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Es war eine schwächliche Vorstellung von einem beunruhigten Pressesprecher, und Gray war erleichtert. Er fühlte sich plötzlich eingekesselt und brauchte frische Luft. Er fand Smith Keen vor der Tür.

«Lassen Sie uns frühstücken gehen«, flüsterte er.

«Gern.«

«Außerdem muss ich bei meiner Wohnung vorbeifahren, wenn es Ihnen recht ist. Ich bin seit vier Tagen nicht mehr dort gewesen.«

An der Fünfzehnten winkten sie ein Taxi heran und genossen die frische Herbstluft, die durch die offenen Fenster hereinwehte.

«Wo ist die Frau?«fragte Keen.

«Ich habe keine Ahnung. Ich habe sie vor ungefähr neun Stunden in Atlanta zuletzt gesehen. Sie hat gesagt, sie wollte in die Karibik.«

Keen grinste.»Ich nehme an, Sie möchten bald einen langen Urlaub haben.«

«Wie haben Sie das erraten?«

«Wir haben eine Menge Arbeit vor uns, Gray. Im Augenblick stecken wir mitten in der Explosion, und bald werden die Trümmer herunterregnen. Sie sind der Mann der Stunde, aber Sie müssen am Ball bleiben. Sie müssen die Trümmer einsammeln.«

«Ich kenne meinen Job, Keen.«

«Ja, aber Sie haben so einen verträumten Ausdruck in den Augen. Der macht mir Sorgen.«

«Sie werden dafür bezahlt, dass Sie sich Sorgen machen.«

Sie hielten an der Kreuzung Pennsylvania Avenue. Das Weiße Haus stand majestätisch vor ihnen. Es war beinahe November, und der Wind fegte Blätter über den Rasen.

FÜNFUNDVIERZIG

Nach acht Tagen in der Sonne war die Haut braun genug, und das Haar nahm wieder seine natürliche Farbe an. Vielleicht hatte sie es doch nicht ruiniert. Sie wanderte meilenweit an den Stränden entlang und aß nur gegrillten Fisch und einheimische Früchte. An den ersten paar Tagen schlief sie sehr viel, dann hatte sie genug davon.

Die erste Nacht hatte sie in San Juan verbracht, wo sie eine Reiseveranstalterin fand, die behauptete, eine Expertin für die Virgin Islands zu sein. Die Dame besorgte ihr ein kleines Zimmer in einer Pension in der Innenstadt von Charlotte Amalie auf der Insel St. Thomas. Darby wollte Gedränge und dichten Verkehr in engen Straßen, zumindest für ein paar Tage. In dieser Beziehung war Charlotte Amalie ideal. Die Pension lag auf einer Anhöhe, vier Blocks vom Hafen entfernt, und ihr Zimmer lag im dritten Stock. An dem gesprungenen Fenster gab es weder Vorhänge noch Läden, und am ersten Morgen wurde sie von der Sonne geweckt, ein sinnlicher Weckruf, der sie ans Fenster lockte und vor ihr die Majestät des Hafens ausbreitete. Es war atemberaubend. Ein Dutzend Kreuzfahrtschiffe verschiedener Größe lag unbewegt auf dem schimmernden Wasser und erstreckte sich in einer zufälligen Formation fast bis zum Horizont. Im Vordergrund, nahe der Mole, war der Hafen mit zahllosen Segelbooten übersät, die die massigen Touristenschiffe in Schach zu halten schienen. Das Wasser unter den Segelbooten war klar, blassblau und glatt wie Glas. Es wogte sanft um Hassel Island und wurde dunkler, bis es indigofarben war und dann violett, wo es den Horizont berührte. Eine makellose Reihe von Kumuluswolken markierte die Linie, an der Wasser und Himmel zusammentrafen.

Ihre Uhr steckte in einem Koffer, und sie gedachte, sie mindestens die nächsten sechs Monate nicht zu tragen. Trotzdem warf sie einen Blick auf ihr Handgelenk. Das Fenster ließ sich mit einiger Mühe öffnen, und die Geräusche des Einkaufsviertels hallten durch die Straßen. Die Wärme drang herein wie in einer Sauna.

An diesem ersten Morgen auf der Insel stand sie eine Stunde lang an dem kleinen Fenster und sah zu, wie der Hafen zum Leben erwachte. Niemand hatte es eilig. Er erwachte gemächlich; die großen Schiffe schoben sich langsam übers Wasser, und von den Decks der Segelboote kamen leise Stimmen.

