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Damit stieß sich der Orkgeneral den kupfernen Dolch in die Kehle, so daß sein Blut in pulsierende Fontänen gegen das Bildnis des Gottes spritzte. Stöhnend versuchte der Ork sich auf den Beinen zu halten. Er klammerte sich an den kalten, schwarzen Stein der Tairach-Statue und huldigte mit immer leiser werdender Stimme seinem Gott. Schließlich verließ Sharraz die Kraft, die ihm so viele Siege in seinem langen Leben als Krieger geschenkt hatte, und er rutschte zu Boden, so daß sein mächtiger Leib den verstümmelten Körper Vanas bedeckte. Ein letztes Mal bäumte er sich noch auf und hob mit verzweifelter Kraftanstrengung den Kopf, um in das Gesicht der Toten Sklavin zu blicken.

Dann sank er nach vorn. Ein dünner Strom seines Blutes floß zwischen den Brüsten Vanas herab zu ihrer Scham, fast als wolle Sharraz sich im Tod auf makabre Weise noch ein letztes Mal mit ihr vereinen.

Uigar Kai spuckte auf den Leichnam des Generals. »Was hat diese Stadt aus dir gemacht, Sharraz? Ist es das, was uns alle erwartet, wenn wir in den steinernen Zelten der Menschen herrschen, statt in der weiten Steppe als Jäger tagtäglich ums Überleben zu kämpfen?«

Der Hohepriester schüttelte den Kopf. »Gamba, lösche die Räucherpfannen und schlage sie wieder in das Tuch ein, das du von meinem Pony geholt hast.«

Der Schamane nahm den gewundenen, schwarzen Stab, den er an die Wand gelehnt hatte, als er in die Kultstätte eingetreten war und ging mit schlurfenden Schritten zum Eingang. Als er schon im Tunnel stand, drehte er sich noch einmal zu dem Druiden um.

»Die Geister meiner Ahnen haben mir voller Verachtung zugeraunt, woran Sharraz dachte, als er starb. Er war überzeugt, immer recht gehandelt zu haben, weil er alle Anweisungen eines Boten, den ihm angeblich Tairach geschickt haben soll, genau befolgt hat. Doch das ist nicht alles! Sein allerletzter, frevlerischer Gedanke war, ob er wohl die Menschensklavin dort treffen würde, wohin er seine Reise angetreten hatte.«

Uigar blickte Gamba lange an, und der Druide begann sich immer unwohler zu fühlen. In dem Schweigen des Schamanen schien eine Drohung zu liegen. Ob er wohl daran dachte, auch ihn noch zu töten? Dann wäre Uigar der einzige, der diese Höhle wieder lebend verließ.

Die Stimme des Schamanen klang sehr alt, als er endlich das Schweigen brach. »Manchmal frage ich mich, ob es meinem Volk nicht großen Schaden bringt, wenn wir uns mit euch verweichlichten Menschen abgeben. Wer kann sich seine Kraft erhalten, wenn er sich in Zelten aus Stein verbirgt, erntet statt jagt und anfängt, eure törichten Gedanken zu denken. Vielleicht wäre es besser, euch alle zu Tairach zu schicken.«

Uigar Kai drehte sich um und Augenblicke später hatte ihn das Dunkel des Tunnels verschluckt. Nur seine schlurfenden Schritte klangen Gamba noch lange in den Ohren.

9

Fröstelnd rieb Darrag die Hände. Es hatte wieder angefangen zu schneien, und er stand nahe dem halbverfallenen Henkersturm auf Wache. Am späten Nachmittag, nachdem Lysandra aus der Stadt geflohen war, hatten die Orks es geschafft, den verlorenen Boden wiedergutzumachen. Die Schwarzröcke kontrollierten jetzt den östlichsten Teil der Stadt. Auch das Andergaster Tor war verloren, und es bestand die Gefahr, daß sie am nächsten Tag von der Garnison und dem Westteil Greifenfurts abgeschnitten würden. Darrag stampfte mit den Füßen und hauchte auf seine kalten Hände. Er hatte es nicht einmal geschafft, die Kinder und die Alten von hier fortzubringen. Weil die Orks schon in seinem Rücken waren, konnte er sie nicht ohne Begleitung zur Garnison schicken, doch hatte er viel zu wenig Krieger, um auch nur einen zu entbehren. Also hatte er alle zunächst einmal im Rondra-Tempel untergebracht. Dort würden sie einigermaßen sicher sein. Der Schmied blickte über die finsteren Ruinen, die sich rings umher gegen den Nachthimmel abzeichneten. Was war aus der Stadt geworden? Greifenfurt, einst größte und reichste Stadt der Markgrafschaft, war jetzt nur noch ein Trümmerhaufen.

Wie schön war das Leben hier unter dem Markgrafen Shazar dem Pflanzer gewesen. Die Dinge gingen in geordneten Bahnen, der Handel florierte, und daß es einmal einen Krieg gegeben hätte, daran konnten sich nicht einmal die Alten mehr erinnern.

