Sie saßen im Parkverbot, und die hintere Stoßstange des Pontiac ragte gefährlich weit in die rechte Fahrspur hinein, aber sie achteten nicht auf die Wagen, die um sie herum ausscheren mussten. Sie las langsam, und er hörte mit geschlossenen Augen zu.
Weiter: der Prozess war sehr wichtig für White and Blazevich. Die Firma war an der Verhandlung und der Berufung nicht direkt beteiligt, aber alles ging über Wakefields Schreibtisch. Er arbeitete an nichts anderem als dem PelikanFall, wie er genannt wurde. Er verbrachte den größten Teil seiner Zeit am Telefon, wobei er entweder mit Mattiece sprach oder mit einem der hundert an diesem Fall beteiligten Anwälte. Morgan arbeitete pro Woche im Durchschnitt zehn Stunden an dem Fall, aber immer an der Peripherie. Seine Stundenabrechnungen musste er immer Wakefield persönlich aushändigen, und das war ungewöhnlich, weil alle anderen Abrechnungen an die Öl- und Gasbuchhaltung gingen und von dieser den Mandanten angelastet wurden. Im Laufe der Jahre hatte er Gerüchte gehört und war überzeugt, dass Mattiece White and Blazevich nicht nach dem üblichen Stundensatz bezahlte. Er glaubte, dass die Firma den Fall für einen Anteil am Profit übernommen hatte. Er hatte die Zahl von zehn Prozent des
Nettogewinns der Förderung gehört. So etwas hatte es in der Branche noch nie gegeben.
Bremsen quietschten laut, und sie wappneten sich gegen den Zusammenstoß. Er wurde um Haaresbreite vermieden» Wir werden hier noch totgefahren«, fuhr Darby ihn an.
Gray schaltete auf Drive und zog das rechte Vorderrad über den Bordstein auf den Gehsteig. Jetzt waren sie aus dem Verkehr heraus. Der Wagen stand schräg an einer verbotenen Stelle mit der vorderen Stoßstange auf dem Gehsteig und der hinteren knapp außerhalb des Verkehrsstroms.»Lesen Sie weiter«, fuhr er sie seinerseits an.
Weiter: am oder um den 28. September herum war Morgan in Wakefields Büro. Er ging hinein mit zwei Akten und einem Stapel von Dokumenten, die nichts mit dem Pelikan-Fall zu tun hatten. Wakefield telefonierte. Wie üblich gingen Sekretärinnen ein und aus. In dem Büro ging es immer sehr hektisch zu. Er stand da und wartete darauf, dass Wakefield sein Gespräch beendete, aber es zog sich in die Länge. Nachdem er fast zehn Minuten gewartet hatte, nahm Morgan seine Akten und Dokumente, die er auf Wakefields mit Papieren übersäten Schreibtisch gelegt hatte, wieder an sich und ging. Er kehrte in sein Büro am anderen Ende des Gebäudes zurück und machte sich an seinem Schreibtisch an die Arbeit. Es war gegen zwei Uhr nachmittags. Als er nach einer Akte griff, fand er unter dem Stapel Dokumente, die er gerade in sein Büro gebracht hatte, ein handschriftliches Memo. Er hatte es versehentlich von Wakefields Schreibtisch mitgenommen. Er stand sofort auf, um es Wakefield zurückzubringen. Dann las er es. Und las es abermals. Er warf einen Blick aufs Telefon. Wakefields Nummer war immer noch besetzt. Eine Kopie des Memos war der Erklärung beigefügt.
«Lesen Sie das Memo vor«, verlangte Gray ungeduldig.
«Ich bin mit der Erklärung noch nicht fertig«, fuhr sie ihn an.
Es hatte keinen Sinn, sich auf eine Diskussion mit ihr einzulassen. Sie war die Juristin, und dies war ein juristisches Dokument, und sie würde es genau so vorlesen, wie sie es für richtig hielt.
Weiter: er war bestürzt über das Memo. Und es jagte ihm entsetzliche Angst ein. Er verließ sein Büro, ging den Flur entlang zum nächsten Xerox und machte eine Kopie. Er kehrte in sein Büro zurück und legte das Original-Memo an die ursprüngliche Stelle unter den Akten auf seinem Schreibtisch. Er würde schwören, dass er es nie gesehen hatte.
