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«Voyles und sein zusammengewürfelter Haufen sind über einen Verdächtigen gestolpert, auf den bisher niemand gekommen war. Ein obskurer, ziemlich ausgefallener Verdächtiger. Eine Jurastudentin in Tulane hat das verdammte Ding geschrieben, und irgendwie ist es zu Voyles gelangt, der es gelesen hat und zu dem Schluss gekommen ist, es könnte etwas daran sein. Vergessen Sie nicht, sie suchen verzweifelt nach Verdächtigen. Die Theorie ist so weit hergeholt, dass sie völlig absurd ist, und die Sache selbst beunruhigt mich nicht. Aber Voyles beunruhigt mich. Er hat beschlossen, sich dahinterzuklemmen, und die Presse verfolgt jeden Schritt, den er tut. Es könnte etwas durchsickern.«

«Wir können seine Untersuchung nicht kontrollieren.«

«Aber wir können sie manipulieren. Gminski wartet im Weißen Haus, und…«

«Gminski!«

«Nicht nervös werden, Chef. Ich habe ihm persönlich vor drei

Stunden eine Kopie dieser Akte überreicht und ihn zu strengster Geheimhaltung verpflichtet. Er mag inkompetent sein, aber er kann ein Geheimnis wahren. Ich traue ihm wesentlich mehr als Voyles.«

«Ich traue keinem von beiden.«

Das hörte Coal gern. Er wollte, dass der Präsident niemandem traute außer ihm.»Ich finde, Sie sollten die CIA sofort mit der Untersuchung dieser Sache beauftragen. Ich würde gern alles wissen, bevor Voyles zu wühlen anfängt. Keiner von beiden wird etwas finden, aber wenn wir mehr wissen als Voyles, können Sie ihn überreden, dass er die Finger davon lässt. Das ist nicht mehr als vernünftig, Chef.«

Der Präsident war unsicher.»Es ist eine Inlandsangelegenheit, in der die CIA nicht herumschnüffeln darf. Das wäre wahrscheinlich illegal.«

«Es ist illegal, technisch gesehen. Aber Gminski wird es für Sie tun, und er kann es schnell tun, insgeheim und wesentlich gründlicher als das FBI.«

«Es ist illegal.«

«Es ist schon oft so gemacht worden, Chef. Viele Male.«

Der Präsident beobachtete den Verkehr. Seine Augen waren rot und geschwollen, aber nicht vor Müdigkeit. Er hatte im Flugzeug drei Stunden geschlafen. Aber er hatte den ganzen Tag damit verbracht, für die Kameras traurig und mitfühlend auszusehen, und es war nicht einfach, plötzlich damit aufzuhören.

Er nahm das Dossier und warf es auf den leeren Sitz neben sich.»Ist es jemand, den wir kennen?«

«Ja.«

VIERZEHN

Weil New Orleans eine Stadt der Nacht ist, wacht sie nur langsam auf. Noch eine ganze Weile nach Tagesanbruch herrscht Stille, dann schüttelt sie die Spinnweben ab und gleitet in den Morgen. Es gibt kein frühes Verkehrsgewimmel außer auf den Zufahrtsstraßen aus den Vororten und in der geschäftigen Innenstadt. So ist es in allen großen Städten; aber im French Quarter, der Seele von New Orleans, hängt der Duft von Whisky und Jambalaya über den leeren Straßen, bis die Sonne aufgegangen ist. Ein oder zwei Stunden später tritt an seine Stelle das Aroma von French-Market-Kaffee und Schmalzgebäck, und um diese Zeit erwachen auch die Gehsteige zögernd zum Leben.

Darby machte es sich in einem Sessel auf dem kleinen Balkon bequem, trank Kaffee und wartete auf die Sonne. Callahan lag ein paar Meter entfernt, jenseits der offenen Terrassentür, noch in Laken eingehüllt und tot für die Welt. Eine leichte Brise wehte, aber noch vor Mittag würde die Schwüle zurückkehren. Sie zog seinen Bademantel am Hals zusammen und atmete den Duft seines Rasierwassers ein. Sie dachte an ihren Vater und seine weiten baumwollenen Oberhemden, die sie tragen durfte, als sie ein Teenager war. Sie hatte die Ärmel immer bis zum Ellenbogen aufgekrempelt und den Saum bis auf die Knie herabhängen lassen, und dann war sie mit ihren Freundinnen herumgeschlendert, sicher in dem Bewusstsein, dass ihr niemand das Wasser reichen konnte. Ihr Vater war ihr Freund. Um die Zeit, als sie mit der High School fertig war, stand ihr der Inhalt seines Kleiderschranks zur freien Verfügung, solange alles gewaschen und gebügelt und ordentlich wieder aufgehängt wurde. Sie konnte noch immer das Grey Flannel riechen, das er täglich benutzt hatte.

