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Wieder blickte Marcian zu Arthag.

»Sie glaubt, daß sie sich bald in ihr Seelentier verwandeln wird.« Die Stimme des Zwergen klang heiser. »Sie wird jetzt sterben.«

»Das Wort ...« Marcian ließ resigniert Nyrillas Hand sinken. Ihre Finger fühlten sich schon ganz kalt an.

»Sha... val.« Ein leichtes Zittern lief durch den Körper der Elfe. Ihre Rechte wies auf die Steinplatte, die weniger als eine halbe Elle von ihrer Hand entfernt war. »Sie redet von einem Sonnenhüter.«

Wieder durchlief ein Zittern ihren Körper. Nyrillas rechte Hand zuckte.

»Kann ihr denn keiner helfen?« schrie Arthag verzweifelt auf. »Warum muß sie so jämmerlich krepieren?«

Tonlos bewegten sich die Lippen der Elfe. Diesmal richtete sie sich ein wenig auf, sackte aber sofort wieder kraftlos zurück. Ein neuer Schwall Blut quoll aus ihrer Wunde.

»Sie will an den Stein. Seid ihr denn alle blind?« Lysandra stieß Marcian und Arthag grob beiseite. Dann griff sie der Elfe unter die Schultern und zog sie vorsichtig zu der großen schwarzen Steinplatte, so daß sie schließlich mit dem Rücken dagegen lehnte. Wieder durchlief die Elfe ein Schauer. Mit schier unmenschlicher Kraft hob sie den rechten Arm und legte ihre Hand auf die stilisierte Schlange, die die Felsplatte schmückte.

»Ar...« Nyrilla zitterte jetzt immer heftiger. »Arsun.« So als habe sie das Wort ihre letzte Lebenskraft gekostet, sank sie zur Seite.

Arthag fing sie auf, während die anderen wie gebannt auf die Felsplatte starrten.

Der große schwarze Stein erzitterte, und dann wurde er immer kleiner. Hinter ihm lag eine von unirdischem Licht erfüllte Höhle.

»Wir bringen dich hier raus. Es wird alles wieder gut.« Arthag hielt Nyrilla im Arm und strich ihr zärtlich über die schweißglänzende Stirn. »Bald werden wir wieder zusammen wandern, und dann bringst du mir die Feinheiten deiner Sprache bei, damit ich dich besser verstehen kann.«

Nyrilla lächelte. Ein dünner Faden Blut floß aus ihrer Nase und benetzte ihre Lippen.

»Sanyasala, boroborinoi ... Auf Wiedersehen, kleiner Bartmurmler.« Nyrillas Kopf sank zurück.

»Sanyasala, feyama. Auf Wiedersehen, meine Elfenfreundin.«

Vorsichtig legte Arthag ihr Haupt zurück und faltete Nyrillas Hände, so daß sie die schreckliche Wunde in der Brust verdeckten. Sanft drückte er ihr die Augen zu.

Dann verbarg der Zwerg sein Gesicht in den Händen.

Die Höhle, die sich geöffnet hatte, war nicht sehr groß. Marcian schätzte, sie maß nur wenig mehr als zehn Schritt in der Tiefe. Ihm gegenüber stand ein gewaltiges Götzenbild aus schwarzem Stein. Der Dämon mit den zwei Herzen in seinen erhobenen Krallenhänden, der ihnen schon so oft als Runenzeichen in den Tunneln begegnet war. Tairach, der Blutgott der Orks. Doch dieses riesige Abbild war auf erschreckende Weise anders. Es war so naturalistisch, daß man kaum wagte, es aus den Augen zu lassen, obwohl Marcian noch niemals etwas gesehen hatte, das so abstoßend und so lebensverneinend war, wie dieses Götterbild.

Vorsichtig schritt der Inquisitor in die Höhle. Die Steinplatte, die den Eingang verschlossen hatte, war auf die Größe eines kleinen Würfels zusammengeschrumpft.

Ein goldenes Licht, das in seltsamem Gegensatz zu dem abstoßenden Tairach-Bildnis stand, erfüllte die Höhle.

Marcian ging jetzt ganz langsam. Vielleicht mochte es hier verborgene Fallen geben? Der Boden war bedeckt von Knochen. Gleich am Eingang hatte das feingliedrige Skelett eines Elfen gelegen. Auf der linken Seite erschien dem Inquisitor das seltsame Licht eine Spur heller zu scheinen. Vorsichtig durchquerte er das Gewölbe, um den großen Haufen Knochen dort in Augenschein zu nehmen.

Was für eine gewaltige Kreatur mochte das gewesen sein. Ein großer ausgeblichener Schädel mit Schnabel und mumifizierten Vogelschwingen von Mannslänge erinnerten an einen riesigen Adler. Doch der Körper erschien zu massig für einen Vogel. Ein unheimliches Leuchten umspielte die bleichen Knochen und zerzausten Federn.

