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Nach einer Stunde des Lesens und Schreiens war Frederic müde, und der Richter dämmerte langsam ein. Er hob die Hand leicht an, dann schloss er die Augen. Mit einem Knopf am Bett dämpfte er das Licht. Danach war es fast dunkel im Zimmer. Frederic legte den Schriftsatz auf den Boden und machte die Augen zu. Rosenberg schnarchte.

Er würde nicht lange schnarchen.

Kurz nach zehn, als das Haus dunkel und still war, wurde die Tür des Wandschranks in einem der oberen Schlafzimmer leise geöffnet, und Khamel schob sich heraus. Seine Armbandagen, die Nylonmütze und die Laufshorts waren königsblau. Das langärmelige Hemd, die Socken und die Reeboks waren weiß mit königsblauen Applikationen. Perfekte Farbabstimmung. Khamel der Jogger. Er war glattrasiert, und sein sehr kurzes Haar unter der Mütze war jetzt blond, fast weiß.

Das Schlafzimmer war dunkel, ebenso der Flur. Die Stufen knarrten leise unter seinen Reeboks. Er war einsfünfundsiebzig groß und wog weniger als siebzig Kilo, ohne eine Spur von Fett. Er sorgte dafür, dass er straff und leicht blieb, damit er sich schnell und lautlos bewegen konnte. Die Treppe endete nicht weit von der Haustür entfernt in einer Diele. Er wusste, dass zwei Agenten in einem Wagen am Bordstein saßen, die vermutlich das Haus nicht beobachteten. Er wusste, dass Ferguson sieben Minuten zuvor eingetroffen war. Er konnte das Schnarchen aus dem Hinterzimmer hören. Als er in dem Schrank wartete, hatte er daran gedacht, früher zuzuschlagen, bevor Ferguson kam, damit er ihn nicht umzubringen brauchte. Das Umbringen war kein Problem, aber es hinterließ eine weitere Leiche, um die man sich kümmern musste. Aber er vermutete, zu Unrecht, dass Ferguson womöglich bei dem Pfleger hereinschauen würde, wenn er seinen Dienst antrat. Wenn das der Fall war, dann würde Ferguson die Leichen finden, und er, Khamel, würde ein paar Stunden verlieren. Also hatte er bis jetzt gewartet.

Er glitt lautlos durch die Diele. In der Küche beleuchtete ein kleines Licht an der Dunstabzugshaube die Arbeitsfläche und machte die Dinge etwas gefährlicher. Khamel verfluchte sich selbst, weil er nicht nachgesehen und die Birne herausgedreht hatte. Solche kleinen Fehler waren unentschuldbar. Er duckte sich unter einem Fenster und warf einen Blick auf den Hinterhof. Er konnte Ferguson nicht sehen, aber er wusste, dass er einsfünfundachtzig groß und einundsechzig Jahre alt war, an grauem Star litt und mit seiner.375er Magnum nicht einmal ein Scheunentor traf.

Beide schnarchten. Khamel lächelte, als er auf der Schwelle niederkauerte und rasch die.22er Automatik und den Schalldämpfer aus der Ace-Bandage zog, die er um die Taille trug. Er schraubte die zehn Zentimeter lange Röhre auf den Lauf und betrat geduckt das Zimmer. Der Pfleger lag tief in seinem Lehnstuhl, mit herabhängenden Händen und offenem Mund. Khamel setzte das Ende des Schalldämpfers an seine rechte Schläfe und drückte dreimal ab. Die Hände bebten und die Füße zuckten, aber die Augen blieben geschlossen. Dann wendete sich Khamel rasch dem bleichen und verrunzelten Kopf von Richter Abraham Rosenberg zu und pumpte gleichfalls drei Kugeln hinein.

Das Zimmer war fensterlos. Er beobachtete die beiden Opfer und wartete eine volle Minute. Die Füße des Pflegers zuckten ein paar Mal, dann hörte das Zucken auf. Die Leichen regten sich nicht mehr.

Er wollte Ferguson im Haus töten. Es war elf Minuten nach zehn, genau die richtige Zeit für irgendeinen Nachbarn, vor dem Schlafengehen den Hund noch einmal auszuführen. Er schlich durch die Dunkelheit zur Hintertür und entdeckte den Polizisten, der ungefähr sechs Meter entfernt friedlich an dem hölzernen Gartenzaun entlang wanderte. Instinktiv öffnete Khamel die Hintertür, schaltete das Verandalicht ein und sagte laut» Ferguson«.

Er ließ die Tür offen und versteckte sich in einer dunklen Ecke neben dem Kühlschrank. Ferguson tappte bereitwillig über die kleine Veranda in die Küche. Das war nicht ungewöhnlich.

