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»Hornist, zu mir!«

»Admiral!« Eine junge Frau kam auf das Kajütendach gestiegen.

»Gib Signal zum Ankern. Und stoß so mächtig wie du nur kannst in dein Horn.«

»Aye, Admiral!« Die Frau setzte das Hörn an die Lippen, doch noch bevor sie den ersten Ton herausbrachte, war backbord ein lautes Krachen zu hören, gefolgt von dem Geräusch splitternden Holzes.

Schwach klangen Schreie und Flüche durch den Sturmwind. Die erste Havarie! Schwach klang das Signal der Hornistin in die Nacht.

Wieder glitt ein Schatten auf das Schiff zu.

Doch diesmal erklang ein Antwortsignal. Erleichtert hörte Sanin das Rattern einer Ankerkette.

Zumindest diese Gefahr war gebannt.

»Schießt, schießt! Haltet es auf!« tönte es vom tiefer gelegenen Deck, während man nun überall in der Finsternis das Klirren von Ankerketten hören konnte.

»Admiral, was ist das?« Die Geschützmeisterin hatte das Katapult verlassen und deutete mit ausgestrecktem Arm nach Osten.

Das Schneetreiben war lichter geworden, so daß man jetzt etwas deutlicher das Lager am Ufer erkennen konnte. Dort ging eine unheimliche Veränderung mit den Bränden vor sich. Die Feuersäulen wurden dünner und stiegen dafür immer höher in den Nachthimmel, um sich schließlich in einem einzigen Punkt weit über dem Lager zu vereinen. Dort entstand eine sich ständig verändernde, gespenstische Gestalt aus Feuer. Mal erschien sie wie ein flammender Hengst, dann ähnelte sie einem vielarmigen Menschen, und schließlich formte sich die Kreatur zu einem riesigen Vogel mit Flügeln wie feurige Kometenschweife.

Mit einem Mal erloschen alle Feuer im Lager der Orks. Nur der Vogel hoch am Himmel blieb bestehen und flog mit bedächtigen Flügelschlägen auf die Widder zu.

»Angrosch beschütze mich und lösche dieses unheilige Feuer«, betete die Geschützmeisterin.

Sanin hatte sich von seinem Sitz erhoben, klammerte sich mit der Rechten an der Reling fest und schlug mit der anderen Hand ein Schutzzeichen gegen böse Geister.

Im Feuerschein des riesigen Vogels war nun die Flotte in der Flußmündung zu sehen. Ein ganzer Wald von Masten, und noch immer kamen von Süden Schiffe nach. Mindestens zwanzig Lastkähne lagen im Moment genau unterhalb der Geschütze, die die Orks auf den Fluß ausgerichtet hatten. Wer immer sich diese Falle ausgedacht hatte, mußte ein fleischgewordener Dämon sein.

Wie ein Greifvogel, der seine Beute schlagen will, stürzte die Flammengestalt nun vom Himmel herab auf das Flaggschiff zu. Sanin warf sich auf den Boden. Einige Männer sprangen kreischend über Bord. Dann war der Feuervogel über ihnen. Die riesigen Schwingen schlossen das ganze Schiff in lodernde Flammen ein, doch noch bevor die erste Feuerzunge das Deck berührte, zuckte ein Gitterwerk bläulicher Blitze rund um das Schiff auf. Die Flammengestalt stieß einen langanhaltenden Schrei aus, dann zog sie sich in den Himmel zurück, um erneut zu einem Sturzflug anzusetzen. Sanin preßte sich die Hände auf die Ohren, während er voller Angst den zweiten Angriff erwartete.

Wieder stand das leuchtende Gitter rund um das Schiff, und der Feuervogel schien kleiner zu werden, während er flügelschlagend versuchte, den magischen Schutz zu durchbrechen. Und dann erloschen plötzlich die Blitze, und mit schrillem Kreischen senkte sich die Flammengestalt, die nun nur wenig größer als ein hochgewachsener Mann war, auf das Vordeck der Widder.

Fast im selben Augenblick entzündeten sich die Tonkrüge mit dem Hylailer Feuer, die dicht neben der schweren Rotze an Deck lagen. Flüssiges Feuer rann über das kupferne Deck. Seeleute wurden zu lebenden Fackeln und stolperten über Bord.

Als würden die Flammen ihm neue Kraft geben, begann der Vogel zu wachsen.

»Weiche von uns, lebende Lohe!« schrie ein Mann in dunkler Robe, der zum Bug des Schiffes rannte.

Sanin beugte sich über die Reling, um besser zu sehen, was geschah. Jetzt erkannte er den Mann. Es war Hakon, einer der neuen Magier, die am Morgen an Bord gegangen waren. Wo mochten seine Kameraden stecken?

