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»Komm, laß uns zum Waldrand reiten, vielleicht haben sie ja schon ein paar Lagerfeuer entfacht. Wenn du erst mal die Kälte aus deinen Knochen vertrieben hast, wird sich deine Laune auch schnell bessern.«

Der Oberst wandte sein Pferd. Doch Andra rührte sich nicht von der Stelle. Obwohl es schon fast völlig dunkel war, starrte sie noch immer den Fluß hinauf. Auch wenn sie mit Alrik Späße gemacht hatte, so dachte sie doch insgeheim, daß es ein schlechtes Zeichen war, wenn sie auf keine Kundschafter der Orks mehr stießen. Das konnte nur eines heißen. Der Schwarze Marschall plante etwas, wofür er alle seine Krieger brauchte!

Zufrieden umrundete Leonardo das Schiff. So etwas hatte noch nie auf der Breite geschwommen, dessen war er sich vollkommen sicher. Widder hatten sie das Prachtstück am Morgen getauft, und ein Zwerg hatte den ganzen Nachmittag damit verbracht, stilisierte Widderhörner in die Panzer platten am Bug zu hämmern.

Im Licht der Fackeln glänzte das Schiff rot, so als käme es soeben aus Ingerimms göttlicher Schmiede.

Es mußte wohl Krieg herrschen, um so etwas vollbringen zu können, sinnierte der alte Mechanikus. Niemals hätte in Friedenszeiten jemand ein Vermögen für Kupferplatten ausgegeben, um ein Schiff damit zu panzern. Ganz zu schweigen davon, daß man ihn verhöhnt hatte, wenn er auch nur den Gedanken geäußert hätte, ein Schiff mit Metall zu beschlagen. Erst gestern hatte er noch Matrosen tuscheln gehört, daß die Widder wie eine Bleiente sinken würde. Leonardo schmunzelte. Morgen würde ein neues Kapitel der Flußschiffahrt beginnen. Immer wieder hatte er alles durchgerechnet. Es würde gelingen! Dessen war er sich völlig sicher. Auch Großadmiral Sanin war von dieser Idee überzeugt. Ihm war sie auch nicht so fremd, wie den ungebildeten Flußschiffern. Sanin wußte, daß in Festum und Al’Anfa schon seit einigen Jahren die Rümpfe der größten Hochseeschiffe mit dünnen Metallplatten verkleidet wurden, um sie vor dem schädlichen Befall von Bohrwürmern und Königsmuscheln zu bewahren. Die Panzerung der Flußschiffe diente freilich einem ganz anderen Zweck. Die Kupferplatten, die Leonardo bei den Zwergen aus Angbar geordert hatte, waren bis zu einen Finger dick. Sie sollten die Schiffe vor Brandpfeilen und den Geschossen leichter Rotzen und Aale schützen, so wie ein Ritter durch seine Rüstung geschützt wurde. Stimmten seine Berechnungen, dann konnten die insgesamt drei gepanzerten Schiffe selbst schwerstem Beschuß widerstehen.

Morgen würde ein Tag des Triumphs sein. Zufrieden streichelte Leonardo über die kalten Kupferplatten am Bug.

Trotzdem war er nervös. Auch an dem Tag, als sein Adler flugbereit gewesen war, war er sich seines Erfolges völlig sicher gewesen. Ein großer Ballon aus Stoff, in den Himmel gehoben allein durch die Kraft erwärmter Luft. Auf dem Zeichenbrett hatte damals alles gestimmt. Immer wieder war er die Berechnungen durchgegangen. Und doch war sein stolzes Luftschiff abgestürzt. Seinem Ruf als Mechanikus hatte das sehr geschadet. Es waren sogar Stimmen laut geworden, man solle ihn aus der Stadt vertreiben.

Nun ja, das war jetzt schon Jahre her. Er sollte die Vergangenheit ruhen lassen.

Ein Geräusch am Tor der großen Schiffshalle ließ ihn herumfahren. Ein Mann mit einer Blendlaterne war hereingekommen.

»Ich grüße Euch, Leonardo. Findet auch Ihr keine Ruhe in dieser Nacht?«

Es war Sanin, der Großadmiral der kaiserlichen Flotte im Meer der Sieben Winde. Mit dem breitbeinigen Gang eines Mannes, der sein Leben lang auf Schiffsplanken gestanden hatte, durchmaß er die große Halle. Fast zärtlich ließ er dabei seine Linke über den gepanzerten Schiffsrumpf gleiten.

