Sie hatten sich jetzt fünf Stunden sein Gejammer wegen seiner sechs Kinder anhören müssen. Als ob sie keine Familien hätten Velmano war geschieden, und seine beiden Kinder waren erwachsen. Sie konnten damit fertig werden. Und er konnte damit fertig werden. Es war ohnehin Zeit, in den Ruhestand zu treten. Er hatte massenhaft Geld beiseite geschafft, und er liebte Europa, vor allem Spanien, deshalb hieß es für ihn adios. Irgendwie tat Wakefield ihm leid, der erst zweiundvierzig war und nicht sonderlich viel Geld besaß. Er verdiente gut, aber seine Frau war eine Verschwenderin, die versessen war auf Kinder. Wakefield war ziemlich verstört.
«Ich weiß nicht, was ich tun soll«, sagte Wakefield zum dreißigsten Mal.»Ich weiß es einfach nicht.«
Schwabe versuchte, ihm ein bisschen zu helfen.»Ich finde, Sie sollten es Ihrer Frau sagen. Ich habe keine, aber wenn ich eine hätte, würde ich versuchen, sie darauf vorzubereiten.«
«Das kann ich nicht«, sagte Wakefield kläglich.
«Natürlich können Sie das. Sie können es ihr entweder jetzt sagen oder sechs Stunden warten, bis sie Ihr Foto auf der Titelseite der Post sieht. Sie müssen es ihr sagen, Sims.«
«Das kann ich nicht. «Er weinte beinahe.
Schwabe sah Velmano und Cortz an.
«Und was wird aus meinen Kindern?«fragte Wakefield.»Mein ältester Sohn ist dreizehn. «Er rieb sich die Augen.
«Nicht nervös werden, Sims. Nehmen Sie sich zusammen«, sagte Cortz.
Einstein stand auf und ging zur Tür.»Ich fahre in mein Haus in Florida. Rufen Sie nicht an, wenn es nicht unbedingt sein muss. «Er ging hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.
Wakefield erhob sich matt und steuerte auf die Tür zu.
«Wo wollen Sie hin, Sims?«fragte Schwabe.
«In mein Büro.«
«Weshalb?«
«Ich muss mich eine Weile hinlegen. Sonst ist alles okay.«
«Ich kann Sie heimfahren«, sagte Schwabe. Sie musterten ihn eingehend. Er öffnete die Tür.
«Das ist nicht nötig«, sagte er, und er hörte sich kräftiger an. Er ging und machte die Tür hinter sich zu.
«Glauben Sie, dass mit ihm alles in Ordnung ist?«fragte Schwabe Velmano.
«Nein, das glaube ich nicht«, sagte Velmano.»Wir haben alle schon bessere Tage gehabt. Vielleicht sollten Sie in ein paar Minuten nachsehen, wie es ihm geht.«
«Das werde ich tun«, sagte Schwabe.
Wakefield steuerte zielstrebig auf die Treppe zu und ging eine Etage tiefer in den neunten Stock. Als er sich seinem Büro näherte, beschleunigte er seine Schritte. Er weinte, als er die Tür hinter sich abschloss.
Tu es schnell! Vergiss den Abschiedsbrief. Wenn du ihn schreibst, redest du dich nur selbst aus der Sache heraus. In der Lebensversicherung steckt eine Million. Er öffnete eine Schreibtischschublade. Denk nicht an die Kinder. Es würde dasselbe sein, wie wenn er bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen wäre. Er zog die.38er unter einer Akte hervor. Tue es schnell! Schau nicht zu ihren Fotos an der Wand.
Vielleicht würden sie es eines Tages verstehen. Er steckte sie tief in den Mund und zog den Abzug durch.
Die Limousine kam vor dem zweigeschossigen Haus in Dumbarton Oaks, einem Teil von Georgetown, zum Stehen. Sie blockierte die Straße, aber das machte nichts, denn es war zwanzig Minuten nach Mitternacht, und es gab keinen Verkehr. Voyles und zwei Agenten stiegen aus dem Fond des Wagens und gingen rasch auf die Haustür zu. Voyles hatte eine Zeitung in der Hand. Er hämmerte mit der Faust gegen die Tür.
Coal schlief nicht. Er saß im Dunkeln in seinem Arbeitszimmer, in Pyjama und Bademantel, was Voyles sehr freute, als er an die Tür kam.
«Hübscher Pyjama«, sagte Voyles, seine Hose bewundernd.
Coal trat auf die winzige Betonveranda heraus. Die beiden Agenten schauten von dem schmalen Gehsteig aus zu.»Was zum Teufel wollen Sie?«fragte er langsam.
«Ich wollte Ihnen nur das hier bringen«, sagte Voyles und hielt ihm die Zeitung vors Gesicht.»Da ist ein hübsches Bild von Ihnen, direkt neben dem Präsidenten, wie er Mattiece umarmt. Ich weiß, wie sehr Sie Zeitungen lieben, deshalb dachte ich, ich sollte Ihnen eine bringen.«
«Morgen wird Ihr Gesicht darin sein«, sagte Coal, als hätte er die Story bereits geschrieben.