Das Memo bestand aus zwei Absätzen, mit der Hand auf firmeninternem White and Blazevich-Papier geschrieben. Es stammte von M. Velmano, Marty Velmano, einem der Seniorpartner. Es war auf den 28. September datiert, an Wakefield gerichtet und lautete:
Sims:
Mandanten informieren, dass Recherchen abgeschlossen sind — das Gericht wird wesentlich zugänglicher sein, nachdem Rosenberg in den Ruhestand getreten ist. Die zweite Pensionierung ist etwas ungewöhnlich. Einstein ist auf Jensen verfallen, ausgerechnet. Aber der hat natürlich seine eigenen Probleme.
Weiterhin mitteilen, dass der Pelikan, andere Faktoren vorausgesetzt, in vier Jahren hier eintreffen sollte.
Das Memo trug keine Unterschrift.
Gray kicherte und runzelte gleichzeitig die Stirn. Sein Mund stand offen. Sie las schneller.
Weiter: Marty Velmano war ein skrupelloser Hai, der achtzehn Stunden am Tag arbeitete und s.ch unnütz vorkam, wenn nicht jemand in seiner Umgebung blutete. Er war das Herz und die Seele von White and Blazevich. Für die Mächtigen in
Washington war er ein zäher Verhandler mit massenhaft Geld. Er dinierte mit Kongressabgeordneten und spielte Golf mit Kabinettsmitgliedern. Das Halsabschneiden betrieb er hinter der Tür seines Büros.
Einstein war der Spitzname von Nathaniel Jones, einem geisteskranken juristischen Genie, das die Firma in seiner eigenen kleinen Bibliothek im sechsten Stock weggeschlossen hatte. Er las jedes Urteil des Obersten Bundesgerichts, der elf Bundes-Berufungsgerichte und der Obersten Gerichte der fünfzig Staaten. Morgan war Einstein nie begegnet. In der Firma bekam ihn nur ganz selten jemand zu Gesicht.
Nachdem er das Memo kopiert hatte, faltete er seine Kopie zusammen und legte sie in eine Schreibtischschublade. Zehn Minuten später stürmte Wakefield in sein Büro, blass und sehr aufgeregt. Sie suchten auf Morgans Schreibtisch herum und fanden das Memo. Wakefield war stocksauer, was bei ihm nichts Ungewöhnliches war. Er fragte Morgan, ob er es gelesen hätte. Nein, versicherte er. Offensichtlich hatte er es versehentlich mitgegriffen, als er sein Büro verließ, erklärte er. Was ist denn schon dabei? Wakefield war wütend. Er hielt Morgan einen Vortrag über die Heiligkeit eines Schreibtisches. Er schäumte regelrecht, überschüttete Morgan mit Vorwürfen und tobte in seinem Büro herum, bis er endlich begriff, dass er zu heftig reagierte. Er versuchte, sich zu beruhigen, aber der Eindruck war nicht zu übertünchen. Er ging mit dem Memo.
Morgan versteckte die Kopie in einem Buch in der Bibliothek im neunten Stock. Wakefields Hysterie hatte ihm Angst gemacht. Bevor er an diesem Nachmittag ging, ordnete er die Papiere und Gegenstände in seinen Regalen und auf seinem Schreibtisch auf eine bestimmte Art. Am nächsten Morgen überprüfte er sie. Jemand hatte in der Nacht seinen Schreibtisch durchsucht.
Morgan wurde sehr vorsichtig. Zwei Tage später fand er hinter einem Buch in seiner Handbibliothek einen kleinen
Schraubenzieher. Dann fand er ein Stückchen schwarzes Isolierband, das jemand zusammengeknüllt und in seinen Papierkorb geworfen hatte. Er vermutete, dass man sein Büro verdrahtet und seine Telefone angezapft hatte. Er registrierte argwöhnische Blicke von Wakefield. Er sah Velmano öfter als üblich in Wakefields Büro.
Dann wurden die Richter Rosenberg und Jensen umgebracht. Für ihn gab es keinerlei Zweifel daran, dass es das Werk von Mattiece und seinen Helfershelfern war. In dem Memo wurde Mattiece nicht erwähnt, aber es war die Rede von einem» Mandanten«. Wakefield hatte keine anderen Mandanten. Und kein Mandant konnte von einem neuen Gericht so viel profitieren wie Mattiece.
Der letzte Absatz der Erklärung war bestürzend. Nach den Morden war Morgan zweimal ganz sicher gewesen, dass er beschattet wurde. Er wurde von dem Pelikan-Fall abgezogen. Ihm wurde mehr Arbeit abverlangt, mehr Stunden, mehr Leistung. Er hatte Angst, umgebracht zu werden. Wenn sie zwei Richter umgebracht hatten, würden sie auch einen bescheidenen Anwalt umbringen.