»Die Widder ist Euer Meisterwerk, Leonardo. Eine neue Generation von Flußkampfschiff ist das. Ihr werdet damit Dere verändern.«

»Ihr übertreibt, Admiral.«

»Nur keine Bescheidenheit, Leonardo. Glaubt mir, ich erkenne ein gutes Schiff, wenn ich es sehe. Und das hier ist ein gutes Schiff! Allein der Katapultantrieb ...« Der Admiral lachte breit. »Aberwitzig, aber genial.«

Leonardo blickte verlegen zur Decke. Das Lob war ihm nicht recht. Nicht in dieser Nacht. Er wollte allein sein mit seinem Schiff. Warum ging der Admiral nicht in eine der benachbarten Hallen? Dort lagen die beiden Schwesternschiffe der Widder. Je mehr Lob er vorab bekam, desto peinlicher würde es, wenn etwas nicht wie vorhergesehen funktionierte.

»Mit der Feuerkraft der Widder werden wir die Orks aus ihren Stellungen vor Greifenfurt fegen. Sie werden denken, alle Sendboten der Götter würden sie auf einmal heimsuchen, wenn wir mit den Kupferschiffen kommen und anfangen zu schießen.« Der Großadmiral lächelte breit und tätschelte wieder den Rumpf.

Er führt sich auf wie ein Kind, daß mit seinem liebsten Spielzeug prahlt, ging es dem Mechanikus kurz durch den Kopf.

Leonardos Blick glitt zur Reling und den Schiffsaufbauten. Oberst von Blautann hatte ihm ausführlich geschildert, wie die fünf Flußschiffe, die vor Wochen zur Stadt durchgebrochen waren, unter heftigsten Beschuß gerieten. Nun, die Widder würde sich wehren können. An Backbord und Steuerbord waren auf dem Dach der langgestreckten Kabine mittschiffs je drei Hornissen aufgestellt worden. Ganz vorne auf der Kabine stand ein Bock, ein Katapult, das Hylailer Feuer verschießen konnte. Im Bug des Schliffes war eine schwere Rotze aufgestellt. Dieses Torsionsgeschütz konnte Steinkugeln, groß wie Kürbisse, mehr als zweihundert Schritt weit schleudern.

Doch hier erfüllte das Geschütz eine ganz andere Funktion. Sollte es zu einem schweren Gefecht kommen, so daß man die Ruder einholen und das Segel reffen mußte, damit es nicht von Brandpfeilen in Flammen gesetzt wurde, dann würde sich offenbaren, aus welchem Grund dieses riesige Geschütz im Schiffsrumpf stand.

Ähnlich verhielt es sich mit dem Kran, der sich am Heck der Widder befand. Besonders hohe Schiffsaufbauten, die mit den stärksten verfügbaren Kupferplatten gepanzert waren, sollten die Bedienungsmannschaften schützen, wenn er zum Einsatz kam.

Leonardo hatte lange darüber nachgedacht, was er tun würde, wenn sein Befehl lautete, eine Flotte daran zu hindern, einen Fluß zu passieren. Natürlich würde er beide Ufer mit Geschützbatterien belegen, doch das wäre nur der erste Schritt. Ob die Orks bei ihrem technischen Unverstand überhaupt dazu in der Lage sein würden, mußte sich zeigen. Sollten sie überraschenderweise aber einen begabten Ingenieur in ihren Diensten haben, so würde dieser Kran der Flotte noch unschätzbare Dienste erweisen. Sanin räusperte sich. »Ich wollte Euch noch einmal für alles danken, was Ihr in den letzten Wochen für die Flußflotte getan habt. Ich fürchte, morgen beim Stapellauf werde ich nicht mehr dazu kommen, ein persönliches Wort an Euch zu richten. Und übermorgen werden wir schon die Anker lichten.«

Der Admiral machte eine kleine Pause. Leonardo fühlte sich unwohl unter dem Blick des Seehelden. Auch wenn der schnauzbärtige Sanin ihn wirklich freundschaftlich musterte.

»Was ich Euch aber eigentlich sagen wollte, Leonardo, ist, daß Ihr in Harben immer willkommen seid. Falls Ihr Havena jemals verlassen solltet ... Ihr sollt wissen, ich schätze Euch, und bei mir werdet Ihr immer alles bekommen, was Ihr zu Eurer Arbeit braucht ...«

»Ich danke Euch für dieses großzügige Angebot, Admiral«, fiel Leonardo Sanin ins Wort. »Seid Euch gewiß, ich weiß Eure Einladung wirklich zu schätzen, doch bitte habt Verständnis, daß ich mich nach den letzten Wochen gerne auch wieder anderen Aufgaben widmen möchte. Offengestanden, ich kann Schiffe nicht mehr sehen. Sie verfolgen mich sogar schon in meinen Träumen. Das reicht! Trotzdem vielen Dank.«

Sanin war sichtlich enttäuscht. »Vielleicht überlegt Ihr es Euch ja noch einmal ...«