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Angstvoll blickte der Alte zu ihm herüber. »Seit Sharraz verschwunden ist, hat niemand mehr mit ihm gesprochen.«

»Dafür bin ich jetzt hier, du feiger Hund. In Zukunft bekommst du deine Befehle von Uigar Kai und von mir. Wir brauchen deine Kunst noch heute nacht. Also, wann wirst du fertig sein?«

Der Mann begann zu zittern. Der Mörser, den er in der Hand gehalten hatte, fiel ihm zu Boden.

»Was ist mit dir?« Gamba verlor langsam die Geduld. Wäre er nicht so wichtig, würde er diesen Promos aus dem Lager jagen.

»Es ... Es ist unmöglich ...« stotterte der Mann. Gamba packte ihn am Kragen. »Warum?« »Ich ... Ich hatte Sharraz gebeten noch ... etwas zu ...«, der Alte begann schnaufend nach Luft zu ringen, und Gamba ließ ihn wieder los. Promos rieb sich den Hals.

»Es fehlt noch etwas. Sharraz wollte es besorgen lassen, aber es ist nie angekommen.«

»Reicht denn nicht, was du schon alles hier hast.« Gamba blickte sich in dem engen Zelt um. Überall stapelten sich Fäßchen mit seltsamen Schriftzeichen. Säcke mit Pulvern und Amphoren, denen ein eigenartiger Duft entstieg, machten es fast unmöglich sich hier noch zu bewegen. Allein der große Holztisch, an dem der Alte arbeitet und ein Lager aus Stroh und schmutzigen Decken waren nicht mit den merkwürdigen Zutaten zugestellt, die in den letzten Wochen aus allen Himmelsrichtungen im Lager eingetroffen waren.

Gamba überlegte, wie er Uigar Kai am besten beibrachte, daß sie die Wunderwaffe noch nicht erhalten würden. Die Flotte der Kaiserlichen hatte es geschafft, die Sperren und Stellungen an der Mündung der Breite zu überwinden. Jetzt kämpften sich die Schiffe den Strom hinauf und waren weniger als einen Tag von der Stadt entfernt.

Greifenfurt war kurz davor zu fallen. Wahrscheinlich würde es schon genügen, wenn man die Ankunft der Flotte noch zwei oder drei Tage hinauszögerte. Aber das einzige Mittel, mit dem sie die Schiffe aufhalten konnten, war die wunderliche Tinktur an der der Alchimist arbeitete. »Was fehlt denn noch?«

»Ich brauche ungereinigtes Ammoniasal. Alles andere ist hier. In den Säkken lagert pulverisierter Schwefel, aus den Quellen bei Gratenfels. In den Fässern da vorne verbirgt sich Salpeter. Fügt man diesen Salzen Wasser hinzu, entsteht eine gefährliche Säure. Dort, in den rot beschrifteten Amphoren habe ich seltene Baumharze von den Waldinseln. In den anderen Amphoren, die trotz der Wachssiegel einen so unangenehmen Geruch verbreiten, ist Terpenoleum abgefüllt. Eine kostbare Substanz, die aus dem Harz von Schwarzkiefern gewonnen wird. Das Terpenoleum ist der Hauptbestandteil des Gemischs, das ich für euch in ungeheurer Menge herstellen soll. Draußen auf einem Karren lagern noch einmal hundert weitere Amphoren. Es ist mir unbegreiflich, wie Sharraz Garthai das Terpenoleum auftreiben und nach hier bringen konnte. Alle anderen Ingredienzien müssen in Öl gelöst werden. Salpeter, Harze und Schwefel. Und alles muß in der richtigen Menge hinzugegeben werden! Doch ohne das Ammoniasal waren all unsere Mühen vergebens.«

Gamba maß den Alten mit mißtrauischen Blicken. Er selber verstand nicht viel von Alchimie. Es würde Promos leichtfallen, ihn zu belügen. Vermutlich ahnte er, was sie mit der kostbaren Waffe, die er ihnen verschaffen sollte, tun würden. Vielleicht wollte er sie nur hinhalten?

»Wie schnell wirst du fertig sein, wenn ich dir dein Ammoniasal verschaffe?«

»Vergiß nicht, daß es eine ungeheure Menge anzumischen gilt. Allein dafür werde ich zwei Tage brauchen.«

Wieder musterte der Druide den Alchimisten. Wenn er lügen sollte, würde sich das bald zeigen. »In dieser Nacht wirst du dein Salz bekommen. Solltest du dann nicht in zwei Tagen deine Arbeit vollendet haben, wird dir Übles widerfahren.«

Gamba wußte nicht, womit der Mann erpreßt wurde, also blieb er mit seiner Drohung bewußt vage. Doch diese Rechnung schien aufzugehen, wie man unter Alchimisten und Astrologen sagte. Der Alte wirkte eingeschüchtert.

»Wir sehen uns diese Nacht!«

Gamba schlug die Plane des Lederzeltes zurück und trat ins Freie. Er brauchte nun Ruhe. Er würde in seinem Zelt versuchen, einen Dämon zu beschwören und ihm auftragen, das ungereinigte Ammoniasal zu beschaffen. Wäre er nur früher zu diesem Alchimisten gegangen! Jetzt wurde die Zeit knapp. Vielleicht sollte er auch noch einmal Arjunoor herbeirufen, damit der Achtgehörnte einen Sturm heraufbeschwor, der die Flotte zwingen würde auf dem Fluß zu ankern oder sogar die Schiffe ans Ufer zu ziehen.

