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»Was hat er denn von den Geistern erfahren?« höhnte sie. »Vielleicht wo es ein halb verhungertes Rotbüschel zu jagen gibt?« Ihre Leute lachten. Doch es klang nicht wirklich fröhlich.

Wieder zuckte der Fremde mit den Schultern. »Ich weiß nicht, was er dabei erfahren hat. Es ist unhöflich, sich in so etwas einzumischen.«

»Du bist ja mehr auf Etikette bedacht als ein Garether Höfling. Das sollte man bei deinem Äußeren gar nicht vermuten. Wie heißt du eigentlich?«

»Meine Freunde nannten mich früher einmal Gutfolg, aber das ist lange her. Seit ich den Schneebringer verlassen habe, rede ich nur noch mit den Stimmen im Wind und den Tieren des Waldes.«

Robak, der Krieger mit den langen blonden Zöpfen lenkte sein Pferd dichter zur Amazone.

»Der Kerl ist verrückt. Laßt ihn in Ruhe!« raunte er leise.

Lysandra nickte fast unmerklich. »Nun, Meister Gutfolg, womit fristet Ihr denn Euer Leben?«

»Ich lebe von dem, was die Götter mir schenken. Und an den seltenen Tagen, an denen ich auf Menschen oder vernünftige Wesen stoße, sage ich ihnen, was sie nicht hören wollen.«

Der seltsame Mann hatte sich von der Amazone abgewandt und kniete neben dem Kreis im Schnee. Lysandra kam ein wenig näher und beäugte ihn mißtrauisch. »Und was wollen wir nicht hören?«

»Zum Beispiel, daß der Schamane, der hier war, keine Spuren im Schnee zurückgelassen hat.« Gutfolg hielt nun die ausgestreckte Hand über die Vogelkralle und schien sich auf etwas zu konzentrieren. Dann zog er scharf die Luft ein und zuckte zurück.

»Was habt ihr?«

Langsam richtete sich der Fremde aus dem Wald auf und drehte sich wieder um. »Eine Antwort, die Ihr nicht hören wollt.«

»Das müßt Ihr wohl mir überlassen.«

»Muß ich?«

Lysandra musterte die heruntergekommene Gestalt. Sein Blick war von unangenehmer Intensität. Ganz so, wie es manchmal die Augen Marcians waren.

»Ich glaube nicht, daß ich meinem Schicksal entgehen kann.« Lysandra sprach gemessen. »Warum sollte ich es also nicht schon im voraus kennen?«

»Weil Ihr dann die Hoffnung verlieren werdet.«

Lysandra schnaubte verächtlich. »Hoffnung ist der Traum derer, die den Tatsachen nicht ins Auge sehen können. Nun redet.«

»Wenn Ihr meint.« Der Fremde blickte sie ernst an. In ihrem Rücken konnte sie das leise Tuscheln ihrer Krieger hören.

»Der Schamane hat heute morgen denjenigen Eurer Verfolger gerufen, der Euch am nächsten ist. Ich sah einen Mann, der ein Amulett aus Bronze um seinen Hals trägt. Die Orks nennen ihn Rrul’ghargop. In seinen Adern fließt das Blut von Menschen, Orks und Elfen. Noch niemals ist ihm eine Beute entkommen, denn er versteht es, nicht allein die Spuren in Wald und Ebene zu lesen, sondern er spricht auch mit dem Wind und den Geistern. Er ist Euch sehr nahe. Und er hat geschworen, Euer Herz zu essen, Lysandra. Doch ist dies noch der weniger schreckliche Verfolger. Ich habe auch einen ungewöhnlich großen Orkkrieger gesehen. Er konnte sich allerdings sofort wieder meiner Macht entziehen. Ich glaube, Ihr kennt ihn. Auch wenn er Euch nicht mit Schwert und Speer bekämpfen wird, so ist er doch noch viel gefährlicher als Rrul’ghargop. Auch er hat den Ruf des Schamanen heute morgen vernommen.«

»Nun, was Ihr mir da erzählt, ist nicht neu für mich.« Lysandra drehte sich im Sattel um und musterte ihre Leute. »Oder hat vielleicht einer von euch geglaubt, daß uns niemand verfolgen würde?«

Es kam keine Antwort. Die Gesichter der Männer und Frauen wirkten verschlossen, ja ängstlich.

Der Fremde war an die Amazone herangetreten. »Zeigt mir Eure Hand. Vielleicht kann ich Euch dann mehr über Euer Schicksal sagen.«

»Sind wir hier auf einem Jahrmarkt?« spottete Lysandra. »Seht Euch nur meine Hand an. Die Schwielen werden Euch verraten, daß ich es verstehe, ein Schwert zu führen und den Weg der Rondra gehe.« Die Amazone schob ihren Säbel wieder in die Scheide. Dann beugte sie sich im Sattel vor und hielt dem Fremden die Rechte hin.

