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Buchstaben auf seinen Ring gravieren?«

Fontaine brachte Brinkerhoff mit einem strengen Blick zum Schweigen.

»Äh, Leute?«, ließ sich Becker vernehmen, der offenbar zögerte, sich einzumischen. »Hier ist immer von einer zufälligen Folge die

Rede. Ich muss aber darauf hinweisen, dass... die Buchstabenfolge auf diesem Ring ist keineswegs zufällig.«

»Wie bitte?«, platzte es aus sämtlichen auf dem Podium Versammelten heraus.

Becker machte ein betretenes Gesicht. »Tut mir Leid, aber das sind ganz klar einzelne Wörter. Zugegeben, sie stehen sehr eng beieinander und könnten einem auf den ersten Blick zufällig vorkommen, aber bei näherem Hinsehen kann man ganz klar erkennen, dass die Inschrift...

naja, sie ist Lateinisch.«

Jabba schnappte nach Luft. »Wollen Sie mich verarschen?«

Becker schüttelte den Kopf. »Nein, überhaupt nicht. Hier steht Quis custodiet ipsos custodes, und das heißt grob übersetzt ...«

»Wer überwacht die Wächter?«, fiel ihm Susan ins Wort.

Becker war perplex. »Susan, ich wusste gar nicht, dass du ...«

»Es war Tankados Leitsatz, ein Zitat aus den Satiren des Juvenal«, rief ihm Susan zu. »Wer überwacht die Wächter? Wer überwacht die

NSA, während wir die Welt überwachen?«

»Ist es nun der Kill-Code, oder nicht?«, wollte Midge wissen.

»Es muss der Kill-Code sein«, erklärte Brinkerhoff.

»Ich weiß nicht, ob das der Code ist«, sagte Jabba. »Ich halte es für unwahrscheinlich, dass Tankado eine nicht zufällige Zeichenfolge

benutzt haben sollte.«

»Dann lassen Sie doch einfach die Zwischenräume weg und tippen den verdammten Code endlich ein!«, schrie Brinkerhoff gereizt.

Fontaine stand reglos da und ließ sich die neue Lage durch den Kopf gehen. Er wandte sich an Susan. »Miss Fletcher, was halten Sie

von der Sache?«

Susan dachte kurz nach. Sie konnte zwar nicht den Finger darauf legen, aber irgendetwas kam ihr komisch vor. Tankados Gedankenführung und seine Programmiermethoden waren stets kristallklar gewesen. Sie fand es merkwürdig, dass hier die Zwischenräume eliminiert werden sollten. Es war zwar nur eine Kleinigkeit, aber irgendwie ein Notbehelf und definitiv keine saubere Lösung. Den krönenden Abschluss von Tankados tödlichem Hieb

hätte sie sich eleganter vorgestellt.

»Für mich ist das irgendwie nicht stimmig«, sagte sie schließlich. »Ich glaube nicht, dass wir hier den Kill-Code vor uns haben.«

Fontaine saugte nachdenklich die Luft ein. Seine dunklen Augen ruhten prüfend auf Susan. »Miss Fletcher, wenn Sie das nicht für den Zugangscode halten, wie erklären Sie sich dann, dass Tankado den Ring fortgeben wollte? Wenn er gewusst hat, dass wir seine Mörder sind – meinen Sie nicht auch, dass er nur deshalb den Ring verschwinden lassen wollte, um uns eins auszuwischen?«

Eine neue Stimme mischte sich in das Gespräch. Es war Agent Collander in Sevilla. Über Beckers Schulter gelehnt, sprach er ins Mikrofon. »Äh, Herr Direktor, ich weiß nicht, ob das etwas zu bedeuten hat, aber meiner bescheidenen Meinung nach hat Tankado

nicht mitbekommen, dass ein Attentat auf ihn verübt worden ist.«

»Wie das?«, erkundigte sich Fontaine.

»Hulohot war ein Profi, Sir. Wir haben das Attentat beobachtet,

aus nur fünfzig Metern Entfernung. Alles deutet darauf hin, dass Tankado es nicht als gezielten Angriff empfunden hat.«

»Von wegen: ›Alles deutet darauf hin‹!«, meuterte Brinkerhoff. »Tankado hat seinen Ring fortgegeben. Das ist doch Beweis genug!«

Fontaine ergriff wieder das Wort. »Agent Smith, was veranlasst Sie zu dieser Einschätzung? Weshalb soll Tankado nicht gemerkt

haben, dass es ein Attentat gewesen ist?«

Smith räusperte sich. »Hulohot hat ihn mit einem NTG erledigt – mit einem nichtinvasiven Traumageschoss. Das ist im Prinzip ein Gummiklumpen, der beim Aufprall auf das Ziel zerplatzt. Sehr geräuschlos. Sehr sauber. Mr Tankado hat vermutlich nur einen stechenden Schmerz gespürt, bevor ziemlich schnell der Herztod

eingetreten ist.«

»Ein Traumageschoss«, sinnierte Becker. »Daher also die blauen Flecken auf Tankados Brust!«

»Man kann nicht davon ausgehen, dass Tankado aus dem Schmerz auf einen Attentäter geschlossen hat«, meinte Smith.

