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»Im Wasser scheint dein Gott wohl all seine Macht verloren zu haben«, höhnte er leise.

Dann trafen die ersten Bootsleute ein und bestürmten ihn mit Fragen, was denn passiert sei, doch für den Ordensritter kam jede Hilfe zu spät. Obwohl die Schiffer mit langen Stangen die Unglücksstelle absuchten, blieben Roß und Reiter verschwunden. Einige der Leute schlugen ein Götterzeichen oder murmelten ein kurzes Gebet. Andere schienen ihn verstohlen aus den Augenwinkeln zu beobachten.

Man munkelt, daß Eure Anwesenheit Unglück bringt, hatte ihm der Ordensritter gesagt. Nun, dieses Gerücht hatte jetzt wohl neue Nahrung erhalten.

Zerwas ging zu seinem Pferd zurück. Männer wie Frauen wichen seinem Blick aus. Mit Schwung sprang er in den Sattel.

Durch das Unglück und die Suche nach dem Ritter hatte sich der Marsch des Heeres über die schmale Brücke um mehr als eine halbe Stunde verzögert. Vielleicht würden sie jetzt erst im ersten Tageslicht die Orks angreifen können. So mochten die Schwarzröcke sie früh genug entdecken, um etwas gegen den Angriff zu unternehmen.

Phileasson stand direkt hinter der hochgewachsenen, rothaarigen Ragnild am Bug eines Schiffes. Es würde noch Stunden bis Tagesanbruch dauern, und die Finsternis war so dicht, daß die Sicht nur wenige Schritt weit reichte. Sein schlankes Schiff kam mit der schweren Ladung nur langsam vorwärts, obwohl sich die ganze Mannschaft an den Riemen abmühte. Etliche Klafter Holz türmten sich zwischen den Ruderbänken.

»Ich spüre die Nähe der Orks«, murmelte Ragnild leise.

»Wo?« Phileasson widmete seine ganze Aufmerksamkeit der jungen Frau aus Olport. Sie sollte die Schiffe sicher in die Mündung der Ange führen und mit ihren besonderen Fähigkeiten für das Gelingen seines tollkühnen Plans sorgen.

»Voraus liegt die Landzunge.«

Der Thorwaler kniff die Augen zusammen und spähte in die Finsternis, doch konnte er beim besten Willen nichts erkennen.

»Sie haben dort Erdwälle aufgeworfen, hinter denen Böcke und Rotzen verborgen stehen.«

»Welchen Kurs müssen wir nehmen?«

»Laß das Schiff leicht nach Backbord abfallen.«

Phileasson drehte sich um und winkte dem Jungen zu, der rittlings auf dem Holzstapel mittschiffs saß. Die Ladung versperrte die Sicht und durch Rufe zum Steuermann hätten sie sich verraten. Der Junge drehte sich um und gab Phileassons Zeichen weiter.

Augenblicke später durchlief ein Zittern die Otta. Das Schiff war in die stärkere Strömung der Ange gedreht.

»Wir kommen den Stellungen der Schwarzröcke immer näher«, flüsterte Ragnild. »Ich werde jetzt meinen Zauber weben.«

Die Olporterin murmelte einige Worte und formte ihre Hände zu einer flachen Schale, in die sie hineinbließ. Unmittelbar vor ihr bildete sich Nebel in der Finsternis.

Phileasson hatte Ragnild schon oft bei diesem Zauber zugesehen, doch war er jedesmal aufs neue beeindruckt. Nebel aus dem Nichts entstehen zu lassen, daß war äußerst praktisch, wenn es erforderlich war, ungesehen einen Hafen zu verlassen, was bei seinen Geschäften durchaus schon des öfteren vorgekommen war.

Nun blieb nur zu hoffen, daß die Schwarzpelze keinen Verdacht schöpften. Sollte ein Schamane unter den Wachen sein, mochte er vielleicht erkennen, was hier vor sich ging.

Das Schiff war unterdessen immer langsamer geworden. Männer wie Frauen stemmten sich mit aller Kraft gegen die langen Ruder und hatten Beißhölzer zwischen die Zähne geschoben. Würden die Orks jetzt das Feuer eröffnen, wäre es eine Kleinigkeit, seine Flottille aufzureiben. Jeder Fußgänger wäre schneller als die Ottas. Außerdem mochte die Entfernung zur Landzunge höchstens zwanzig Schritt betragen. Wahrscheinlich weniger. Selbst ein Husten konnte sie jetzt schon verraten. Dabei wäre es möglich, durch einen anderen Zauber auch alle Geräusche verstummen zu lassen. Doch Brin hatte nicht genug Magier in seiner Armee. Es hatte nur dazu gereicht, auch den beiden anderen Ottas Zauberkundige mitzugeben, die sich auf die Kunst verstanden, Nebel zu erschaffen.