Kein Zweifel, dies mußte die Quelle für das Licht im Inneren der Höhle sein. Marcian kniete nieder, um einen besonders dicken Knochen in Augenschein zu nehmen.

Nein, das war mit Sicherheit kein Vogel gewesen. Das war der, der vom Himmel stieg. Ein Greif! Ein Bote des Praios! Doch was mochte ein so machtvolles Wesen vernichtet haben? Dem Inquisitor lief ein Schauer über den Rücken. Mit was für Mächten hatte er sich hier eingelassen?

»Schaut einmal hier, Marcian. Das ist es!« Die Amazone war die einzige, die es bislang gewagt hatte, dem Inquisitor in die Höhle zu folgen. Sie kniete vor dem Standbild des Tairach und wog einen großen, keulenartigen Gegenstand in ihren Händen.

Sie wird mich verraten, ging es Marcian durch den Kopf.

Es war erst wenige Stunden her, daß der Magier ihn vor der Amazone gewarnt hatte. Doch konnte er den Worten Lancorians trauen? Oder war der Magier nur zum Sprachrohr einer Macht geworden, die mit ihnen ein übles Spiel trieb? Vielleicht sollten sie einfach nur einander mißtrauen? Vorsichtig näherte er sich der Kriegerin.

»Erstaunlich, wie leicht diese Keule ist«, flüsterte Lysandra. Sie hatte sich aufgerichtet und hielt die Waffe prüfend in ihrer Rechten.

Der Streitkolben hatte einen ungewöhnlich langen Griff. Zum Ende hin wurde er so dick, daß man den Kopf der Keule selbst mit beiden Händen nicht mehr umspannen konnte. Mehrere fingerlange, rote Dornen ragten aus dem Keulenkopf. Das Ganze ähnelte entfernt einem überproportionalen Knüppel, durch dessen Ende man einige lange Nägel getrieben hatte. Lysandra vollführte jetzt einige Schläge in die Luft. Und Marcian war verblüfft, mit welcher Leichtigkeit, sie die klobige Waffe handhabte. Er war gespannt darauf, sie selber in Händen zu halten.

»Wo hast du sie gefunden?« Marcian stand jetzt an der Seite der Amazone.

»Dort.« Sie wies mit der Waffe auf ein ungewöhnlich großes Skelett, daß vor dem Götterbild lag. Ein blaugrün schimmernder Halbmond lag zwischen den Knochen des Brustkorbs. Mit etwas Phantasie konnte man noch die Reste einer metallverstärkten Lederrüstung erkennen. Zerrissene Perlschnüre, mumifizierte Tierpfoten und andere Amulette lagen scheinbar wahllos um den Leichnam verstreut.

Am beeindruckendsten aber waren die selbst für einen Ork ungewöhnlich langen Fangzähne, die aus den Kiefern des Schädels ragten. Wahrscheinlich war der Tote zu seinen Lebzeiten ein äußerst einflußreicher Krieger gewesen, vielleicht sogar ein Hohepriester des Tairach-Kultes.

Wieder schlug Lysandra eine Reihe von Finten in die Luft.

»Die Keule ist leicht wie eine Tannenrute. Die beste Waffe, die ich jemals in Händen gehalten habe. Jetzt kann ich verstehen, warum man so viel Aufhebens darum macht.«

»Laß sie mich einmal sehen.« Marcian streckte die Hand aus, doch statt ihm die Waffe zu geben, wich die Amazone ein Stück vor ihm zurück.

»Laß sie in Ruhe!«

Eine Stimme wie Donnergrollen füllte plötzlich die Höhle aus. Erschrocken fuhr der Inquisitor zusammen. Lysandra jedoch zeigte keinerlei Reaktion.

»Diese Waffe ist nicht für dich bestimmt, Marcian! Sie verdirbt jeden, der sie führt. Dein Schicksal steht im Zeichen der Flamme.«

Nervös blickte der Inquisitor sich um, doch niemand war zu sehen. Auch Himgi und Arthag, die noch immer im Eingang zu der Höhle standen, ohne es zu wagen, sie zu betreten, schienen nichts gehört zu haben.

Nur das Licht wurde ein wenig intensiver.

»Seht nur!« Lysandra hatte die Waffe sinken lassen und zeigte auf das Gerippe des toten Greifen.

Spiralen von goldenem Licht liefen um die Knochen und formten langsam einen durchscheinenden Greifenkörper, der sich über den Leichnam erhob. Die Gestalt war so riesig, daß sie bald die halbe Höhle ausfüllte und ihre stolz aufgerichteten Schwingen bis hin zur Decke reichten.

»Ich bin Scraan, Diener des Praios und Herrscher aus vergangenen Äonen. Mehr als zweitausend Jahresläufe war es mir bestimmt diese Höhle nicht verlassen zu können. Doch nun ist die Zeit der großen Erschütterung nicht mehr fern. Einer Epoche, die das Gesicht Deres verändern wird und es ist mir bestimmt die Wacht über Xarvlesh, den Fleischreißer, aufzugeben.«