»Aber dennoch hat er den Ring weggegeben«, stellte Fontaine fest.

»Das stimmt, Sir. Aber er hat nicht nach dem Attentäter Ausschau gehalten. Wenn man angeschossen wird, hält man immer nach dem

Schützen Ausschau, Sir. Das ist ein unwillkürlicher Reflex.«

Fontaine war konsterniert. »Und Sie sagen, Tankado hat sich nicht nach Hulohot umgesehen?«

»Nein, Sir, hat er nicht. Wir haben die Szene dokumentiert. Falls

Sie es sich ansehen wollen ...«

»Die nächste Schale bricht zusammen«, rief ein Techniker. »Der Wurm hat es zur Hälfte geschafft!«

»Scheiß auf die Dokumentation!«, schrie Brinkerhoff. »Nun gebt schon den verdammten Kill-Code ein, damit wir es hinter uns

bringen!«

Jabba seufzte. Er war auf einmal ganz ruhig. »Chef, wenn wir den falschen Code eingeben ...«

»Wenn Tankado nicht mitbekommen hat, dass wir seine Mörder sind«, unterbrach Susan, »dann ergibt sich daraus eine ganze Reihe

Fragen, auf die wir eine Antwort finden müssen.«

»Wie viel Zeit haben wir noch?«, erkundigte sich Fontaine.

Jabba hob den Blick zur VR »Ungefähr zwanzig Minuten. Und ich möchte sehr darum bitten, diese Zeit sinnvoll zu nutzen.«

Fontaine blieb einen Moment lang stumm. »Also gut«, sagte er seufzend, »zeigen Sie uns die Dokumentation.«

KAPITEL 117

Die Stimme von Agent Smith knisterte im Lautsprecher.

»Noch zehn Sekunden bis zum Beginn der Videoübertragung. Wir werden ein unbearbeitetes Bild ohne Ton und so nah wie möglich am

Echtzeit-Verlauf senden.«

Auf dem Podium war jede Bewegung erstorben. Alles wartete gespannt. Jabba drückte ein paar Tasten und veränderte die Anordnung auf der Videowand. Tankados Botschaft stand nun ganz

links:

JETZT

HILFT

NUR

NOCH

DIE

WAHRHEIT

Auf der rechten Seite der Videowand war ein Standbild vom Inneren des Lieferwagens mit Becker und den beiden Agenten zu sehen, die sich um die Kamera drängten. In der Mitte der Wand erschien ein verschwommener Rahmen. Er löste sich in Bildrauschen

auf, aus dem sich eine Parkszenerie in Schwarzweiß entwickelte. »Übertragung steht«, kam die Ansage von Agent Smith.

Die Bilder flimmerten und ruckten wie in einem alten Film – eine Begleiterscheinung der geringen Bildfrequenz, wodurch die zu übertragende Informationsmenge erheblich reduziert wurde, was eine

schnellere Übermittlung möglich machte.

Die Einstellung zeigte einen riesigen Promenadenplatz, der an seinem fernen Ende an eine halbkreisförmige prächtige Fassade stieß – den Palacio de España, der Ende der Zwanzigerjahre für die Ibero-Amerikanische Weltausstellung erbaut worden war. Im Vordergrund

standen Bäume. Der Park war menschenleer.

»Dritte Schale weggefressen«, rief ein Techniker. »Unser Bösewicht hat Appetit!«

Smith begann die Bilder zu erläutern. Sein Kommentar hatte die kalte Distanz des langjährigen Agenten. »Das ist eine Einstellung aus dem Lieferwagen«, sagte er, »aus ungefähr fünfzig Metern Entfernung vom Tatort. Tankado nähert sich von rechts. Hulohot befindet sich

links hinter den Bäumen.«

»Wir haben nur wenig Zeit«, sagte Fontaine ungeduldig. »Lassen Sie uns bitte gleich zum Kern des Geschehens kommen.«

Collander fummelte an ein paar Knöpfen herum. Der Bildablauf wurde schneller.

Mit Spannung sahen alle ihren früheren Mitarbeiter und Kollegen Tankado ins Bild kommen. Der Schnelllauf der Videoaufzeichnung verlieh dem Ganzen etwas Groteskes. Tankado stiefelte ruckhaft auf die Promenade los. Er schien von seiner Umgebung sehr angetan. Er beschirmte die Augen und schaute zu der turmgeschmückten hohen