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Zitternd streifte der Zwerg die Kleider ab. Das Spiel war aus. Er konnte dem Marschall nicht mehr unter die Augen treten. Nur zu gut wußte er, was die Orks mit Verbündeten machten, die versagt hatten. Er war selber schon dabei gewesen, wie man Männer und Frauen gepfählt hatte. Eine bestialische Art zu sterben. Manchmal dauerte es mehr als einen Tag, bis ein Gepfählter an den inneren Verletzungen gestorben war. So lange hing er auf dem Speer oder der zugespitzten Holzstange und litt unerträgliche Qualen. Selbst die härtesten Krieger begannen da um Gnade zu winseln. Kolon hatte alle Kleider abgestreift und schlich geduckt am Ufer entlang. Im eisigen Wind tanzten die ersten Schneeflocken. Der Zwerg fluchte. All das Gold, das er in der Zeit zusammengetragen hatte, als er der Geschützmeister des schwarzen Marschalls gewesen war, mußte er nun auf seinem Packpferd im Lager zurücklassen. Nichts war ihm geblieben. Nur der Dolch, den er mit rotgefrorenen Fingern umklammerte und die Kleider, die er dem Wächter abnehmen würde, der sein Opfer werden sollte. Angrosch mußte ihn verlassen haben, und selbst Kor, der Gott der Söldner, dem er schon so lange huldigte, schien ihm nun seine Gunst entzogen zu haben.

Aber er würde daraus lernen. Vor allem würde er in eine Gegend aufbrechen, in der es nicht so kalt war wie hier und wo es keine Orks gab. Vielleicht würde er in Al’Anfa oder Mengbilla als Söldner unterkommen? Ein guter Geschützmeister konnte in diesen Zeiten fast überall sein Brot verdienen.

Als Kolon sich vom Uferstreifen abwandte und begann, die flache Böschung zu erklimmen, fing es an zu schneien. Wie tausend Nadeln stachen die Schneeflocken in die Haut des nackten Zwerges. Er mußte sich nun beeilen. Lange würde er in der Kälte nicht mehr überleben.

Im dichten Schneetreiben waren die Uferstreifen beinahe nicht mehr zu erkennen. Admiral Sanin hatte eine dicke Wolldecke um die Schultern geschlungen und versuchte, im Zwielicht die Bewegungen der Orks auszumachen.

Ein Stück vor ihm standen frierend die Zwerge, die das Katapult auf dem Kajütendach zu bedienen hatten. Immer wieder schlugen sie sich mit den Armen gegen die Brust oder stampften mit den Füßen auf. Seitdem sie ihr Katapult aus der Verankerung am Deck gelöst und es so gedreht hatten, daß sie nun zur Seite hin das Ufer beschießen konnten, war für sie nichts mehr zu tun gewesen. Sanin hatte an alle Schiffe den Befehl gegeben, mit Anbruch des Schneetreibens das Feuer einzustellen, damit die Orks nicht erkennen konnten, wo sich die Flotte befand. Wahrscheinlich wäre es schon dunkel, bevor die ersten Lastschiffe die Flußmündung erreichten. Alle Bordlichter waren gelöscht worden, und nicht einmal Hornsignale durften mehr gegeben werden. Das Schicksal der Schiffe hing nun allein vom Geschick ihrer Lotsen ab.

Sanin war sich sehr wohl der Gefahr bewußt, daß es unter solchen Bedingungen leicht zu Kollisionen kommen konnte, doch dieses Risiko schien ihm geringer zu sein, als nur Zielscheibe der Orks zu werden. Erst wenn die Orks erkannt hatten, daß die Flotte in die Breite einlief, würde man zumindest an Bord der gepanzerten Schiffe wieder Lichter anstecken. Sie sollten dann das ganze Feuer der Geschütze auf sich ziehen.

Seitlich an der Reling drängten sich etliche Armbrustschützen. Das Schiff würde sich dem Lager der Orks so weit nähern, daß auch Schußwaffen mit geringer Reichweite zum Einsatz kommen konnten. Auch die Magier der Flotte, die sich samt und sonders auf den drei von Meister Leonardo entworfenen Schiffen befanden und bislang unter Deck in Sicherheit gewesen waren, mochten auf diese kurze Entfernung ihre tödlichen Künste entfalten.

Plötzlich durchlief ein Zittern das Schiff. Dutzende Seemänner und Soldaten riß es von den Beinen. Überall war leises Fluchen zu hören.

Ob sie eine Sandbank gestreift hatten? Sanin spielte unruhig mit den Fingern auf den Stuhllehnen. Aber was war das? Die Widder machte eine Drehung nach Steuerbord. Gleich würde das Schiff quer zur Strömung liegen!

