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«Sie haben nicht damit gerechnet, etwas Ungewöhnliches zu finden, nicht wahr?«

«Nein. Und dann, ganz früh am Samstagmorgen, es war noch dunkel, habe ich die Papiere in seinem Schreibtisch im Schlafzimmer durchgesehen. Wir haben so ein antikes Schreibpult, das er für seine privaten Briefe und Papiere benutzte, und dort habe ich etwas gefunden, was ein bisschen ungewöhnlich ist.«

Gray war auf den Beinen, umklammerte den Hörer und starrte fassungslos auf den Boden. Sie hatte um vier Uhr morgens angerufen. Sie hatte zwanzig Minuten belangloses Zeug geredet. Und sie hatte gewartet, bis er nahe daran war, den Hörer aufzulegen, bevor sie die Bombe hochgehen ließ.

«Was ist es?«fragte er so gelassen wie möglich.

«Es ist ein Schlüssel.«

Er hatte einen Klumpen in der Kehle.»Ein Schlüssel wozu?«

«Zu einem anderen Schließfach.«

«Bei welcher Bank?«

«First Columbia. Bei der hatten wir nie ein Konto.«

«Ich verstehe. Und von diesem anderen Schließfach haben Sie nichts gewusst?«

«Nein. Nicht vor Samstagmorgen. Ich habe mich gewundert, tue es immer noch, aber in dem alten Schließfach habe ich alle unsere Papiere gefunden, also hatte ich keine Veranlassung, in diesem Fach nachzusehen. Ich dachte, ich sehe einmal hinein, wenn mir danach zumute ist.«

«Wäre es Ihnen recht, wenn ich das für Sie tun würde?«

«Ich dachte mir, dass Sie das sagen würden. Was ist, wenn Sie dort finden, wonach Sie suchen?«

«Ich weiß nicht, wonach ich suche. Aber falls ich etwas

finden sollte, das er hinterlassen hat, und es ist etwas, das sich als sehr, sagen wir, berichtenswert erweist?«

«Benutzen Sie es.«

«Keine Bedingungen?«

«Nur eine. Wenn es meinen Mann auf irgendeine Weise verunglimpft, dann dürfen Sie es nicht benutzen.«

«Einverstanden. Sie haben mein Wort darauf.«

«Wann wollen Sie den Schlüssel?«

«Haben Sie ihn in der Hand?«

«Ja.«

«Wenn Sie damit auf die Vorderveranda hinausgehen, bin ich in drei Sekunden bei Ihnen.«

Der Privatjet aus Miami hatte nur fünf Männer gebracht, also standen Edwin Sneller nur sieben zur Verfügung. Sieben Männer, keine Zeit und herzlich wenig Ausrüstung. Montagnacht hatte er nicht geschlafen. Seine Hotelsuite war eine kleine Kommandozentrale, in der sie die ganze Nacht hindurch Karten studierten und versuchten, die nächsten vierundzwanzig Stunden zu planen. Ein paar Dinge standen fest. Grantham hatte eine Wohnung, war aber nicht darin. Er hatte einen Wagen, den er nicht benutzte. Er arbeitete bei der Post, und die lag an der Fünfzehnten Straße. White and Blazevich residierten in einem Gebäude an der Zehnten. Morgans Witwe wohnte in Alexandria. Davon abgesehen suchten sie nach zwei Leuten unter drei Millionen.

Die Leute, die er brauchte, waren nicht von der Sorte, die man aus der Schlafbaracke holen und ins Gefecht schicken konnte. Sie mussten gefunden und angeheuert werden, und ihm waren bis zum Ende des Tages so viele wie möglich versprochen worden.

Sneller war kein Anfänger im Mordgeschäft, aber das hier war hoffnungslos. Es war zum Verzweifeln. Der Himmel stürzte ein. Sie würden ihr Bestes tun unter den gegebenen Umständen, aber Edwin Sneller hatte bereits einen Fuß vor der Hintertür.

Sie ging ihm nicht aus dem Kopf. Sie war Khamel begegnet und mit heiler Haut davongekommen. Sie war Kugeln und Bomben ausgewichen und den Besten in der Branche entschlüpft. Er würde sie gern kennenlernen, nicht, um sie umzubringen, sondern um ihr zu gratulieren. Eine Amateurin, die auf der Flucht war, am Leben blieb und davon erzählen konnte.

Sie würden sich auf das Post-Gebäude konzentrieren. Es war der einzige Ort, an den er zurückkommen musste.