Frederic rief ihn oft herein, nachdem Seine Ehren eingeschlafen war. Dann tranken sie Pulverkaffee und spielten Romme.

Diesmal gab es keinen Kaffee, und Frederic wartete nicht auf ihn. Khamel feuerte drei Kugeln in seinen Hinterkopf, und er stürzte auf den Küchentisch.

Khamel schaltete das Verandalicht aus und schraubte den Schalldämpfer ab. Er wurde nicht mehr gebraucht. Schalldämpfer und Pistole verschwanden wieder in der Ace-Bandage. Khamel warf einen Blick durch das Vorderfenster. Die Innenbeleuchtung des schwarzen Dodge war eingeschaltet, und die Agenten lasen. Er stieg über Ferguson hinweg, machte die Hintertür hinter sich zu und verschwand in der Dunkelheit des kleinen Gartens hinter dem Haus. Er sprang lautlos über zwei Zäune und gelangte auf die Straße. Er begann zu laufen. Khamel der Jogger.

Auf dem dunklen Balkon des Montrose Theatre saß Glenn Jensen für sich allein und schaute den nackten und ziemlich aktiven Männern auf der Leinwand zu. Er aß Popcorn aus einer großen Schachtel und nahm nichts zur Kenntnis außer den Körpern. Er war unauffällig genug gekleidet: blaue Strickjacke, Baumwollhose, Mokassins. Eine große Sonnenbrille machte seine Augen unsichtbar, und ein breitkrempiger Hut bedeckte seinen Kopf. Er war gesegnet mit einem Gesicht, das man leicht wieder vergaß und, wenn es noch dazu getarnt gewesen war, nie wieder erkannte. Schon gar nicht um Mitternacht auf dem Balkon eines nahezu leeren Pornokinos für Schwule. Keine Ohrringe, Tücher, Goldketten oder anderer Schmuck, nichts, woraus man hätte schließen können, dass er abgeschleppt werden wollte.

Es war zu einer Art Sport geworden, dieses Katz-und-Maus-Spiel mit dem FBI und dem Rest der Welt. Auch an diesem Abend hatten sich die Agenten pflichtgemäß auf dem Parkplatz vor dem Haus postiert. Zwei weitere parkten neben dem Ausgang in der Nähe der Hinterveranda, und er ließ sie alle viereinhalb Stunden dort sitzen, bevor er sich verkleidete, in aller Gemütsruhe in die Tiefgarage hinunterfuhr und im Wagen eines Freundes davonrauschte. Das Gebäude hatte so viele Ausgänge, dass es den bedauernswerten Fibbies unmöglich war, ihn zu überwachen. Bis zu einem gewissen Grade taten sie ihm leid, aber es war sein eigenes Leben, das er leben wollte. Und wenn die Fibbies ihn nicht finden konnten, wie sollte es dann einem Killer gelingen?

Der Balkon war in drei kleine Abschnitte mit jeweils sechs Reihen unterteilt. Er war sehr dunkel; der dicke blaue Strahl von dem Projektor hinter ihm war die einzige Beleuchtung. An den Außengängen waren zerbrochene Sitze und zusammengeklappte Tische gestapelt. Die Samtvorhänge an den Wänden waren zerschlissen und heruntergesackt. Es war ein wundervoller Ort, um sich zu verstecken.

Früher hatte er befürchtet, entdeckt zu werden. In den Monaten nach seiner Ernennung hatte er eine Heidenangst gehabt. Er konnte sein Popcorn nicht essen und schon gar nicht die Filme genießen. Er sagte sich, wenn er erwischt oder erkannt oder auf irgendeine unerfreuliche Art bloßgestellt werden sollte, dann würde er einfach behaupten, dass er für irgendeinen anhängigen Obszönitätenfall recherchierte. Ein derartiger Fall stand immer auf der Tagesordnung, und vielleicht würde man ihm das abkaufen. Diese Ausrede konnte durchaus ihren Zweck erfüllen, sagte er sich immer wieder und wurde kühner. Aber eines Nachts im Jahre 1990 geriet ein Kino in Brand, und vier Menschen starben. Ihre Namen standen in der Zeitung. Große Story. Richter Glenn Jensen war zufällig auf der Toilette, als er die Schreie hörte und den Rauch roch. Er huschte auf die Straße hinaus und verschwand. Die Toten wurden auf dem Balkon, gefunden. Einen von ihnen hatte er gekannt. Zwei Monate verzichtete er auf die Kinobesuche, dann fing er wieder damit an. Er brauchte weitere Recherchen, redete er sich ein.