschuldigend. »Mir ist schlecht.«

Er wusste, dass er unten bleiben musste. Er hatte eine vertraute Silhouette langsam den Seitengang heraufkommen sehen. Er ist da!

Becker steckte zwar inmitten einer großen Menschenmenge, aber er musste befürchten, ein leichtes Ziel abzugeben. In diesem Meer aus Schwarz wirkte sein Khakijackett wie ein Leuchtsignal. Er hatte schon daran gedacht, es abzulegen, aber das weiße Oxfordhemd, das er darunter trug, hätte seine Lage auch nicht verbessert. Er verkroch sich

noch tiefer.

Der Mann neben ihm sah strinrunzelnd auf ihn hinab. »¡Tourista!«, grunzte er. »Soll ich einen Arzt holen?«, schob er

sarkastisch nach.

Becker blickte in das leberfleckige Gesicht des Alten empor. »No, gracias. Es geht schon.«

Der Alte funkelte ihn zornig an. »jPues siéntate! Dann setzen Sie sich gefälligst hin!« Ringsum machten ein paar Leute »schhht!«. Der

Alte verstummte und starrte stur nach vorne.

Becker schloss die Augen und rutschte noch mehr in sich zusammen. Er fragte sich, wie lange der Gottesdienst wohl dauern würde. Protestantisch erzogen, wie er war, hatte er immer schon den Eindruck gehabt, dass die Katholiken gerne aus allem eine lange Oper machten. Er hoffte sehr, dass ihn dieser Eindruck nicht trog, denn sobald der Gottesdienst vorüber war, würde er aufstehen müssen, um die Leute aus der Bank zu lassen. Und in seinem Khakijackett war er

ein toter Mann.

Im Moment jedenfalls blieb ihm nichts anderes übrig, als auf dem kalten Steinboden der großen Kathedrale knien zu bleiben. Der Alte hatte das Interesse an ihm verloren. Die Gemeinde war aufgestanden und sang. Becker blieb unten. Seine Beine verkrampften sich allmählich, aber zum Strecken war es zu eng. Geduld!, dachte er, nur

Geduld! Er holte tief Luft und ergab sich in sein Schicksal.

Becker blieb abgetaucht und hoffte hier unten am Boden vorerst

vor Hulohot sicher zu sein. Solange er sich nicht regte, schien er die Andacht der Gläubigen nicht zu stören. Er hörte Gesänge, Gebete, eine kurze Predigt. Die Gemeinde stand auf, setzte sich, kniete sich hin, erhob sich wieder. Becker schien ein Teil der Bestuhlung geworden zu sein.

Becker spürte, wie ihn jemand mit dem Fuß anstieß. Er sah hoch. Der Alte mit dem leberfleckigen Gesicht stand ungeduldig rechts

neben ihm und wollte durchgelassen werden.

Becker geriet in Panik. Wie? Er will schon gehen? Der Gottesdienst ist doch noch nicht zu Ende! Er bedeutete dem Mann, über ihn hinwegzusteigen, aber da wurde der Alte erst recht böse. Er zog die Schöße seines schwarzen Jacketts eng an den Körper, lehnte sich zurück und wies empört auf die Leute neben sich, die ebenfalls alle aus der Bank treten wollten. Becker drehte den Kopf nach links. Der Mann, der dort gesessen hatte, war fort. Die ganze Bank hatte sich bereits bis zum Mittelgang geleert. Der Gottesdienst kann doch noch

nicht vorüber sein!

Aber als Becker die beiden Menschenschlangen im Mittelgang sah, die sich im Gänsemarsch langsam nach vorne zum Altar schoben, begriff er, was vorging. Die Kommunion!, stöhnte er, die verdammten

Spanier wollen natürlich alle zu ihrer heiligen Kommunion!

KAPITEL 92

Susan kletterte die Leiter zur Untermaschinerie hinunter. Das Gehäuse des TRANSLTR war inzwischen von dichten Dampfschwaden umwallt. Das Kondensat hatte die Laufstege feucht und schlüpfrig werden lassen. Susans Schuhe boten wenig Halt. Sie fragte sich, wie lange der TRANSLTR noch durchhalten konnte. Das Alarmhorn blökte seinen Warnruf, die Blinklichter blitzten alle zwei Sekunden auf. Drei Stockwerke tiefer heulte und vibrierte das Notstromaggregat. Irgendwo da unten in diesem nebeligen Halblicht war der Notschalter. Susan spürte, dass die Zeit allmählich knapp

wurde.

