«Verdammt, Fletcher. Gegen einen Haufen Reporter kommen wir nicht an. Diese Kerle machen hundert Anrufe pro Minute.«
«Es sind nur zwei. Grantham und Rifkin. Grantham haben Sie bereits angezapft. Tun Sie dasselbe mit Rifkin.«
«Grantham ist angezapft, aber er benutzt weder das Telefon in seiner Wohnung noch das in seinem Wagen. Ich habe vom Flugplatz in New Orleans aus Bailey angerufen. Grantham ist seit vierundzwanzig Stunden nicht zu Hause gewesen, aber sein Wagen steht noch da. Sie haben angerufen und an seine Tür geklopft. Entweder liegt er tot in seiner Wohnung, oder er hat sich im Dunkeln hinausgeschlichen.«
«Vielleicht ist er tot.«
«Das glaube ich nicht. Wir sind ihm gefolgt, und die Fibbies auch. Ich nehme an, er hat Wind davon bekommen.«
«Sie müssen ihn finden.«
«Er wird schon wieder auftauchen. Er kann sich nicht weit von der Redaktion im fünften Stock entfernen.«
«Ich möchte, dass Rifkin auch angezapft wird. Rufen Sie
Bailey noch heute abend an und veranlassen Sie es, okay?«
«Ja, Sir«, sagte Barr.
«Was, meinen Sie, würde Mattiece tun, wenn er glaubte, Grantham hätte die Story und wäre im Begriff, sie auf der Titelseite der Washington Post auszubreiten?«fragte Coal.
Barr streckte sich auf dem Hotelbett aus und schloss die
Augen. Monate zuvor hatte er den Entschluss gefasst, sich nie
mit Fletcher Coal anzulegen.
«Er scheut nicht davor zurück, Leute umzubringen, stimmt’s?«sagte Barr.
«Glauben Sie, dass Sie Mattiece morgen sehen werden?«
«Ich weiß es nicht. Diese Leute sind sehr verschwiegen. Sie flüstern hinter verschlossenen Türen. Sie haben mir kaum etwas gesagt.«
«Weshalb wollten sie Sie in Fort Lauderdale haben?«
«Auch das weiß ich nicht, aber es liegt wesentlich näher bei den Bahamas. Ich nehme an, ich fahre morgen dorthin. Vielleicht kommt er auch hierher. Ich weiß es einfach nicht.«
«Vielleicht sollten Sie den Grantham-Aspekt übertreiben. Mattiece wird der Story den Garaus machen.«
«Ich werde darüber nachdenken.«
«Rufen Sie mich morgen früh wieder an.«
Sie trat auf den Zettel, als sie ihre Tür öffnete. Darauf stand:
Darby, ich bin auf der Terrasse. Es ist wichtig. Gray. Sie holte tief Luft und steckte den Zettel in die Tasche. Sie verschloss die Tür und ging die langen, gewundenen Flure entlang bis zum Foyer, dann durch den dunklen Salon, an der Bar vorbei, durch das Restaurant und auf die Terrasse. Er saß an einem kleinen Tisch, teilweise von einer Ziegelsteinmauer verdeckt.
«Wieso sind Sie hier?«flüsterte sie, nachdem sie sich dicht neben ihn gesetzt hatte. Er wirkte müde und besorgt.
«Wo waren Sie?«fragte er.
«Das ist unwichtig. Wichtig ist, weshalb Sie hier sind. Sie sollten nicht herkommen, es sei denn, ich hätte sie darum gebeten. Was ist los?«
Er gab ihr eine rasche Zusammenfassung seines Vormittags, von dem Anruf bei Smith Keen bis zu dem Zimmermädchen im Hotel. Den Rest des Tages hatte er damit verbracht, in der Stadt herumzufahren, in einer ganzen Reihe von Taxis, was ihn fast achtzig Dollar gekostet hatte, und er hatte gewartet, bis es dunkel geworden war, bevor er sich ins Tabard Inn geschlichen hatte. Er war sicher, dass ihm niemand gefolgt war.
Sie hörte zu. Sie beobachtete das Restaurant und den Zugang zur Terrasse und ließ sich kein Wort entgehen.
«Ich habe keine Ahnung, wie jemand mein Zimmer finden konnte«, sagte er.
«Haben Sie irgend jemandem Ihre Zimmernummer verraten?«
Er dachte einen Moment nach.»Nur Smith Keen. Aber er würde sie niemandem weitersagen.«
Sie sah ihn nicht an.»Wo waren Sie, als Sie ihm Ihre Zimmernummer nannten?«
«In seinem Wagen.«
Sie schüttelte langsam den Kopf.»Ich habe Ihnen ausdrücklich gesagt, Sie sollten sie niemandem verraten. Habe ich das nicht?«
Er konnte nicht antworten.