Der Navigator kam die Stiege zum Kajütendach hinaufgehetzt. »Ein Hindernis ...« stammelte er atemlos. »Wir sind auf eine Sperre aufgelaufen, die sich quer durch den Fluß zieht.«

»Was für eine Sperre?«

Der schlaksige Mann zuckte mit den Schultern. »Das wissen wir noch nicht. Sie liegt knapp unterhalb der Wasseroberfläche. In dem Schneetreiben ist nichts zu erkennen. Ich werde ein paar Männer an Seilen an der Bordwand herablassen, die sollen überprüfen, womit wir es zu tun haben und dann...«

Mitten im Satz wurde der Navigator von den Beinen gerissen und gegen die Bordwand geschleudert. Reglos blieb er liegen. Mit dumpfen Schlägen donnerten Gesteinsbrocken gegen die Wand. Überall auf dem Schiff waren Schreie zu hören.

Besorgt blickte Sanin auf ein Loch in der Wand. Die Panzerung hatte dem Schuß nicht standgehalten. Sie lagen zu nahe bei den Geschützen der Orks. Nun galt es, schnell zu handeln.

»Macht den Kran achtern einsatzbereit! Holt das Segel ein und erwidert endlich das Feuer dieser verlausten Schwarzpelze, oder wollt ihr seelenruhig zusehen, wie sie unser Schiff in Trümmer schießen?«

Endlich kam Bewegung in die Leute. Achtern war das laute Knirschen vom hölzernen Ausleger des Krans zu hören. Die Geschützmeisterin hatte sich an einer Lunte eine neue Zigarre angezündet und überprüfte noch einmal ihr Katapult.

Wieder schlugen einige Steinkugeln donnernd gegen die Schiffswand. Diese Hunde haben dazugelernt, dachte Sanin, während er versuchte, das andere Ufer zu erkennen. Nicht ein Feuer schien im Lager der Orks zu brennen, und es war unmöglich, in dem dichten Schneetreiben auszumachen, wo genau die Geschütze der Feinde standen. Worauf die Geschützmeisterin wohl zielen mochte?

»Wir haben ein Leck zwei Hand oberhalb der Wasserlinie!« erklang eine Stimme von unten. Im selben Moment wurde das Katapult abgefeuert und die Tonkugel stieg leise zischend in den Himmel.

»Zehn Freiwillige sollen mit dem Schiffszimmermann unter Deck gehen«, brüllte Sanin gegen das Sturmgeheul an. »Und macht mir endlich das Geschütz im Bug klar! Wieso wird da noch nicht zurückgeschossen?«

Pfeifend zog eine Salve vom Ufer dicht über das Schiff hinweg.

»Setzt Laternen auf der Rückseite der Kajüte auf. Wenn wir unsere Position nicht kennzeichnen, wird uns noch eine der Galeeren mittschiffs rammen. Wir wollen den Orks doch wohl nicht die Freude machen, uns vor ihren Augen selbst zu versenken, oder?«

Am Ufer stieg eine Feuersäule empor. Es war unmöglich zu erkennen, ob der Treffer einen Schaden angerichtet hatte, doch diente er wenigstens zur Orientierung, denn mittlerweile war es fast vollständig dunkel geworden. Trommelschlag hallte über das Wasser und Fetzen eines eigenartigen Singsangs drangen durch den Sturmwind.

Hoffentlich sind die Magier an Bord vorbereitet, dachte Sanin nervös. Bald würden sie die Macht der Schamanen zu spüren bekommen.

Mittlerweile waren eine ganze Reihe von Feuersäulen am Ufer zu sehen, so daß man auch undeutlich den Erdwall erkennen konnte, auf dem die Geschütze der Schwarzpelze standen. Was sich da im Dunkel zeigte, behagte dem Admiral allerdings gar nicht. Bislang hatten alle seine Schiffe zu weit geschossen. Die Brände mußten im Lager der Orks liegen.

Einige Pfeile schlugen mit metallischem Klang an Deck. Zu zielen war bei dem Sturm unmöglich. Die Bogenschützen mußten blind in die Finsternis geschossen haben und dabei gehofft haben, daß es hin und wieder einen Glückstreffer geben könnte.

Eine ganze Reihe von Brandkugeln schlug entlang der Uferböschung ein. Diesmal hatten die Schiffsgeschütze zu kurz gezielt. Achteraus war lautes Rufen zu hören. Einer der schweren Flußkähne glitt knapp am Heck der Widder vorbei und lief auf die Sperrkette aus Baumstämmen auf.

Sanin fluchte. Diese elenden Süßwasserkapitäne schienen noch immer nicht begriffen zu haben, was hier vor sich ging. Wieder wurden Schreie laut. Ein weiteres Handelsschiff tauchte aus der Finsternis auf. Einen Augenblick lang stand Sanin die Schreckensvision vor Augen, wie ein Schiff nach dem anderen sich an der Sperrkette verfangen würde und sie sich gegenseitig manövrierunfähig machten.