Bedächtig strich Gutfolg mit seinen Fingerspitzen über die Linien in der Handfläche. Dann preßte er ihre Finger gegen seine Stirn und verharrte einen Augenblick.

»Und?«

»Ich habe viele Eurer möglichen Zukünfte gesehen«, murmelte Gutfolg leise. »Das Unglück wird Euch ein ebenso beständiger Begleiter sein, wie Euer Schatten. Egal, wie Ihr Euch entscheidet, Ihr werdet einsam sterben, und das, bevor der Schnee zu tauen beginnt.«

»Macht Euch davon, Ihr Unglücksprophet!« zischte die Amazone. »Bisher ist es mir noch immer gelungen, meine Feinde auf eine Schwertlänge Distanz zu halten«, rief sie so laut, daß es alle hören konnten. »Und jetzt folgt mir! Wir werden das Dorf umgehen. Wie ihr gehört habt, sind uns die Orks dicht auf den Fersen. Für eine Rast bleibt keine Zeit.«

Lysandra ließ ihr Pferd steigen und jagte dann in gestrecktem Galopp den Hang hinab.

Sie waren bislang nach Einbruch der Finsternis geritten, bevor sie erneut in einem kleinen Wald ihr Lager aufschlugen. Wider besseres Wissen hatte Lysandra ihren Leuten erlaubt, ein Feuer zu entfachen und ein warmes Essen zuzubereiten.

Die Amazone saß ein gutes Stück abseits des Feuers und musterte ihre Gefährten. Sie alle hatten sich eng um das Feuer geschart und tuschelten wieder miteinander. Was war nur mit ihnen geschehen? So hatten sie sich früher nie verhalten. Den ganzen Nachmittag hatte keiner ein Wort mit ihr gewechselt. Nicht einmal Movert, der sonst nicht mit seiner Meinung zurückgehalten hatte.

Unruhig musterte sie den dunklen Wald ringsherum. Lysandra lehnte mit dem Rücken gegen einen Baum. Von hinten könnte man sie nicht angreifen.

- Was für ein Unsinn ihr durch den Kopf ging! Wer sollte sie schon angreifen?

Wieder musterte sie die zuckenden Schatten, die das Lagerfeuer auf die Bäume warf. Hatte sich dort drüben zwischen dem Unterholz etwas bewegt? Ein großgewachsener Mann schien dort zu stehen.

Lysandra tastete nach der Keule an ihrer Seite. Die Waffe war noch da. Einen Moment lang hatte sie befürchtet, er habe sie gestohlen. Jetzt war die Gestalt näher gekommen. Es war ein großer Ork. Der größte, den sie jemals gesehen hatte. Langsam trat er in den Lichtkreis des Lagerfeuers, doch die anderen schienen ihn nicht zu bemerken. Jetzt stand er direkt hinter dem blonden Robak.

Lysandra umklammerte den Griff des Streitkolbens. Sofort fühlte sie sich sicherer.

Doch was war das? Die Gestalt des Orks schien nun am selben Platz zu stehen, an dem auch Robak saß. Beide waren eins! Dann war der Ork plötzlich verschwunden.

War sie einer Sinnestäuschung erlegen?

Der blonde Krieger erhob sich und kam auf sie zu.

»Lysandra, die anderen haben mich geschickt, weil wir beide uns immer gut verstanden haben. Sie wollen ein paar Dinge wissen.«

»So?« Die Amazone hatte sich aufgerichtet und lehnte mit dem Rücken am Baumstamm. In der Rechten hielt sie den Streitkolben.

»Warum reiten wir seit drei Tagen nach Nordosten? Wären wir geradewegs nach Osten geritten, hätten wir heute kurz nach Einbruch der Finsternis Wehrheim erreicht und wären jetzt in Sicherheit.«

»So, wären wir das?« Lysandra musterte Robak. Diese Kreatur würde sie nicht täuschen. Sie wußte, wer hier in Wirklichkeit sprach. »Wenn wir nach Osten geritten wären, würde keiner von uns mehr leben. Wir hätten genau das getan, was die Schwarzpelze erwarten. Niemand von uns wäre in Wehrheim angekommen! Aber vielleicht ist es ja das, was du willst?«

Die Amazone lächelte. Dieser Orkgeist war geschickt. Er schaffte es sogar, Robak verblüfft aussehen zu lassen. Ganz so, als habe sie dem Krieger etwas unterstellt, woran er nicht im entferntesten gedacht hätte. Robak räusperte sich. »Da ist noch etwas. Wir sollen diese Waffe doch nach Gareth in die Stadt des Lichtes bringen. Aber wir entfernen uns immer weiter von dort. Wir sind Khezzara jetzt näher als Gareth. Wir alle machen uns Sorgen deshalb. Warum tust du das?«

»Nun, ich gebe zu, mein Plan ist vielleicht tollkühn, aber habe ich euch bisher nicht immer zum Sieg geführt?«