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Der alte Soldat grinste Alrik breit an, und erneut löste sich ein Tropfen von seiner Nase und fiel in den dampfenden Kessel.

»Wie meint ihr das?« brummte der Fremde hinter seinem Schal. Er hatte mit beiden Händen die Holzschale umschlossen, zögerte aber zu trinken.

»Wißt Ihr, Herr Offizier, ich habe schon unter dem alten Kaiser Reto gedient. In dem Winter, nachdem er Bardo und Cella aus Gareth vertrieben hatte, ist er mit dem Heerbann nach Norden gezogen, um einer großen Bande marodierender Orks das Fell zu gerben. Damals war es so kalt, daß manchem Ritter sein Bart am Helm festgefroren ist.«

Der Soldat streckte seine Hände über den dampfenden Kessel und rieb sich die roten Finger.

»Am schlimmsten war es immer, wenn man sich morgens aus den verschneiten Decken gewickelt hatte. Genau wie uns Brin war Reto damals auch so eilig aufgebrochen, daß er auf einen Troß mit Zelten und so verzichtet hatte. So kamen wir dann jede Nacht auf dem beinhart gefrorenen Boden in den Bergen zu liegen. Ich sage dir, Junge, da ist das hier noch gar nichts gegen. - Aber weißt du, was der alte Reto mitgenommen hat? Ein paar Maultiere beladen mit Branntweinfässern. Nicht, daß wir uns besoffen hätten, aber jeden morgen gab es zum Aufstehen einen kräftigen Schluck für Ritter wie Waffenknechte. Da fängt nach so einer lausigen Nacht im Schnee der Tag gleich ganz anders an.«

Alrik nickte. Ganz unrecht hatte der Alte nicht, nur leider war das wohlig warme Gefühl viel zu schnell wieder verschwunden.

»Weißt du, warum die Thorwaler alle schon auf sind?« Der Soldat setzte wieder ein verschwörerisches Grinsen auf. »Die scheren sich einen Dreck um die Vorschrift des Prinzen. Die haben alle schon ein oder zwei Hörner voll warmen Mets getrunken, bevor der erste kaiserliche Offizier in ihre Töpfe schaut. Und recht haben sie, es geht wirklich nichts über einen guten Schluck.«

»Kann ich auch mal an deinem geheimen Vorrat nippen?« meldete sich der Vermummte. Die Holzschale mit dem Kräutersud, an dem er nicht einmal genippt hatte, stellte er vor sich in den Schnee.

Der Alte zögerte. »Nichts für ungut, Herr, aber Euch kenne ich nicht. Gebt mir erst Euer Wort, daß Ihr dem Prinzen nicht verraten werdet, was Ihr bei mir gesehen habt.«

»Mein Wort, ich werde dem Prinzen nichts sagen.« Der Vermummte blinzelte freundlich mit seinen braunen Augen, griff nach dem Fläschchen und zog sich den Schal vom Gesicht.

»Bei allen Göttern ...«, stammelte der Veteran, als er dem Mann ins Antlitz blickte. Dann warf er sich auf die Knie.

»Verzeiht mir, Eure Majestät ... Seit fast vierzig Jahren diene ich treu dem Kaiserhaus ... und ich habe mir nie etwas zuschulden kommen lassen!«

»Komm, steh auf, Alter.«

Der Prinz packte dem Soldaten unter die Arme und half ihm wieder hoch, um dann mit strenger Stimme fortzufahren. »Soldat, dies soll der letzte Tag sein, den du als Gemeiner in meinem Heer dienen darfst. Die lockere Art, in der du über deinen Herrscher redest, muß bestraft werden. Zu Sonnenuntergang wird dein vorgesetzter Offizier dir den Abschied geben.«

Dem Alten rannen Tränen über die Wangen. Doch er stand stramm und sagte nichts.

»Danach meldest du dich bei mir, und ich werde dich persönlich als Heeresmundschenk im Range eines Weibels in die Musterrolle eintragen.«

Dem Soldaten stand der Mund weit offen. Eine Träne hing zitternd an seinem Schnauzbart. Schließlich stammelte er: »Ich ... danke Euch ... Majestät.«

Der Prinz nahm einen Schluck und wischte sich mit der Hand über den Mund. Dann reichte er dem Soldaten schmunzelnd die Flasche zurück.

»Du hast einfach recht. An einem Morgen wie diesem gibt es nichts Besseres als einen kleinen Schluck zum Aufwärmen. Ich brauche Männer wie dich, die frei heraus ihre Meinung sagen, wenn ich mich irre. Du hast mir einen Dienst erwiesen und nicht umgekehrt. Auf den Schiffen haben wir etliche Fässer Branntwein für Greifenfurt. Ab morgen wird es deine Aufgabe sein, dafür zu sorgen, daß jeder, der an dieser Heerfahrt teilnimmt, zum Frühstück einen Becher voller Branntwein bekommt.«

»Ein Becher zur Nacht würde auch nicht schaden«, flüsterte der Alte halblaut. »Damit würdet Ihr Euren Ahnen Reto an Freigibigkeit noch übertreffen.«

»Du nimmst wirklich kein Blatt vor den Mund.« Brin blickte lächelnd auf den Soldaten.