Daran konnte sie sich gewöhnen. Dir Zimmer war klein, aber sauber. Es hatte keine Klimaanlage, aber der Ventilator funktionierte gut. Das Wasser lief fast immer. Sie beschloss, ein paar Tage, vielleicht eine Woche, hierzubleiben. Das Gebäude war eines von Dutzenden, die dicht aneinandergedrängt an zum Hafen hinabführenden Straßen standen. Im Augenblick gefiel ihr die Sicherheit, die Menschenmengen und Straßen ihr boten. Sie konnte herumwandern und sich besorgen, was immer sie brauchte. St. Thomas war berühmt für seine Geschäfte, und die Idee, Kleider kaufen zu können, die sie behalten konnte, stimmte sie froh.

Es gab elegantere Zimmer, aber dieses würde es fürs erste tun. Als sie San Juan verließ, hatte sie sich geschworen, nie wieder ängstlich nach hinten über die Schulter zu sehen. Sie hatte in Miami eine Zeitung gelesen und an einem Fernseher am Flughafen den ganzen Wirbel mitbekommen, und sie wusste, dass Mattiece verschwunden war. Wenn sie ihr jetzt noch folgten, dann war es pure Rache. Und wenn sie sie trotz des Zickzackkurses, auf dem sie geflogen war, hier fanden, dann waren sie Übermenschen, und sie würde sie nie loswerden.

Sie waren nicht da draußen, davon war sie überzeugt. Zwei Tage lang blieb sie immer in der Nähe des kleinen Zimmers und wagte sich nicht weit von ihm fort. Das Einkaufsviertel lag dicht vor ihrer Haustür. Nur vier Blocks lang und zwei Blocks tief, war es ein Labyrinth von Hunderten kleiner Geschäfte, in denen alles Erdenkliche verkauft wurde. Auf den Gehsteigen und in den engen Gassen wimmelte es von Amerikanern von den großen Schiffen. Sie war nur eine weitere Touristin mit einem breitkrempigen Strohhut und farbenfrohen Shorts.

Sie kaufte ihren ersten Roman seit anderthalb Jahren und las ihn innerhalb von zwei Tagen, unter dem leisen Schwirren des Ventilators auf dem schmalen Bett liegend. Sie schwor sich, nichts Juristisches mehr zu lesen, bevor sie fünfzig war. Jede Stunde trat sie mindestens einmal ans Fenster und schaute auf den Hafen hinaus. Einmal zählte sie zwanzig Kreuzfahrtschiffe, die darauf warteten, anlegen zu können.

Das Zimmer erfüllte seinen Zweck. Sie verbrachte einige Zeit mit Thomas und weinte und war entschlossen, dass es das letzte Mal sein sollte. Sie wollte das Schuldgefühl und den Kummer in dieser winzigen Ecke von Charlotte Amalie zurücklassen und mit schönen Erinnerungen und einem guten Gewissen fortgehen. Es war nicht so schwierig, wie sie es zu machen versuchte, und am dritten Tag kamen keine Tränen mehr. Sie hatte das Taschenbuch nur einmal an die Wand geworfen.

Am vierten Morgen packte sie ihre neuen Koffer und bestieg eine Fähre nach Cruz Bay, zwanzig Minuten entfernt auf der Insel St. John. Von einem Taxi ließ sie sich zur North Shore Road fahren. Die Fenster waren offen, und der Wind wehte über die Hintersitze. Die Musik war eine rhythmische Mischung aus Blues und Reggae. Der Taxifahrer trommelte aufs Lenkrad und sang mit. Sie trommelte mit dem Fuß und schloss die Augen vor der Brise. Es war berauschend.

Das Taxi verließ die Straße bei Maho Bay und fuhr langsam aufs Wasser zu. Sie hatte sich unter Hunderten von Inseln für diesen Ort entschieden, weil er noch so unentwickelt war. An dieser Bucht waren nur eine Handvoll Strandhäuser und Cottages zugelassen. Der Fahrer hielt auf einer schmalen, von Bäumen gesäumten Straße, und sie bezahlte ihn.

Das Haus lag fast an der Stelle, an der der Berg mit dem Meer zusammentraf. Die Architektur war rein karibisch — weißes Fachwerk unter einem roten Ziegeldach —, und es war der Aussicht wegen ein Stückchen den Hang hinauf gebaut worden. Sie bog von der Straße auf einen kurzen Pfad ein und stieg die Stufen zum Haus hinauf. Es war eingeschossig mit zwei Schlafzimmern und einer Terrasse zum Wasser hin. Es kostete zweitausend pro Woche, und sie hatte es für einen Monat gemietet.

Sie stellte ihr Gepäck im Wohnzimmer ab und trat auf die Terrasse. Zehn Meter unterhalb davon begann der Strand. Die Wellen rollten fast lautlos ans Ufer. Zwei Segelboote lagen unbewegt in der Bucht, die an drei Seiten von Bergen umschlossen war. Zwischen den Booten bewegte sich ziellos ein Schlauchboot voll planschender Kinder.