Wenn er noch lebte, wäre er vier Jahre älter als Thomas Callahan. Ihre Mutter hatte wieder geheiratet und war nach Boise gezogen. Darby hatte einen Bruder in Deutschland. Die drei hatten nur selten miteinander geredet. Ihr Vater war das Bindeglied in einer widerborstigen Familie gewesen, und sein Tod hatte sie auseinandergerissen.

Zwanzig weitere Menschen waren bei dem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, und noch bevor die Vorbereitungen für die Beisetzung getroffen waren, standen die Anwälte vor der Tür. Es war ihre erste echte Begegnung mit der Welt der Juristen, und sie war nicht erfreulich. Der Familienanwalt war ein Immobilienmann, der nicht wusste, wie man einen Prozess führt. Ein gerissener Schadenersatzanwalt machte sich an ihren Bruder heran und überredete die Familie, schnell zu klagen. Er hieß Herschel, und zwei Jahre lang litt die Familie, während Herschel sie hinhielt und log und den Fall in die Binsen gehen ließ. Eine Woche vor dem Prozess einigten sie sich auf eine halbe Million, nach Abzug des Schnitts, den Herschel gemacht hatte, und Darby bekam hunderttausend.

Sie beschloss, Anwältin zu werden. Wenn ein Clown wie Herschel es schaffen und Geld scheffeln konnte, indem er die Gesellschaft kaputtmachte, dann konnte sie es auch, zu edleren Zwecken. Sie musste oft an Herschel denken. Wenn sie ihr Anwaltsexamen bestanden hatte, würde sie ihre erste Anklage gegen ihn vorbringen, wegen strafbaren Verhaltens im Amt. Sie wollte für eine Umweltkanzlei arbeiten. Einen Job zu finden, das wusste sie, war kein Problem.

Die Hunderttausend waren unangebrochen. Der neue Ehemann ihrer Mutter war Manager in einer Papierfabrik, etwas älter und wesentlich reicher, und kurz nach ihrer Heirat teilte sie ihren Anteil an der Abfindung zwischen Darby und ihrem Bruder auf. Sie sagte, das Geld erinnere sie an ihren toten Mann, und die Geste wäre symbolisch. Obwohl sie Darbys Vater immer noch liebte, hätte sie doch ein neues Leben in einer neuen Stadt mit einem neuen Mann, der sich in fünf Jahren mit einem Haufen Geld ins Privatleben zurückziehen würde. Darby begriff nicht recht, was es mit der symbolischen Geste auf sich hatte, aber sie wusste sie zu würdigen und nahm das Geld.

Die Hunderttausend hatten sich verdoppelt. Sie legte den größten Teil davon in Investmentfonds an, aber nur solchen ohne Anteile von chemischen und Erdölfirmen. Sie fuhr einen Accord und lebte bescheiden. Ihre Garderobe war die übliche Kluft der Jurastudenten, die sie in Discountläden kaufte. Sie und Callahan aßen in den besseren Restaurants der Stadt, aber nie zweimal im selben Lokal. Und immer auf getrennte Rechnung.

Geld war ihm ziemlich gleichgültig, und er drang nie in sie, um Genaueres zu erfahren. Sie hatte mehr als die meisten ihrer Kommilitonen, aber in Tulane gab es auch etliche reiche Studenten.

Sie gingen einen Monat lang zusammen aus, bevor sie miteinander schliefen. Sie legte die Grundregeln fest, und er erklärte sich sofort damit einverstanden. Es würde keine anderen Frauen geben. Sie würden sehr diskret sein. Und er musste aufhören, so viel zu trinken.

An die ersten beiden hielt er sich, aber das Trinken ging weiter. Sein Vater, sein Großvater und seine Brüder waren starke Trinker, und es wurde gewissermaßen von ihm erwartet. Aber zum ersten Mal in seinem Leben war Thomas Callahan verliebt, bis über beide Ohren verliebt, und er kannte den Punkt, an dem der Scotch und seine Geliebte sich ins Gehege kamen. Er war vorsichtig. Mit Ausnahme der vergangenen Woche, unter dem Trauma des Todes von Rosenberg, trank er nie vor fünf Uhr nachmittags. Wenn sie zusammen waren, verzichtete er auf den Chivas, sobald er nicht mehr ganz nüchtern war, und fürchtete, dass er seine Potenz beeinträchtigen könnte.

Es war amüsant zu beobachten, wie ein Mann von fünfundvierzig sich zum ersten Mal verliebte. Er bemühte sich um einen gewissen Grad von Gelassenheit, aber in ihren privaten kleinen Momenten konnte er albern sein wie ein Schuljunge.