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»Peraine hilf!« murmelte er zwischen zusammengebissenen Zähnen und stemmte sich erneut mit aller Kraft gegen den Griff seines Schwertes. Endlich spürte er einen Ruck. Es war geschafft! Der Knochen hatte nachgegeben.

Mit lautem Krachen barst der Deckenbalken. Erde stürzte in den Tunnel. Marcian wurde von den Beinen gerissen und gegen die Wand der Höhle gepreßt.

Bitte nicht jetzt, dachte er verzweifelt. Ihr Götter, gebt mir nur noch einen Augenblick! Der Inquisitor ruderte mit den Armen, um sich aus der lockeren Erde zu befreien. Über ihm war ein dumpfes Grollen zu hören. Doch im Moment rutschte keine neue Erde nach.

Die Fackel war erloschen. Vorsichtig tastete Marcian nach dem Zwergenhauptmann. Schließlich bekam er ihn am Haarschopf zu fassen und zerrte ihn zu sich herüber.

Dann stemmte er sich stöhnend auf die Beine, nahm den Leib des bewußtlosen Zwergen in seine Arme und kämpfte sich auf den Knien langsam vorwärts.

Endlich hatte er den Einbruch hinter sich. Himgis Blut flöß warm über seine Hände. Würde er die Wunde am Bein nicht abbinden, wäre der Zwerg verblutet, bevor sie den Ausgang im Turm erreicht hätten.

Marcian riß sich einen breiten Streifen vom Umhang und knüpfte daraus eine Schlinge, die er um Himgis Beinstumpf legte. Dann zog er seinen Dolch, tastete vorsichtig nach der Schlinge, schob die Klinge unter ihr durch und begann zu drehen. Mit der Linken tastete er nach dem Beinstumpf. Erst als er kein Blut mehr über seine Finger fließen spürte, hörte er auf. Die Schlinge schnitt nun tief in das Fleisch und preßte die Adern des Oberschenkels zusammen. Das würde reichen, bis Himgi in die Hände der Therbuniten kam.

Einen kleinen Moment lehnte sich Marcian erschöpft zurück. Was würde er jetzt für einen Becher voller Wein geben! Oder ein Bad! Wehmütige Erinnerungen an die prächtigen Thermen AI’ Anfas stiegen in ihm auf. Tage voller Luxus und Muße.

Marcian schreckte auf. Er war für einen Augenblick eingeschlafen. Die Luft wurde immer schlechter. War das der Anfang des Erstickungstodes? Er durfte hier nicht länger sitzen bleiben. Er würde wieder einschlafen! Stöhnend richtete er sich auf. Er war fast am Ende seiner Kräfte. Der leblose Körper des Zwergenhauptmanns erschien ihm mit jedem Schritt schwerer. Wenigstens konnte Marcian jetzt wieder halbwegs aufgerichtet gehen. Der Ausgang des Tunnels würde nicht mehr weit sein. Der Gang war hier kaum noch mit Steinen und Geröll gefüllt.

Dann hörte er eine Stimme. Jemand rief seinen Namen. Undeutlich sah er Lichtschein. Das unstete Flackern einer Fackel. Für einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen.

Dann war da wieder das Licht. Er konnte eine Gestalt mit Fackel erkennen. Arthag! Er war ihm also doch noch in den Tunnel gefolgt. Endlich. Marcian stürzte. Der Körper des bewußtlosen Zwergen glitt ihm aus den Armen. Auf einmal schien der Tunnel erfüllt von Fackeln, die sich immer schneller drehten, bis sie zu riesigen Feuerrädern verschwammen, die direkt auf ihn zu rollten.

Wieder wurde dem Inquisitor schwarz vor Augen.

6

Als Lysandra aus der Fuchshöhle floh, herrschte Chaos in der Stadt. Die Orks waren an mehreren Stellen durch die Verteidigungslinie der Bürger gebrochen. Fast die gesamte Osthälfte Greifenfurts war schon in ihrer Hand. Darrag zog die wenigen noch verbleibenden Truppen auf die alte Stadtmauer zurück, die sich von den Unterkünften der Stadtwache im Norden bis zum Rondratempel im Süden zog.

Die Amazone drängte sich durch das Getümmel in der engen Gasse. Eine Abteilung junger Frauen und Männer, geführt von einem Kürassier kam ihr entgegen. Sie waren mit Sicheln bewaffnet, deren Blätter nun aufrecht standen, so daß man sie wie Speere benutzen konnte.

Die meisten dieser ›Soldaten‹ hatten wahrscheinlich nicht einmal sechzehn Sommer gesehen. Sie waren keine Gegner für die Heerscharen des Sharraz Garthai, auch wenn sie mit dem Mut der Verzweiflung kämpften.

»Wo ist der Kommandant?« Die Stimme des Kürassiers klang heiser. Auch er mochte nicht viel älter als zwanzig sein.

