Sie küsste ihn auf die Wange und zog seine Steppdecke über ihn. Ihre Kleider lagen ordentlich auf einem Stuhl. Sie machte die Haustür leise hinter sich zu. Die Sonne war inzwischen aufgegangen, lugte zwischen den Gebäuden auf der anderen Seite der Dauphine hervor. Der Gehsteig war menschenleer.
Sie hatte in drei Stunden eine Vorlesung, dann Callahan und Verfassungsrecht um elf. In einer Woche war ein Schriftsatz in einem fingierten Berufungsverfahren fällig. Ihre Fallnotizen aus den juristischen Zeitschriften setzten Staub an. Mit ihren Seminararbeiten war sie zwei Wochen im Rückstand. Es war an der Zeit, wieder Studentin zu werden. Sie hatte vier Tage damit vergeudet, Detektiv zu spielen, und war deshalb sauer auf sich selbst.
Der Accord stand um die Ecke, einen halben Block entfernt.
Sie beobachteten sie, und es war ein erfreulicher Anblick. Enge Jeans, weiter Pullover, lange Beine, eine Sonnenbrille, die makeuplose Augen verdeckte. Sie beobachteten, wie sie die Tür schloss, schnell die Royal entlangging und dann um die Ecke bog. Das Haar war schulterlang und schien dunkelrot zu sein. Sie war es.
Er hatte seinen Lunch in einer kleinen braunen Papiertüte bei sich und fand eine leere Parkbank mit dem Rücken zu New Hampshire. Er hasste Dupont Circle mit seinen Stromern, Junkies, Perversen, alternden Hippies und Punkern in schwarzem Leder mit stachligem rotem Haar und bösartiger Zunge. Auf der anderen Seite des Springbrunnens versammelte ein gutgekleideter Mann mit einem Lautsprecher seine Gruppe von Tierschützern für einen Marsch zum Weißen Haus. Die Lederleute verhöhnten und beschimpften sie, aber vier berittene Polizisten waren nahe genug, um Handgreiflichkeiten zu verhindern
Er sah auf die Uhr und schälte eine Banane. Mittag, und er wäre lieber woanders gewesen. Das Treffen würde kurz sein. Er beobachtete das Verhöhnen und Beschimpfen und sah, wie sein Kontaktmann aus der Menge auftauchte. Ihre Augen begegneten sich, ein Nicken, und dann saß er neben ihm auf der Bank. Sein Name war Booker, von der CIA in Langley. Sie trafen sich hier gelegentlich, wenn die üblichen Kommunikationswege gestört waren und ihre Chefs schnelle mündliche Informationen brauchten, ohne dass irgend jemand sonst mithören konnte.
Booker hatte keinen Lunch. Er begann, geröstete Erdnüsse zu schälen und die Schalen unter die kreisrunde Bank zu werfen.
«Was macht Mr. Voyles?«
«Die Niedertracht in Person. Wie üblich.«
Er warf sich Erdnüsse in den Mund.»Gminski war gestern abend bis Mitternacht im Weißen Haus«, sagte Booker.
Darauf war keine Antwort erforderlich. Voyles wusste es.
Booker fuhr fort.»Sie sind in Panik geraten. Dieses kleine Pelikan-Ding hat ihnen einen gewaltigen Schrecken eingejagt. Wie Sie wissen, haben wir es auch gelesen, und wir sind ziemlich sicher, dass ihr nicht viel davon haltet, aber aus irgendeinem Grund hat Coal Angst davor. Er hat den Präsidenten nervös gemacht. Wir glauben, dass ihr euch nur einen kleinen Spaß mit Coal und seinem Boss machen wollt, und weil der Präsident in dem Dossier erwähnt wird und es dieses Foto enthält, glauben wir, dass ihr euren Spaß daran habt. Sie wissen, was ich meine?«
Er biss ein Stück von der Banane ab und sagte nichts.
Die Tierschützer zogen in lockerer Formation ab, und die
Lederleute zischten sie aus.