Dieser grinste und wollte etwas entgegnen. Doch seinem offenen Mund entrang sich nur noch ein Röcheln. Eine blutige Pfeilspitze ragte aus seiner Brust.

Einen Moment schwankte der Mann, dann kippte er vornüber in den Topf mit dem siedenden Kräutersud. Zischend ergoß sich das überlaufende Wasser ins Feuer.

Alrik und der Prinz hatten sich zu Boden geworfen.

Ein Alarmhorn erklang, und im selben Moment brach eine Schar von Orkreitern in das Lager ein.

Die wenigen Krieger, die schon auf den Beinen waren, suchten vergeblich, die Schwarzpelze aufzuhalten. Die, die erst durch den Alarm geweckt worden waren, rollten sich aus den Decken und suchten ihr Heil in der Flucht. Fluchend riß Brin seinen Säbel aus der Scheide.

Auch Alrik erkannte jetzt, was das Ziel des überraschenden Angriffs war. Die Orks jagten auf die abfallende Uferböschung zu.

»Alles zum Fluß!« schrie Alrik. Unten am Ufer waren die Reittiere der Kavallerie und die Kaltblüter, die die Schiffe den Fluß hinauf schleppten, angepflockt.

Gemeinsam mit dem Prinzen rannte der Oberst auf die Böschung zu. Wenn sie die Pferde verloren, dann war die ganze Unternehmung verloren. Vom Ufer erklang lauter Kampflärm.

Als Alrik den Rand der Böschung erreichte, blickte er auf eine lange Kampfreihe, die den Angriff der Orks aufgefangen hatte. Über hundert Thorwaler standen dicht an dicht, die Schilde ineinander verschränkt und drängten die Orks von den Pferden ab.

Mittlerweile hatte sich auch auf der Böschung eine kleine Schar von Kämpfern gesammelt.

»Mir nach!« rief der Prinz und stürmte den Abhang hinab. »Für Greifenfurt!«

Alrik fluchte. Der Prinz riskierte zu leichtfertig sein Leben. Schon der Pfeilschuß, der den alten Soldaten getötet hatte, hätte ebensogut ihn treffen können, und jetzt forderte er schon wieder das Schicksal heraus.

»Für Brin und das Kaiserreich!« brüllte Alrik, und die Männer und Frauen, die den Abhang hinabstürmten, nahmen seinen Schlachtruf auf.

Dem zweifachen Ansturm hielten die Schwarzröcke nicht stand. Sie rissen ihre kleinen Ponies herum und galoppierten von den Pferden weg, das Ufer entlang. Bogenschützen, die sich auf dem Grat der Böschung gesammelt hatten, schickten ihnen Pfeiler hinterher, doch ebenso schnell, wie sie gekommen waren, waren die Schwarzpelze auch wieder verschwunden.

»Das wohl, Leute!« brüllte ein hünenhafter Thorwaler über das Schlachtfeld. »Ist noch jemandem kalt?«

Gelächter lief durch die Reihe der rauhbeinigen Seekrieger »Besser als immer nur zu rudern war das allemal!« rief eine rothaarige Kriegerin zur Antwort.

Die Formation der Thorwaler löste sich schnell auf. Einige gingen zurück zum Lager, um sich ihre Wunden verbinden zu lassen, andere durchsuchten die Leichen der wenigen toten Orks und begannen sich lauthals um die kümmerliche Beute zu zanken.

Nur der Anführer kam die Böschung herauf und ging geradewegs auf den Prinzen zu, der eine Schwadron Ordensritter mit der Verfolgung der Orks beauftragte.

Auf dem Schild des Thorwalers prangte ein weißköpfiger Adler, der eine Schlange in seinen Klauen hielt. Der Mann mußte fast zwei Schritt groß sein. Langes, weißblondes Haar hing ihm in wirren Strähnen bis auf die Schultern herab. Mit eisgrauen Augen musterte er den Prinzen und hob dann die Rechte, in der er immer noch seine Axt hielt.

»Der König der Meere grüßt den König der Lande«, ließ er selbstbewußt vernehmen.

Alrik trat einen Schritt näher an die Seite seines Prinzen. Was mochte der Mann wollen?

»Ich grüße Euch, Phileasson. Großadmiral Sanin hat mir bereits von Euch erzählt, und ich bin froh, Euch an meiner Seite zu haben. Wenn der König des Landes und der König der Meere zusammen stehen, wer könnte sie dann noch aufhalten.«