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Statue. »Susan?« Eine Träne rollte über ihre bebende Wange herab.

»Was ist?«, sagte Strathmore in flehendem Ton.

Die Blutlache unter Hales Leiche hatte sich wie auslaufendes Öl über den Teppich verbreitet. Strathmore streifte zuerst den Toten und dann Susan mit einem unbehaglichen Blick. Weiß sie womöglich Bescheid? Nein, ausgeschlossen. Strathmore hatte sämtliche

Zeugnisse seiner Tat beseitigt.

Er trat einen Schritt näher. »Susan«, sagte er, »was ist denn?«

Sie rührte sich nicht.

»Machen Sie sich Sorgen wegen David?«

Ihre Oberlippe zitterte unmerklich.

Strathmore kam noch näher. Er wollte die Arme nach ihr ausstrecken, zögerte aber. Der Klang von Davids Namen hatte offenbar den Damm ihres Leids zum Bersten gebracht. Anfangs war da nur ein leichtes Zittern, ein Beben, aber dann schien eine gewaltige Woge des Grams über sie hinwegzurollen. Kaum noch fähig, die bebenden Lippen zu kontrollieren, öffnete Susan den Mund. Sie

wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus.

Ohne den Blick von Strathmore zu lösen, nahm sie die Hand aus der Tasche seines Jacketts und hielt ihm etwas entgegen.

Strathmore hätte sich nicht gewundert, in den Lauf der Beretta zu blicken. Aber die Pistole lag immer noch von Hales Hand umklammert auf dem Boden. Der Gegenstand, den Susan ihm

entgegenhielt, war kleiner. Strathmore starrte ihn an und begriff.

Der Mann, der viele Jahre siegreich gegen Giganten angetreten war, hatte sich von einem Augenblick zum anderen durch eigene

Torheit selbst demontiert, durch die Torheit des Verliebten. In einem Anfall von Kavalierssucht hatte er Susan sein Jackett gegeben –

mit dem SkyPager in der Tasche.

Jetzt war Strathmore derjenige, der erstarrte. Susans Hand zitterte.

Das Gerät entglitt ihrer Hand. Sie rannte aus Node 3 hinaus. Der

Ausdruck ihrer Augen, in dem sich fassungsloses Erstaunen und maßlose Enttäuschung mischten, brannte sich Strathmore unvergesslich ein.

Strathmore wich zurück. Wie in Zeitlupe bückte er sich und hob seinen Pager mit der Liste der gespeicherten Botschaften auf, die

Susan gelesen hatte:

ZIELPERSON: ENSEI TANKADO – ELIMINIERT

ZIELPERSON: PIERRE CLOUCHARDE – ELIMINIERT

ZIELPERSON: HANS HUBER – ELIMINIERT

ZIELPERSON: ROCÍO EVA GRANADA – ELIMINIERT

Die Liste ging weiter. Strathmore bekam es mit der Angst zu tun. Aber du kannst es doch erklären! Sie muss es einfach verstehen. Ehre! Vaterland! Doch am Ende kam eine Botschaft, die er noch nicht gesehen hatte. Eine Botschaft, für die es niemals eine Entschuldigung

geben konnte:

ZIELPERSON: DAVID BECKER – ELIMINIERT Strathmores Kopf sackte herab. Sein Traum war ausgeträumt.

KAPITEL 104

Susan taumelte aus Node 3 hinaus.

ZIELPERSON: DAVID BECKER – ELIMINIERT

Wie in Trance bewegte sie sich zum Haupteingang der Kuppel. Greg Hales Stimme hallte in ihrem Kopf wider. Susan, Strathmore

wird mich umbringen!

Am Portal angekommen, stocherte sie verzweifelt auf dem Tastenfeld für die Tormechanik herum. Sooft sie es auch versuchte, die mächtige rotierende Stahlscheibe rührte sich nicht. Der Stromausfall hatte offenbar die Codes im Speicher gelöscht. Susan

stöhnte auf. Sie saß nach wie vor in der Falle.

Ohne jede Vorwarnung schlossen sich von hinten zwei Arme um ihren halb betäubten Körper. Wieder dieses ekelhafte Gefühl, das sie bereits kannte. Auch ohne die brutale Kraft eines Greg Hale fehlte der

Umklammerung nicht die entschlossene Härte der Verzweiflung.

Als Susan sich umdrehte, schaute sie in ein ihr unbekanntes, von Angst und Hoffnungslosigkeit verzerrtes Gesicht.

»Susan«, flehte Strathmore, »ich kann alles erklären!«

Sie wollte weglaufen, wollte schreien, aber ihre Stimme versagte. Starke Hände hielten sie fest.

