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»Ich laß dich kielholen. Wirst du wohl den Befehlen deines Admirals gehorchen!«

Das Lächeln der Heilerin war zu einer Maske erstarrt. »Ihr kennt das kaiserliche Seekriegsrecht mit Sicherheit besser als ich, Admiral. Also wißt Ihr, daß ich nicht Eurer Befehlsgewalt unterstehe. Außerdem habe ich wichtigere Dinge zu tun, als mit Euch zu streiten.«

Ohne ein weiteres Wort drehte die Frau ihm den Rücken zu und kümmerte sich um einen neuen Verwundeten, der vor ein paar Momenten hereingetragen worden war.

Sanin schlug die Decke zurück. Er mußte hier raus! Sein rechtes Bein war bandagiert. Den Stiefel hatte man aufgeschnitten und weggeworfen. Vorsichtig schwang er das verletzte Bein über die Bettkante. Wieder wurde ihm schwindelig. Der Raum begann um ihn zu tanzen, die Lichter an der Decke schienen immer heller zu werden.

Langsam belastete er das rechte Bein. Es schmerzte kaum. Vermutlich hatten die Heilkräuter unter dem Verband auch eine betäubende Wirkung. Dafür war ihm wieder schwindelig, kaum daß er die Augen öffnete. Egal! Er mußte zurück auf Deck, mußte wissen, wie es um sie stand und ob der Prinz erfolgreich gewesen war.

Taumelnd kam Sanin auf die Beine und machte den ersten Schritt.

»Legt Euch sofort wieder hin!« erscholl die Stimme der Heilerin. Geh zu Boron, du Hexe, dachte Sanin bei sich, machte noch zwei Schritt vorwärts und stützte sich dann schwer auf den Tisch, auf dem ein Verwundeter zur Notoperation bereit lag.

Jemand packte ihn am Arm. Sanin blickte auf. Der bärtige Helfer der Heilerin stand vor ihm.

»Laß mich sofort los, du Bastard«, zischte der Admiral.

»Du kommst vors Kriegsgericht, wenn du mich daran hinderst, nach oben zu gehen.«

Der Mann tauschte einen Blick mit der blonden Frau, dann ließ er ihn los.

»Gut so«, brummte Sanin und stieß sich von dem Tisch ab. Er durfte nicht zusammenbrechen! Wenn er schlappmachte, würden die beiden ihn wieder ins Bett zerren und ihm vermutlich noch einen Schlaftrunk einflößen, damit er Ruhe gab.

Der Admiral trat auf irgendeinen weichen Gegenstand. Ein Mann schrie auf. Nur noch zwei Schritt dachte Sanin. Noch einer ...

Zwei Gestalten mit einer Trage kamen die steile Treppe vom Oberdeck herab. Die Männer starrten ihn verwundert an.

»Los, schafft mich an Deck. Das ist ein Befehl!«

Sanin klammerte sich an den Türrahmen. Wieder wurde ihm für einen Moment schwarz vor Augen. Dann spürte er, wie ihn starke Arme packten.

»Holt mir einen Stuhl aus meiner Kajüte. Macht schon!« Der Admiral biß sich auf die Unterlippe. Er zitterte am ganzen Körper. Die wenigen Schritte bis zur Tür hatten ihn all seine Kräfte gekostet.

Im Süden türmten sich dunkle Wolkengebirge am Himmel. Ein frischer Wind blies den Großen Fluß hinauf. Der Admiral sog gierig die kalte Luft ein. Er saß in einem hölzernen Lehnstuhl auf dem Kajütendach des Widders und lenkte von dort aus das Gefecht. Der Südwind trieb beißenden Rauch über das Deck. Eine der Flußgaleeren aus Havena war in Brand geraten und trieb steuerlos flußabwärts. Vermutlich hatte es auch dort einen Unfall mit dem Hylailer Feuer gegeben.

»Mistzeug«, brummte Sanin vor sich hin. Und doch war es zur entscheidenden Waffe geworden. Das Hauptlager der Orks stand in Flammen. Seit der Prinz die Stellung auf der Landzunge angegriffen hatte, konzentrierte die Flotte das Feuer aller Geschütze auf das Hauptlager, um nicht Gefahr zu laufen, auch die eigenen Truppen zu beschießen.

Das wird ein kalter Winter für die Schwarzröcke werden, dachte der Admiral. Sie hatten durch die Brände einen großen Teil ihrer Zelte verloren. Eine Garnison oder irgendein festes Lager, in das sie sich zurückziehen konnten, gab es seines Wissens nicht.

Auf dem Erdwall an der Landzunge war die Fahne des Kaiserreichs aufgesteckt worden. Dort schienen noch immer einige Orks Widerstand zu leisten. Doch mehr und mehr der blutroten Fahnen, die die Schwarzpelze führten, fielen zu Boden. Der Greif, das Wappentier des Reiches, triumphierte über Tairach.