VIERZIG

Der Verkehr in der Innenstadt schob sich Stoßstange an Stoßstange voran, und Darby hatte dagegen nichts einzuwenden. Sie hatte es nicht eilig. Die Bank machte um halb zehn auf, und irgendwann gegen sieben, bei Kaffee und nicht angerührten Croissants in ihrem Zimmer, hatte er sie davon überzeugt, dass sie es sein müsste, die den Tresorraum aufsuchte. Es war ihm nicht gelungen, sie völlig zu überzeugen, aber eine Frau sollte es tun, und es waren nicht viele Frauen verfügbar. Beverly Morgan hatte Gray erzählt, dass ihre Hausbank, die First Hamilton, sofort nach Bekanntwerden von Curtis’ Tod ihr Schließfach gesperrt hatte, und dass sie nur den Inhalt durchsehen und eine Bestandsaufnahme machen durfte. Ihr wurde auch erlaubt, das Testament zu kopieren, aber das Original wurde wieder in das Fach gelegt und im Tresor eingeschlossen. Das Fach würde erst freigegeben werden, nachdem die Steuerprüfer ihre Arbeit beendet hatten.

Also war die vordringliche Frage, ob die First Columbia wusste, dass er tot war. Die Morgans hatten dort nie ein Konto gehabt. Beverly hatte keine Ahnung, weshalb er sich für sie entschieden hatte. Es war eine riesige Bank mit einer Million Kunden, und sie kamen zu dem Schluss, dass es ziemlich unwahrscheinlich war.

Darby hatte es satt, sich auf Wahrscheinlichkeiten einzulassen. Am Abend zuvor hatte sie eine wundervolle Gelegenheit, in ein Flugzeug zu steigen, vorbeigehen lassen, und nun war sie hier, im Begriff, als Beverly Morgan die First Columbia zu überlisten, damit sie einem toten Mann etwas stehlen konnte. Und was gedachte ihr treuer Begleiter zu tun? Er gedachte sie zu beschützen. Er hatte seine Waffe, die ihr eine

Heidenangst einjagte und auf ihn dieselbe Wirkung hatte, obwohl er es nicht zugab, und er wollte am Eingang den Leibwächter spielen, während sie das Schließfach ausraubte.

«Was ist, wenn sie wissen, dass er tot ist«, fragte sie,»und ich sage, er ist es nicht?«

«Dann versetzen Sie der Person einen Schlag ins Gesicht und rennen davon. Ich warte am Eingang auf Sie. Ich habe eine Waffe, und wir schießen uns unseren Weg frei.«

«Mir ist nicht nach Witzen zumute, Gray. Ich weiß nicht, ob ich das schaffe.«

«Sie schaffen es, okay? Bleiben Sie ganz cool. Seien Sie selbstbewusst. Behandeln Sie sie von oben herab. Das sollte Ihnen eigentlich nicht schwerfallen.«

«Vielen Dank. Und was ist, wenn sie den Sicherheitsdienst rufen? Gegen Sicherheitsdienste habe ich neuerdings eine starke Abneigung.«

«Dann rette ich Sie. Ich komme und stürme durch das Foyer wie ein Einsatzkommando.«

«Wir werden beide dabei umkommen.«

«Ruhig, Darby, ganz ruhig. Es wird funktionieren.«

«Weshalb sind Sie so aufgekratzt?«

«Ich rieche es. Irgend etwas ist in diesem Schließfach, Darby. Und Sie müssen es herausholen. Jetzt hängt alles von Ihnen ab.«

«Danke, dass Sie den Druck mildern.«

Sie waren auf der E Street in der Nähe der Neunten. Gray verlangsamte die Fahrt, dann parkte er in einer Ladezone, zwölf Meter vom Haupteingang der First Columbia entfernt. Er sprang heraus. Darby verließ den Wagen wesentlich langsamer. Zusammen gingen sie schnell auf die Tür zu. Es war fast zehn Uhr.»Ich warte hier«, sagte er und deutete auf eine Marmorsäule.»Und nun auf in den Kampf.«

«Auf in den Kampf«, murmelte sie und verschwand durch die

Drehtür. Immer war sie es, die den Löwen zum Fraß vorgeworfen wurde. Das Foyer war so groß wie ein Fußballplatz, mit Säulen und Kronleuchtern und imitierten Perserteppichen.

«Schließfächer?«fragte sie eine junge Frau am Informationsschalter. Die Frau deutete in eine Ecke rechts hinten.

«Danke«, sagte sie und strebte in die angegebene Richtung. Links von ihr standen Leute in Viererreihen vor den Schaltern, und rechts von ihr sprachen hundert schwerbeschäftigte Vizepräsidenten in ihre Telefonapparate. Es war die größte Bank in der Stadt, und niemand nahm von ihr Notiz.

Der Tresorraum lag hinter zwei massiven Bronzetüren, die so poliert waren, dass sie beinahe golden aussahen, zweifellos, um den Eindruck absoluter Sicherheit und Uneinnehmbarkeit zu erwecken. Die Türen wurden spaltbreit geöffnet, um einigen Auserwählten Zutritt und Ausgang zu gewähren. Links saß eine wichtig aussehende, ungefähr sechzigjährige Dame hinter einem Schreibtisch, auf dem SCHLIESSFÄCHER zu lesen war. Ihr Name war Virginia Baskin.