«Für Sie ist das alles nur ein toller Spaß, stimmt’s, Gray? Nur ein weiterer Tag am Strand. Sie sind ein großer Starreporter, der schon früher Morddrohungen bekommen hat, aber Sie sind furchtlos. Die Kugeln werden abprallen, nicht wahr? Sie und ich können ein paar Tage damit verbringen, in der Stadt unsere Possen zu treiben und Detektiv zu spielen, damit Sie einen Pulitzerpreis bekommen und reich und berühmt werden, und die bösen Buben sind im Grunde gar nicht so böse, weil Sie Gray Grantham von der Washington Post sind und deshalb mit Ihnen nicht gut Kirschen essen ist.«
«Also wissen Sie, Darby…«
«Ich habe versucht, Ihnen klarzumachen, wie gefährlich diese Leute sind. Ich habe gesehen, wozu sie imstande sind. Ich weiß, was sie mit mir machen werden, wenn sie mich finden. Aber für Sie, Gray, ist das alles nur ein Spiel. Räuber und Gendarm. Verstecken.«
«Ich bin überzeugt. Okay?«
«Das sollten Sie auch sein, großer Meister. Wenn Sie noch einmal Mist bauen, sind wir beide tot. Mir geht allmählich das Glück aus. Haben Sie verstanden?«
«Ja! Ich habe verstanden, ich schwöre es.«
«Nehmen Sie sich hier ein Zimmer. Morgen abend, wenn wir dann noch leben, besorge ich Ihnen ein anderes kleines Hotel.«
«Was ist, wenn hier nichts frei ist?«
«Dann können Sie in meinem Badezimmer schlafen, bei verschlossener Tür.«
Es war ihr todernst. Er kam sich vor wie ein ABC-Schütze, der gerade seine erste Tracht Prügel bekommen hatte. Sie schwiegen ungefähr fünf Minuten.
«Also wie konnten sie mich finden?«fragte er schließlich.
«Ich nehme an, das Telefon in Ihrer Wohnung ist angezapft, und das in Ihrem Wagen. Und ich nehme an, dass Smith Keens Wagen gleichfalls angezapft ist. Diese Leute sind keine Anfänger.«
SECHSUNDDREISSIG
Er verbrachte die Nacht in Zimmer 13, schlief aber kaum. Das Restaurant wurde um sechs geöffnet, und er schlich zum Kaffee hinunter, danach schlich er zurück in sein Zimmer. Das Hotel war alt und verwinkelt und durch die Verbindung von drei Häusern entstanden. Überall gab es kleine Türen und schmale Flure, die in alle Richtungen verliefen. Die Atmosphäre war zeitlos.
Es würde ein langer, anstrengender Tag werden, aber er würde ihn mit ihr verbringen, und darauf freute er sich. Er hatte einen Fehler gemacht, einen schlimmen Fehler, aber sie hatte ihm verziehen. Genau halb neun klopfte er an die Tür von Zimmer 1. Sie öffnete sie schnell und schloss sie dann hinter ihm wieder ab.
«Haben Sie gut geschlafen?«fragte sie, aber nur aus Höflichkeit.
«Nein. «Er warf ein Exemplar der Times aufs Bett. Er hatte es bereits überflogen, und es stand wieder nichts darin.
Darby griff zum Telefon und wählte die Nummer der Juristischen Fakultät von Georgetown. Sie sah ihn an und lauschte in den Hörer, dann sagte sie:»Vermittlungsbüro bitte. «Es folgte eine lange Pause.»Ja, hier spricht Sandra Jernigan. Ich bin Partnerin bei White and Blazevich hier in der Stadt, und wir haben Probleme mit unseren Computern. Wir versuchen, einige Lohnlisten zu rekonstruieren, und die Buchhaltung hat mich gebeten, Sie nach den Namen der Studenten zu fragen, die im letzten Sommer als Praktikanten bei uns gearbeitet haben. Soweit ich weiß, waren es vier. «Sie hörte einen Moment zu.»Jernigan. Sandra Jernigan«, wiederholte sie.»Ah ja. Wie lange wird das dauern?«Eine Pause.»Und Ihr Name ist Joan? Vielen
Dank, Joan. «Darby deckte die Sprechmuschel ab und holte tief Luft. Gray beobachtete sie genau, aber mit einem bewundernden Lächeln.
«Ja, Joan. Also sieben waren es. Unsere Unterlagen sind ein einziges Chaos. Haben Sie ihre Adressen und Sozialversicherungsnummern? Wir brauchen sie für die Steuer. Natürlich. Wie lange wird das dauern? Gut. Einer unserer Büroangestellten ist gerade in Ihrer Gegend. Sein Name ist Snowden, und er wird in einer Viertelstunde bei Ihnen sein. Vielen Dank, Joan. «Darby legte den Hörer auf und schloss die Augen.