Strathmore hielt die Beretta in der Hand. Er las seinen Abschiedsbrief noch einmal durch und legte ihn in dem Raum, in dem er sich befand, auf den Boden. Er war dabei, eine feige Tat zu begehen, das stand völlig außer Frage. Aber bist du nicht ein Überlebenskünstler?. sinnierte er. Er dachte an den Virus in der NSA­Datenbank, an David Becker in Spanien, an seine Pläne für das Hintertürchen. Er hatte ja so viele Lügen in die Welt gesetzt, so viel Schuld auf sich geladen. Er wusste, dass es nur diesen einen Weg gab, sich der Verantwortung zu entziehen – und der Schande zu entgehen.

Mit großer Sorgfalt richtete er die Waffe auf ihr Ziel.

Er kniff die Augen zu und drückte ab.

Susan war erst ein paar Treppenabsätze nach unten geklettert, als sie einen gedämpften Schuss vernahm. Das Geräusch war sehr fern und ging im Lärm des Silos fast unter. Aber Susan war sicher, sich nicht verhört zu haben, auch wenn sie außer im Fernsehen noch nie

einen Schuss vernommen hatte.

Den Nachhall des Geräuschs noch in den Ohren, blieb sie abrupt stehen. Eine Woge des Schreckens überrollte sie. Sie dachte an die Träume des Commanders – an den unglaublichen Coup, den er mit dem Hintertürchen in Diabolus gelandet hätte. Sie dachte an den Virus in der Datenbank, an Strathmores gescheiterte Ehe, an das

gespenstische Nicken, mit dem er sie hatte gehen lassen. Sie befürchtete das Schlimmste. Wankend griff sie nach dem Geländer

und drehte sich um. Nein, Commander! Nein!

Susan erstarrte. In ihrem Kopf herrschte Leere. Das Echo des Schusses schien das Chaos ringsumher zu übertönen. Susans Verstand sagte ihr, dass sie weiter nach unten steigen musste, aber die Beine verweigerten ihr den Dienst. Commander! Ungeachtet der dem TRANSLTR drohenden Gefahr stolperte sie bereits wieder die Stufen

hinauf.

Blindlings rannte Susan die Gittertreppe hinauf. Von oben regnete das Kondensat herab. Beim letzten Stück des Aufstiegs die Leiter hinauf fühlte sie sich auf einmal durch eine gewaltige Dampfwolke emporgehoben, die sie wie einen Pfropf durch das Einstiegsloch in die dunkle Kuppel hinauspustete. Susan kugelte auf den Boden. Kühle frische Luft fächelte über sie hinweg. Die ehedem weiße Bluse klebte

ihr klatschnass am Körper.

Susan versuchte, sich zu orientieren. Das Schussgeräusch lief als Endlosschleife in ihrem Kopf. Aus der Einstiegsöffnung quollen heiße Dämpfe wie Gase aus dem Krater eines Vulkans kurz vor dem

Ausbruch.

Sie hätte sich ohrfeigen können, dass sie die Beretta bei Strathmore zurückgelassen hatte. Sie hatte sie doch dort gelassen, oder etwa in

Node 3 ? Ihre Augen hatten sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt. Sie schaute hinüber zu dem klaffenden Loch in der Glaswand. Im schwachen Glimmen des Monitors konnte sie Hale ausmachen, der dort, wo sie ihn verlassen hatte, bewusstlos am Boden lag. Von Strathmore war nichts zu sehen. In Erwartung des Schlimmsten wollte sie sich zum Büro des Commanders aufmachen.

Doch als sie sich umdrehen wollte, bemerkte sie etwas Merkwürdiges. Sie trat ein paar Schritte näher und spähte durch das Loch. Hales Arm war in dem schwachen Licht deutlich zu sehen. Er

ruhte nicht neben seinem Körper, sondern reckte sich hoch zu seinem Kopf. Hale war auch nicht mehr verschnürt wie eine Mumie. Er lag ausgestreckt auf dem Rücken. Hatte er sich befreien können? In