Es war in dem ersten Frühling, in dem Shazar regierte, als Misira ihm die Hand zum Verlöbnis gereicht hatte. Darrag erinnerte sich noch gut, wie er bei ihrem Vater, dem Zunftmeister der Fleischhauer, vorgesprochen hatte. Er hatte ein Messer als Geschenk mitgebracht, und Misira hatte ihn später immer damit aufgezogen, daß er sie um den Preis eines guten Messers ihrem Vater abgehandelt hatte.

Darrag ging ein wenig auf und ab, um sich warmzuhalten. Dabei achtete er darauf, immer hinter Barrikaden oder Häuserruinen in Deckung zu bleiben. Die Vorposten der Orks waren nur wenige Schritt weit entfernt. Erst vor zwei Stunden war ein unvorsichtiger Botenjunge, der von der Garnison kam, durch einen Pfeil verletzt worden.

Wieder schweiften die Gedanken des Schmieds zurück zu der glücklichen Zeit, die er mit Misira verlebt hatte. Selbst die Besatzung der Orks und die Regierung von Sharraz Garthai waren noch vergleichsweise gut gewesen. Das wirkliche Unglück hatte mit dem Tag begonnen, an dem Marcian in Greifenfurt erschienen war. Viele dachten mittlerweile so, und würde ihnen der Orkgeneral noch einmal dasselbe großmütige Angebot zur Übergabe machen, dann würde Marcian Greifenfurt verlieren. Die Bürger waren es müde zu kämpfen; sie wollten sich endlich wieder einmal satt essen und nicht Tag für Tag um ihr Leben bangen.

Doch die Zeit für Verhandlungen schien vorbei zu sein. Fast jeder hatte in dieser Belagerung Menschen verloren, die er liebte, und viele glaubten mittlerweile, daß allein Praios ihnen noch helfen könnte. Täglich schlossen sich mehr Verrückte den Flagellanten um den alten Glombo Brohm an. Sie waren der Überzeugung, durch ihr asketisches Leben und das tägliche Geißeln würden sie die Gnade des Gottes gewinnen.

Dummköpfe! Darrag hatte schon lange den Glauben an göttliche Gnade verloren. Warum hatte Rondra seine Frau nicht beschützt, wo sie doch so tapfer für die Göttin des Krieges gestritten hatte? Warum mußte sein Sohn am Wundfieber sterben? Marrad hatte nicht einmal Jünglingsalter erreicht. Alles, was ihm von seiner Familie noch geblieben war, war seine kleine Tochter Jorinde. Seit Marrads Tod hatte er viel Zeit mit ihr verbracht. Darrag hatte ihr eine Puppe gebastelt, obwohl er mit seinen groben Fingern kaum in der Lage war, Nadel und Faden zu halten, er hatte ihr Märchen erzählt und sie nachts in den Schlaf gewiegt. Sie sollte nicht auch noch denken, daß sie ihm gleichgültig sei.

Tagsüber, wenn er auf Wache war, kümmerte sich Cindira um das kleine Mädchen. Die dunkelhaarige Frau war so anders als Marcian. Was sie an diesem hartherzigen Mann nur finden konnte?

Jedenfalls wäre Darrag sehr zufrieden, sobald Marcian die Stadt verlassen hätte. Dann würde alles besser werden! Die Leute sagten, das Unglück würde an dem Kommandanten haften. Nun, zumindest was ihn selber anging, stimmte das, dachte Darrag grimmig. Marcian hatte Tod und Verderben nach Greifenfurt gebracht, und er selbst hatte dadurch Weib und Kind verloren.

Aber bald würde Brin mit einer Flotte den Fluß hinauf gesegelt kommen, und alles Leid hätte ein Ende. An dem Tag, an dem sein Sohn durch einen Pfeil verletzt worden war, hatten Nyrilla und Arthag diese Botschaft gebracht, und seitdem klangen täglich Hunderte Gebete zum Himmel, daß Praios und Rondra den Prinzen beschützen mochten und Efferd den Schiffen einen günstigen Wind schicke. Doch bisher war kein Segel am Horizont aufgetaucht.

Doch wenn Brin sich zu lange Zeit ließ, würde es keinen mehr geben, der nach den Schiffen Ausschau halten konnte. Die Lebensmittelrationen waren so knapp, daß selbst wenn man seine ganze Tagesration auf einmal aß, der Hunger nicht verging. In zwei Wochen würde das große Sterben beginnen. Schon jetzt war eine Verwundung das Todesurteil. Bei dem kärglichen Essen siechten die Verletzten dahin, ohne sich von ihren Wunden zu erholen. Die Therbuniten unterhielten mittlerweile sechs oder sieben Hospize in der Stadt. Seit Einbruch des Winters gab es immer mehr Kranke. Kinder und Alte starben an Unterernährung, viele hatte ein seltsames Fieber gepackt, das in der Stadt umging, und manche waren sogar an der blauen Seuche erkrankt.