«Aber das ist nicht unser Problem, und es sollte auch nicht euer Problem sein. Die Sache ist nur die, dass der Präsident jetzt wünscht, dass wir insgeheim der Pelikan-Akte nachgehen, bevor ihr es tun könnt. Er ist überzeugt, dass wir nichts finden werden, und er will hören, dass nichts dahintersteckt, damit er Voyles überreden kann, die Finger davonzulassen.«
«Es steckt nichts dahinter.«
Booker beobachtete, wie ein Betrunkener in das Brunnenbecken pisste. Die Polizisten ritten der Sonne entgegen.»Dann will Voyles also nur seinen Spaß haben?«
«Wir gehen allen Hinweisen nach.«
«Aber ihr habt keine echten Verdächtigen?«
«Nein. «Die Banane gehörte der Geschichte an.»Weshalb haben sie solche Angst davor, dass wir diesem kleinen Ding nachgehen?«
Booker zermalmte eine Erdnuss, die noch in ihrer Schale steckte.»Nun, für sie ist das ganz simpel. Sie sind stocksauer, weil bekannt geworden ist, dass Pryce und MacLawrence auf der Kandidatenliste stehen, und natürlich ist das einzig und allein eure Schuld. Sie misstrauen Voyles zutiefst. Und sie fürchten, wenn ihr anfangt, dem Pelikan-Dossier auf den Grund zu gehen, könnte die Presse davon erfahren und der Präsident die Hucke voll bekommen. Nächstes Jahr ist seine Wiederwahl fällig, und so weiter.«
«Was hat Gminski dem Präsidenten gesagt?«
«Dass er keine Lust hat, sich in eine FBI-Untersuchung einzumischen, dass wir Besseres zu tun haben und dass es absolut illegal ist. Aber weil der Präsident so inständig darum bat und Coal so viele Drohungen von sich gab, werden wir es trotzdem tun. Und jetzt bin ich hier und erzähle es Ihnen.«
«Voyles wird das zu würdigen wissen.«
«Wir fangen gleich heute an, aber die ganze Sache ist völlig absurd. Wir tun so als ob, kommen euch nicht in die Quere, und in ungefähr einer Woche berichten wir dem Präsidenten, dass die ganze Theorie nichts ist als ein Schuss ins Blaue.«
Er knickte das obere Ende seiner braunen Tüte um und stand auf.»Gut. Ich werde Voyles Bericht erstatten. Danke. «Er ging in Richtung Connecticut, fort von den Lederpunkern, und verschwand.
Der Monitor stand auf einem mit Papieren übersäten Tisch in der Mitte der Redaktion, und Gray Grantham saß davor, umrauscht vom Summen und Tosen unzähliger Kurzbesprechungen und eiliger Berichte. Es wollte ihm einfach nichts einfallen, und er saß da und starrte auf den Bildschirm. Das Telefon läutete. Er drückte einen Knopf und griff nach dem Hörer, ohne den Blick vom Monitor abzuwenden.»Gray Grantham.«
«Hier ist Garcia.«
Er vergaß den Monitor.»Ja, was gibt es?«
«Ich habe zwei Fragen. Erstens, nehmen Sie diese Anrufe auf, und zweitens, können Sie sie lokalisieren?«
«Nein und ja. Wir nehmen nichts auf, bevor wir um Erlaubnis gebeten haben, und wir können einen Anruf lokalisieren, aber wir tun es nicht. Hatten Sie nicht gesagt, Sie würden mich nicht in der Redaktion anrufen?«
«Wollen Sie, dass ich auflege?«
«Nein, das ist schon in Ordnung. Ich rede lieber um drei Uhr nachmittags in der Redaktion mit Ihnen als um sechs Uhr morgens im Bett.«
«Entschuldigung. Ich habe einfach Angst, das ist alles. Ich werde mit Ihnen reden, solange ich Ihnen vertrauen kann. Aber wenn Sie mich jemals anlügen, Mr. Grantham, dann erfahren
Sie kein Wort.«
«Abgemacht. Wann fangen Sie an?«
«Ich kann jetzt nicht reden. Ich bin in einer Telefonzelle, und ich habe es eilig.«
«Sie sagten, Sie hätten eine Kopie von irgend etwas.«
«Nein, ich sagte, es könnte sein, dass ich eine Kopie von irgendetwas habe. Wir werden sehen.«
«Okay. Wann kann ich mit Ihrem nächsten Anruf rechnen?«
«Müssen wir eine Zeit vereinbaren?«
«Nein. Aber ich bin viel unterwegs.«
«Ich rufe morgen in der Mittagspause an.«
«Dann warte ich hier auf Ihren Anruf.«
Garcia hatte aufgelegt. Grantham drückte sieben Tasten nieder, dann sechs, dann vier. Er notierte die Nummer, dann blätterte er im Branchenbuch, bis er Pay Phones Inc. gefunden hatte. Die Nummer gehörte zu einer Zelle an der Pennsylvania Avenue in der Nähe des Justizministeriums.
FÜNFZEHN
Der Streit begann beim Dessert, einem Teil der Mahlzeit, den Callahan am liebsten in flüssiger Form zu sich nahm. Sie war bemüht, den Ton des Vorwurfs zu vermeiden, als sie die Drinks aufzählte, die er bereits konsumiert hatte: zwei doppelte Scotch, während sie auf ihren Tisch warteten, einen weiteren, bevor sie bestellten, und zum Fisch zwei Flaschen Wein, von denen sie zwei Gläser getrunken hatte. Er trank zu schnell, man merkte es ihm an, und als sie ihre Liste heruntergerattert hatte, war er verärgert. Er bestellte Drambuie als Dessert, weil er ihn mochte und weil es plötzlich eine Sache des Prinzips war. Er kippte ihn hinunter und bestellte noch einen, und sie war wütend.