Voyles warf ihm die Zeitung vor die Füße und wendete sich zum Gehen.»Ich habe ein paar Tonbänder, Coal. Wenn Sie anfangen zu lügen, ziehe ich Ihnen in aller Öffentlichkeit die Hose runter.«
Coal starrte ihn an, sagte aber nichts.
Voyles hatte die Straße fast erreicht.»In zwei Tagen komme ich mit einer Vorladung wieder«, brüllte er.»Ich komme gegen zwei Uhr nachts und übergebe sie Ihnen selbst. «Er war beim
Wagen angekommen.»Als nächstes bringe ich dann die Anklage. Natürlich wird Ihr Arsch bis dahin Geschichte sein, und der Präsident wird einen anderen Haufen Idioten haben, die ihm sagen, was er tun soll. «Er verschwand in der Limousine, und sie brauste davon.
Coal hob die Zeitung auf und ging ins Haus.
VIERUNDVIERZIG
Gray und Smith Keen saßen allein im Konferenzraum und lasen den gedruckten Text. Die Zeit der Begeisterung darüber, eine seiner Stories auf der Titelseite zu sehen, lag viele Jahre zurück, aber diese ließ ihn nicht kalt. Es hatte noch nie eine größere gegeben. Darüber waren säuberlich die Gesichter aufgereiht: Mattiece, wie er den Präsidenten umarmt, Coal telefonierend auf einem offiziellen Foto des Weißen Hauses, Velmano während der Anhörung vor einem Unterausschuss, Wakefield, aus einem Gruppenbild von einem Anwaltstreffen herausgeschnitten, Verheek, der auf einer FBI–Veröffentlichung in die Kamera lächelt, Callahan aus dem Jahrbuch und Morgan auf einem aus dem Video herausgeholten Foto. Mrs. Morgan hatte ihre Einwilligung gegeben. Eine Stunde zuvor hatte Paypur, der Polizeireporter der Nachtschicht, ihnen von Wakefield erzählt. Er tat Gray leid, aber er wollte sich deshalb keine Vorwürfe machen.
Abgesehen von Wakefields Tod gab es vorerst keine Neuigkeiten. Die Fernsehstationen schalteten zwischen dem Weißen Haus, dem Obersten Bundesgericht und den Schreibtischen der Redakteure hin und her. Sie warteten vorm Hoover Building, in dem zur Zeit völlige Stille herrschte. Sie brachten die Fotos aus den Zeitungen. Sie konnten Velmano nicht finden. Sie spekulierten über Mattiece. CNN zeigte LiveAufnahmen vom Haus der Morgans in Alexandria, aber Morgans Schwiegervater hielt die Kameras vom Grundstück fern. NBC hatte einen Reporter vor dem Gebäude stehen, in dem White and Blazevich ihre Büros hatten, aber er konnte nichts Neues berichten. Und obwohl ihr Name in der Story nicht genannt wurde, war die Identität der Verfasserin des Dossiers kein Geheimnis. Es gab massenhaft Spekulationen über Darby Shaw.
Um sieben war der Raum gedrängt voll, und es herrschte Stille. Die vier Bildschirme zeigten alle das gleiche Bild — Zikman steuerte im Presseraum des Weißen Hauses nervös aufs Podium zu. Er war müde und sah mitgenommen aus. Er verlas eine kurze Erklärung, in der das Weiße Haus zugab, über verschiedene von Victor Mattiece kontrollierte Kanäle Wahlkampfzuwendungen erhalten zu haben, aber er bestritt energisch, dass irgend etwas von dem Geld schmutzig gewesen war. Der Präsident war nur einmal mit Mr. Mattiece zusammengetroffen, und damals war er noch Vizepräsident gewesen. Seit er zum Präsidenten gewählt worden war, hatte er nicht mehr mit dem Mann gesprochen, und er betrachtete ihn ganz gewiss nicht als Freund, ungeachtet des Geldes. Für den Wahlkampf waren mehr als fünfzig Millionen gespendet worden, und der Präsident hatte nichts davon in die Hand bekommen. Dafür hatte er ein Komitee. Niemand im Weißen Haus hatte versucht, sich in die Ermittlungen gegen Mattiece als Verdächtigen einzumischen, und alle gegenteiligen Behauptungen waren eindeutig falsch. Ihren bescheidenen Kenntnissen zufolge lebte Mr. Mattiece nicht mehr in diesem Land. Der Präsident begrüßte eine eingehende Untersuchung der in der Post-Story erhobenen Anschuldigungen, und falls Mr. Mattiece diese grauenhaften Verbrechen begangen haben sollte, würde er vor Gericht gestellt werden. Dies war lediglich eine erste Stellungnahme. Eine reguläre Pressekonferenz würde folgen. Zikman verließ das Podium ein wenig zu eilig.