Aber es war gefährlich, sich mit diesem mächtigen Wesen einzulassen. Nur zu gut wußte Gamba, was geschehen konnte, wenn ihm auch nur der kleinste Fehler unterlief. Es reichte schon aus ein einziges Wort in der Beschwörungsformel falsch zu betonen, und der schlangenförmige Dämon mit dem Widderkopf würde ihn vernichten.

Das war auch der Grund, warum er in den letzten Wochen nicht mehr seine besonderen Fähigkeiten auf dem Gebiet der Dämonologie angewandt hatte. Es war einfach nicht wert gewesen, ein solches Risiko einzugehen, um Sharraz Garthai einen leichten Sieg zu verschaffen.

An diesem Morgen stand Marcian allein auf dem Bergfried. Er hatte die Wachen in den Turm geschickt und wollte seine Ruhe haben. Es war der zehnte Tag des Monats Firun. Ein Tag, der einmal in den Geschichtsbüchern des Kaiserreichs genannt werden würde. Die ganze Nacht über hatte er nicht schlafen können. Immer wieder hatte Marcian sich vorgeworfen, daß es seine Schuld sei, wenn diese Stadt zu Grunde ging. Daß er die Ursache für das hundertfache Sterben gewesen war. Gestern, als er Himgi besuchte, hatte der Zwerg es abgelehnt, von ihm die Suppe anzunehmen. Der Hauptmann war blaß und völlig ausgezehrt gewesen. Er hätte das warme Essen bitter nötig gehabt, um wieder zu Kräften zu kommen. Doch der einzige Satz, den er in der Stunde gesprochen hatte, die Marcian an seinem Bett ausgeharrte, war: Von dir nehme ich nichts mehr, falscher Freund. Danach hatte sich der Zwerg umgedreht und nur noch die Wand hinter dem Bett angestarrt.

Es war zu Ende. Der Inquisitor blickte in den überfüllten Burghof. Überall brannten Feuer, auf denen armselige Wassersuppen köchelten. Die Leute wichen ihm aus, gleichgültig wohin er kam. Mehr als tausend Menschen umgaben ihn hier, und trotzdem war es, als wäre er allein. Cindira, für die er sein Leben geben würde, war mit Darrag, Gordonius und etlichen anderen in der Schanze beim Rondra-Tempel eingeschlossen.

Wie sehr hätte er in den letzten Stunden ihren Trost gebraucht! Ohne sie war er nicht mehr im Stande sich vorzustellen, was nach diesem Krieg sein würde.

Marcian stützte sich auf die Mauer und blickte im Licht den Fluß hinab. Der Himmel war grau wie geschmolzenes Blei. Unter dem frisch gefallenen Schnee sah die Ruine der Bastion auf der anderen Flußseite fast malerisch aus. Dort waren Rialla, Gernot und all die anderen Rebellen, die er eigentlich begnadigen wollte, direkt unter seinen Augen gestorben, ohne daß er auch nur das geringste hatte tun können, um es zu verhindern. Die Orks hatten erst gestern ihre Truppen dort abgezogen. Vermutlich weil sie jeden Krieger bei dem bevorstehenden Sturmangriff auf die isolierten Widerstandsnester in der Stadt brauchten.

Eine große Schlacht würde das sicherlich nicht geben. Die Schwarzpelze hatten sogar darauf verzichtet, ihre Kriegstrommeln zu schlagen. Wieder blickte Marcian nach Osten. Sein Entschluß stand fest. Sobald die Sonne aufging, würde er zum Lager der Orks gehen. Allein, ohne Begleitung. Er würde eine weiße Fahne tragen und verlangen, Sharraz Garthai zu sprechen.

Für einen Ork hatte er sich bisher ritterlich verhalten. Oft hatte Marcian in den letzten Tagen zu hören bekommen, wie gut es den Bürgern unter der Herrschaft des Generals ergangen war. Nun, sie sollten ihn wiederbekommen.

Marcian drehte sich um und schritt ans andere Ende der Turmplattform, um das Hauptlager der Schwarzröcke zu betrachten, aber durch den trüben Morgendunst konnte er nur das Glimmen einiger Wachfeuer erkennen. Quer durch die verwüstete Stadt mußte er gehen, um zum Zelt des Orkgenerals zu gelangen. Von den prächtigen Bürgerhäusern am Platz der Sonne waren nur noch rußgeschwärzte Ruinen übergeblieben. Allein das Haus, in dem er Lancorian einquartiert hatte, war unversehrt geblieben. Natürlich hatte es der Magier mit seinen exotischen Freunden längst verlassen müssen. Gemeinsam mit Odalbert, Riedmar und Yonsus pflegte er jetzt Verletzte und Kranke. Die bescheidenen magischen Kräfte, die sie besaßen, reichten nicht aus, um in dieser verzweifelten Lage eine Wende herbeizuführen. Sie konnten lediglich den Verwundeten Linderung verschaffen. Auch Lancorian hatte er als Freund verloren, dachte Marcian bitter. Es war an der Zeit allem ein Ende zu machen. Über dem Lager der Orks begann sich der Himmel rot zu färben. Der Inquisitor blickte zu der weißen Fahne, die an der Brustwehr des Turms lehnte. Ein abgebrochener Speerschaft, an den ein zerrissenes Bettuch geknotet war.