Es war an der Zeit, die letzte Phase der Schlacht einzuleiten. »Navigator!«

Der Mann, der dicht neben dem Katapult der Zwerge gestanden hatte, drehte sich ruckartig um. »Laßt den blaugoldenen Wimpel setzen.«

Der hochgewachsene Mann starrte ihn einen Moment mit offenem Mund an. Dann stammelte er: » ... aber Admiral. Parallel zum Fluß stehen immer noch jede Menge intakte Geschütze. Wenn wir jetzt der Flotte Befehl geben, in die Mündung der Breite einzulaufen, dann ist das schon fast so, als würden wir uns selbst versenken. Außerdem zieht ein Sturm auf.«

»Genau deshalb will ich die Schiffe jetzt durchbringen. Mit dem Wind im Rücken werden die schweren Pötte wenigstens vernünftig Fahrt machen. Das Schneetreiben, das mit dem Sturm einsetzen dürfte, wird den Orks die Sicht nehmen, und wir können uns mit den gepanzerten Schiffen bis dicht ans Ostufer wagen. Dann werden sie uns beschießen und nicht die Schiffe mit dem kostbaren Nachschub.«

»Aber ...« Der Navigator blickte entsetzt auf den Admiral herab, der in eine Decke gehüllt auf seinem Stuhl thronte.

»Unser Auftrag lautet, dafür zu sorgen, daß die Versorgungsschiffe bis Greifenfurt kommen. Nur deshalb sind wir hier. Wir müssen den Sieg des Prinzen nutzen und jetzt alles auf eine Karte setzen. Los, laß endlich den Wimpel setzen.«

»Aye, Admiral.«

Der Navigator machte sich an einer kleinen Kiste neben, dem Mast zu schaffen und holte ein blaugoldenes Stück Stoff heraus. Dann knüpfte er den Wimpel an ein Seil und zog es am Mast hinauf, bis es hoch über dem Krähennest leise knatternd im Wind stand. Die goldene Scheibe auf blauem Grund war eines der ältesten Symbole des Praios. Ein Zeichen dafür, daß der oberste der Zwölfgötter und seine Diener über alle Widrigkeiten triumphierten.

Sanin drehte sich um und blickte den Fluß zurück. Es begann jetzt schnell dunkler zu werden. Die Wolkenberge hatten sich näher herangeschoben und verfinsterten schon den ganzen südlichen Himmel. Auch die vier anderen Schiffe hißten den blaugoldenen Wimpel. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Flotte beim Hauptlager ihre Anker hievte.

Die Kapitäne hatten den Auftrag gehabt, sofort nachdem die Reiter aufgebrochen waren, das Hauptlager abzubrechen und alle verbliebenen Männer an Bord zu nehmen, um für einen schnellen Aufbruch bereit zu sein. Ein wenig besorgt blickte Sanin auf den beinahe schon schwarzen Himmel im Süden. Hoffentlich war die Schiffsbrücke schon abgebrochen. Ein Sturm würde sie auseinanderreißen wie ein Spielzeug und die Schiffe kentern lassen.

Völlig erschöpft und durchgefroren zog sich Kolon das Ufer hinauf. Er hatte sich an einer der Baumsperren, die dicht unter der Wasseroberfläche verborgen lagen, durch den Fluß gezogen. Das war wohl das letzte, was die Flotte noch aufhalten mochte. Unweit der Ufer hatte er im seichten Wasser mächtige Pfähle ins Flußbett rammen lassen. Sie dienten als Anker für drei Reihen von aneinandergeketteten Baumstämmen. Diese Barriere würde dafür sorgen, daß die kaiserlichen Schiffe genau unterhalb der Geschütze des Haupt-Jägers zum Stehen kamen. Aber was nutzte ihm die Gewißheit dieses letzten Triumphs? Er hatte sein Lager verloren. Mehr als zweihundert Krieger, die Sadrak Whassoi ihm anvertraut hatte, waren tot.

Kolon war verantwortlich für die Planung der Lager und dafür, daß kein Schiff die Breite hinauf segeln konnte. Und er hatte versagt. Der Zwerg wußte nur zu gut, was das bedeutete. Ihm würde es nun nicht besser gehen als Sharraz Garthai, über den er falsches Zeugnis abgelegt hatte. Er hatte den Orkgeneral in ein möglichst schlechtes Licht gerückt, als Uigar Kai ihn nach den Leistungen von Sharraz ausgefragt hatte, und ihm war klar gewesen, welche Konsequenzen das haben würde.

Und jetzt hatte er selber direkt unter den Augen des Schwarzen Marschalls versagt.

Kolon hatte sich aufgeplagt und spähte vorsichtig die Uferböschung hinauf. Ein Sturm zog auf. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er losbrach. Wenn er nicht erfrieren wollte, mußte er bis dahin trockene Kleider haben. Schon war sein Bart voller Eiskristalle, und die nassen Kleider begannen steif zu werden. Er würde das Lager umgehen und einen der Vorposten niederstechen.