»Das Andergaster Tor kann sich nicht mehr lange halten. Die Orks haben einen Rammbock herangebracht. Wo ist Marcian? Die Schwarzröcke sind an mindestens drei Stellen schon über die Mauer gelangt, und nirgends sind noch Offiziere. Was sollen wir tun?«

»Wenn das Andergaster Tor bedroht ist, wirst du jetzt deine Leute nehmen und den Verteidigern helfen. Darrag muß dann ohne dich auskommen. Los, mach dich auf den Weg!« Die Amazone funkelte den jungen Soldaten böse an. Er war kurz davor, den Kopf zu verlieren, und wenn er in Panik geriet, war sein kleines Häuflein Bewaffneter auch nichts mehr wert.

»Los, macht euch davon, oder ich mach euch Beine!«

»Jawohl!« Der Kürassier salutierte kurz und brüllte dann: »Alles kehrt marsch! Wir sind Entsatz für das Andergaster Tor.«

Seine Kindersoldaten stießen ihre improvisierten Speere in die Luft und gröhlten: »Auf zum Tor.« Dann drehten sie sich und rannten auf der Straße den Weg zurück, den sie gekommen waren.

Einen Augenblick sah Lysandra ihnen nach. Mit ihren hohlwangigen Gesichtern und den ausgemergelten Körpern sahen sie aus wie Marionetten, die Krieg spielten. Sollten die Orks mehr als nur einen Scheinangriff gegen das Andergaster Tor führen, dann würden diese Kinder sie nicht aufhalten können.

Die Stadt war dem Untergang geweiht, und Lysandra stand hier mit der Keule, die einst Tairach seinen blutdurstigen Priestern geschenkt hatte. Sie durfte keine Stunde länger in Greifenfurt bleiben. Doch allein würde sie es nicht schaffen.

Pfeifend zog ein Felsbrocken über ihr durch die Luft und schlug krachend in ein Häuserdach auf der anderen Straßenseite ein. Zersplitterte Schieferschindeln fielen vor ihren Füßen in den Schnee. Sie mußte zu ihren Leuten in den Quartieren der Stadtwache! Marcian hatte vor einer Woche die letzten Pferde dorthin bringen lassen, weil immer mehr Bürger Zuflucht in der Garnison suchten. Neben den Kaltblütern waren das die letzten Pferde der Stadt. Es schien fast, als habe es das Schicksal so gewollt. Ja, sie sollte die Stadt verlassen! Das konnte kein Zufall sein!

Die Amazone begann zu rennen. Links von ihr sammelten sich Bogenschützen auf der alten Stadtmauer.

»Für Brin!« schrie eine Frau, und die anderen nahmen ihren Schlachtruf auf.

Lysandra hatte das Ende der Straße erreicht. Schräg gegenüber lag das hohe Tor der Stadtwache. Unmittelbar daneben hatten die Bürger aus zerbrochenen Möbeln, Erde und festgestampftem Schnee eine Barrikade auf der Straße die in den Osten der Stadt führte, errichtet.

»Macht Platz!« Hinter ihr ertönte dumpfer Huf schlag und das Rasseln eines schweren Wagens. Lysandra preßte sich gegen die Mauer.

Eines der Fuhrwerke, das von Himgis Sappeuren beschlagnahmt worden war, ratterte von zwei mächtigen Kaltblütern gezogen, an ihr vorbei. Auf der Ladefläche des Karrens kauerten einige Soldaten.

Der Wagen ging in die Kurve und bremste. Die Krieger sprangen herab und machten sich an zwei Hornissen zu schaffen, die von Planen bedeckt gewesen waren.

»Los! Beeilt euch ihr Memmen, oder die Orks werden euch noch Beine machen!« erscholl die Stimme eines Weibes.

Lysandra überquerte die Straße und hämmerte mit dem Knauf der Keule gegen das eisenbeschlagene Tor. Hinter ihr ertönten noch immer die Rufe der Soldaten, die die beiden Geschütze in Stellung brachten. Der Wind zerrte mit eisigen Fingern an ihrem Umhang.

Ein Schatten fiel auf das hohe Tor.

Eine dunkle Stimme schien mit dem Wind zu klingen. Eine Stimme, der es schwerfiel, Worte in der Sprache der Menschen zu formen.

Du wirst meinen Weg gehen!

Krachend schlugen die Flügel des Tors zurück. Von innen ertönte ein Alarmruf.

Erschrocken blickte sich Lysandra um, doch auf der Straße waren nur die Soldaten zu sehen, die die Hornissen hinter der Barrikade in Stellung brachten.

Bewaffnete kamen auf den Hof, der hinter dem Tor lag, gelaufen. Lysandra hob die Keule aus dem Heiligtum hoch über ihren Kopf. »Ruhig Leute. Movert! Robak! Sucht die besten aus, die noch übrig sind und macht die Pferde bereit. Wir werden das hier aus der Stadt bringen.«