»Ich liebe dich!«, flüsterte Strathmore atemlos. »Bleib bei mir! Ich habe dich schon immer geliebt.«

Entsetzliche Bilder wirbelten durch Susans Kopf – Davids

strahlend grüne Augen, die sich zum letzten Mal schlossen, Greg Hales Leiche und das auf den Teppich sickernde Blut, der verkrümmte

und verbrannte Phil Charturkian auf dem Generator ... Susan drehte

sich der Magen um.

»Der Schmerz wird sich geben«, säuselte es in ihr Ohr. »Du wirst wieder lieben können.«

Susan hörte es noch nicht einmal.

»Bleib bei mir«, flehte die Stimme, »lass mich deine Wunden heilen.«

Susan versuchte, sich zu wehren – erfolglos.

»Ich habe es für dich getan. Wir sind doch füreinander bestimmt! Susan, ich liebe dich!« Die Worte flossen Strathmore über die Lippen, als hätte er zehn lange Jahre darauf gewartet, sie loszuwerden. »Ich

liebe dich! Ich liebe dich!«

Der zwanzig Meter entfernte TRANSLTR gab ein bösartiges Fauchen von sich. Es klang wie ein höhnischer Kommentar zu Strathmores schändlichen Liebesschwüren. Ein bislang noch nie gehörtes Geräusch, ein unheilschwangeres fernes Zischen schlängelte sich aus den Eingeweiden des Silos empor. Das Kühlmittel hatte

offenbar doch nicht mehr rechtzeitig seine Wirkung getan.

Strathmore ließ Susan fahren. Mit entsetzt aufgerissenen Augen fuhr er zu seinem Zwei-Milliarden-Computer herum. »Oh nein!« Er

barg den Kopf zwischen den Händen. »Nein!«

Der sechs Etagen hohe raketenartige Maschinensilo begann zu beben. Strathmore taumelte dem rumorenden Gehäuse entgegen, bevor er nach ein paar Schritten wie ein der Verdammnis anheim

gefallener Sünder vor dem Thron des zürnenden Gottes auf die Knie fiel. Es nützte nichts. Tief im Silo hatten sich die ersten

Prozessoren entzündet.

KAPITEL 105

Ein durch drei Millionen Prozessoren emporrasender Feuerball verursacht ein einzigartiges Geräusch. Es klingt, als wären ein prasselnder Waldbrand, ein heulender Tornado und ein gischtender Geysir in einem einzigen brüllenden Gehäuse zusammengesperrt. Der Atem des Teufels schien durch eine versiegelte Höhle zu fegen und nirgends entweichen zu können. Von der fürchterlichen Geräuschkulisse überwältigt, war Strathmore in die Knie gesunken. Der teuerste Computer der Welt war im Begriff, als acht Stockwerke

hohes Inferno aufzulodern.

Strathmore drehte sich langsam zurück zu Susan, die wie gelähmt neben dem Tor der Kuppel stand. Er starrte in ihr tränenüberströmtes, vom Licht der Leuchtstoffröhren in einen magischen Schimmer getauchtes Gesicht. Sie ist ein Engel! Sein forschender Blick suchte in ihren Augen den Himmel, aber er schaute nur den Tod, den Tod von Vertrauen, Liebe und Ehre. Die Phantasie, aus der er all die Jahre die Kraft zum Weitermachen gezogen hatte, war elend gestorben. Strathmore würde Susan Fletcher nie sein Eigen nennen dürfen. Niemals. Eine überwältigende, unsagbare Leere höhlte sein Innerstes

aus.

Susan streifte den TRANSLTR mit einem vagen Blick. Sie wusste, dass in seinem Inneren, noch von keramischem Gehäuse umschlossen, ein Feuerball mit wachsender Geschwindigkeit emporraste. Die Cryptokuppel konnte sich jeden Moment in ein flammendes Inferno

verwandeln.

Der Verstand trieb Susan zur Flucht, aber Davids Tod drückte sie mit Bleigewichten nieder. Sie glaubte, Davids Stimme zu hören, glaubte zu hören, wie er ihr zurief zu fliehen, aber wohin hätte sie sich wenden sollen? Die Cryptokuppel war ein versiegelter Sarg! Doch das war nun gleichgültig. Der Tod konnte sie nicht mehr schrecken. Er war die Erlösung von ihrem Schmerz. Er würde sie mit David

vereinen.

Strathmore wankte herbei. Sein Gesicht erinnerte nur noch entfernt an den Mann, der er einmal gewesen war. Seine ehedem so kühlen grauen Augen waren leblos geworden. Der Patriot aus Susans Erinnerung war tot. Ein Mörder stand vor ihr. Unversehens hatte er sie wieder umschlungen und wollte ihre Wangen küssen. »Vergib mir«,