Ein Felsen schrammte am dünnwandigen Schiffsrumpf entlang. Phileasson zuckte zusammen. Die Ange war wesentlich schmaler als die Breite und selbst bei Hochwasser im Grunde nicht für Schiffsverkehr geeignet. Die Strömung war reißend, und obwohl das Wasser jetzt mehr als drei Schritt höher stand als im Sommer, ragten überall Felsen aus dem Wasser.

»Nach Steuerbord«, raunte Ragnild.

Der Thorwaler gab das Zeichen nach hinten weiter.

Vernünftig war es nicht, seine Schiffe und das Leben seiner Leute bei diesem Unternehmen zu riskieren. Beute würden sie kaum machen, auch wenn der Prinz ihm alles versprochen hatte, was in dem Lager auf der Landzunge zu finden war. Die Orks hatten mit Sicherheit längst alles von Wert nach Khezzara geschickt.

Jetzt konnte auch Phileasson das weiß schäumende Wasser um den Felsen erkennen, dem sie mit dem Steuermanöver ausgewichen waren. Die Nachtsicht der Olporterin war ihm beinahe schon unheimlich. Wahrscheinlich erklärte sich diese Begabung daraus, daß in dieser nördlichsten Stadt Thorwals die Winter besonders lange dauerten und es an vielen Tagen erst gar nicht hell wurde. Oder sollte auch das außergewöhnliche Sehvermögen mit Ragnilds magischen Fähigkeiten zusammenhängen?

Phileasson beugte sich vor, um besser zu sehen. Die Landzunge steuerbord war noch immer hinter dem Nebel verborgen, und voraus tauchten erneut bedrohliche Klippen im Fluß auf.

Langsam wurde der Thorwaler nervös. Die Sonne war schon vor mehr als einer halben Stunde aufgegangen, und Ragnild wirkte immer erschöpfter. Lange würde sie ihren Zauber nicht mehr aufrecht erhalten können. Immer mehr Löcher klafften in der Nebelwand, die sie über den Fluß gelegt hatte. Mehr als zwei Stunden war es her, daß sie eine günstige Stelle hinter einer Flußbiegung gefunden hatten, wo sich ihr Plan verwirklichen ließ. Sie hatten die sperrigen Holzanker über Bord geworfen und die Schiffe so vertäut, daß es möglich war auch hier eine Schiffsbrücke zu bauen. Die Ange war an ihrem Ankerplatz nicht einmal zwanzig Schritt breit, und die Brücke aus den Baumstämmen, die sie geladen hatten, war in etwas mehr als einer Stunde fertig gewesen. Sicher kein Prachtbau, aber es würde ausreichen, um die Reiter den reißenden Fluß passieren zu lassen. Doch lange würde Phileasson hier nicht mehr bleiben. Sollte ein Spähtrupp der Orks von dem etwa zwei Meilen weiter südlich gelegenen Lager den Fluß hinauf ziehen, dann würden sie unweigerlich entdeckt werden.

Der Kapitän blickte zum Ostufer. Fünfzig vollbewaffnete Thorwaler standen dort, bereit einen etwaigen Angriff aufzufangen. Doch wie lange würden sie standhalten können? Selbst wenn die Orks nicht mehr Krieger hätten, wäre er wohl kaum in der Lage, ihre Geschützstellung zu erobern. Phileasson fluchte und spuckte in den gurgelnden Fluß.

Es war wieder eine halbe Stunde vergangen, als endlich einer der Posten auf dem westlichen Ufer einen Falkenruf imitierte und sich kurz aus denn Schnee erhob, und mit übertriebener Geste auf das Hinterland zeigte. Das mußten sie sein! Mit weit ausholenden Schritten rannte Phileasson über die schwankende Brücke, erklomm den Hügel am Ufer und warf sich neben dem Wachtposten flach in den Schnee, damit man ihn vom Lager der Orks aus möglichst schlecht sehen konnte.

Fast eine Meile entfernt war zwischen den verschneiten Hügeln ein eigenartiges Funkeln zu sehen. Sonnenlicht, das sich auf polierten Waffen spiegelt, ging es dem Thorwaler durch den Kopf. Doch es konnte auch ein Lichtreflex auf einem Eisblock sein.

Plötzlich war das Funkeln verschwunden, um wenige Atemzüge später an einer anderen Stelle erneut aufzutauchen.

»Sie sind es!« seufzte die Frau neben ihm erleichtert. »Endlich!«