Hakon hatte seinen Zauberstab über den Kopf erhoben und ließ ihn einmal um seine Achse rotieren. Für einen Moment schien die Feuergestalt verwirrt zu sein, dann schlug sie mit einem ihrer flammenden Flügel nach dem Zauberer. Doch bevor ihn das Feuer erreichte, zuckte ein Blitz auf, und der Vogel zog sich ein wenig zurück.

Sanin atmete auf. Sollte es möglich sein, daß ein einziger mutiger Mann diese Kreatur aufhalten konnte?

Der Vogel kauerte genau über dem Geschütz am Bug, das in lichten Flammen stand.

Der Admiral spürte die Hitze des Feuers bis zum Kajütendeck, und das obwohl er mehr als zehn Schritt von der Kreatur entfernt war. Auch die mit Kupferblech beschlagene Reling begann sich langsam zu erwärmen. Wenn nicht bald etwas geschah, würde das Schiff in Flammen aufgehen. Inzwischen war die Feuergestalt weiter gewachsen. Mit weit ausgebreiteten Flügeln versuchte sie, Hakon zu umfangen. Rund um den Magier erschien wieder das Muster aus Blitzen, das ihn bisher geschützt hatte. Doch das blaue Leuchten wurde immer schwächer, bis es schließlich ganz von Flammen umfangen war.

Entsetzt wich Sanin von der Reling zurück. Durch das lange Stehen pochte die Wunde an seinem Bein.

Ein gellender Schrei ertönte vom Bug her.

Sanin stürzte. Verzweifelt versuchte er, weiter nach hinten zu kriechen und die Treppe zu erreichen, die vom Kajütendach auf die achtern gelegene Hälfte des Decks führte.

Roter Feuerschein fiel auf ihn und wurde auf unheimliche Art von den Kupferplatten des Schiffes zurückgeworfen.

Voller Angst blickte der Admiral über die Schulter. »Praios schütze mich! Praios schütze mich!« murmelte er unablässig. Die Flammengestalt erhob sich jetzt über den vorderen Teil des Kajütendachs. Ihre Schwingen streiften die letzten drei Tonkrüge mit Hylailer Feuer, die neben dem Katapult lagen.

Die Krüge glühten kurz auf und sprühten dann Feuerfontänen.

Immer höher wuchs der unheimliche Vogel in den Himmel. Sanin fühlte sich wie gelähmt. Seine Glieder gehorchten nicht mehr seinem Willen. Er wollte fort. Wollte die Treppe erreichen, sich ins Wasser stürzen. Leben! Doch alle Kraft war von ihm gewichen. Wie gebannt hob er seinen Kopf, um den gewaltigen Vogel zu betrachten.

Augen, hell wie das Praiosgestirn an einem Sommernachmittag, musterten ihn. Ein Blick, der ausreichte, Menschen zu Asche werden zu lassen. Sanin hatte das Gefühl, sein Innerstes habe Feuer gefangen. Nur ein Augenblick blieb ihm noch zu leben, dann würde eine Flamme aus seinem Körper schlagen und alles vernichten, was er war und einmal sein sollte.

»Praois schütze mich!« murmelte er noch einmal, dann gab er es auf, Widerstand zu leisten.

Doch er verbrannte nicht. Statt dessen stiegen rings um das Schiff Schlangenarme, lang wie Schiffsmasten aus dem dunklen Wasser.

Der Vogel stieß einen schrillen Schrei aus, und Wolken weißen Dampfes stiegen auf, wo die dunklen Arme sein glühendes Gefieder berührten. Wieder hallte ein gellender Schrei über das Wasser. Der Feuervogel versuchte, sich in die Luft zu erheben, doch von allen Seiten schlugen die mächtigen Arme auf ihn ein, und mit jedem Treffer verlor sein rotes Glühen an Kraft. Immer kleiner wurde die Feuergestalt, bis sie schließlich nur noch die Größe einer Taube hatte.

Verzweifelt versuchte der Vogel in den Himmel zu entkommen, so als verhieße ihm das ferne Licht der Sterne Sicherheit. Doch eine schäumende Fontäne erstickte auch den letzten Funken dieses unheimlichen Feuerwesens.

Sanin atmete erleichtert auf. Die gewaltigen Schlangenarme waren wieder verschwunden. Auf dem Fluß herrschte völlige Finsternis. Selbst die Signallampen auf der Rückseite der Widder waren verloschen. Nicht das geringste war zu erkennen. Nicht einmal die Reling, an der er sich jetzt wieder aufstützte, konnte Sanin sehen. Schritte kamen die Treppe hinauf. Dann schien jemand unmittelbar vor ihm stehen zu bleiben. Sanin rieb sich die Augen, doch durch das helle Feuer des Vogels war er geblendet.