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»Es ist mir unangenehm, Euch bei Eurer wohl verdienten Ruhe zu stören, nachdem Ihr eine so harte Maßnahme durchführen mußtet, aber ich habe ein sehr dringliches Anliegen.« Die Ironie in Anshelms Worten war unüberhörbar.

»Sprecht«, entgegnete Marcian kurz angebunden.

»Mir sind Dinge über Eure Gefährtin zu Ohren gekommen, die ich einfach nicht glauben kann. Da sie neben Euch an erhöhter Stelle sitzt, muß sie doch wohl von Adel sein, auch wenn sie nur eine Südländerin ist. Doch wißt Ihr, was man sich unter den Bürgern über sie erzählt? Ich vermag es kaum über mich zu bringen, diese verleumderischen Worte in den Mund zu nehmen.«

Marcian war sich nicht sicher, ob das nur ein Spiel des Hochgeweihten war oder ob er ernsthaft meinte, was er sagte.

»Ihr werdet Euch wohl Gewalt antun müssen und mir genauer erklären, was Ihr meint.«

»Nun ...« Anshelm zögerte einen Moment. »Die Bürger behaupten, Cindira sei eine Hure. Man sagt, sie habe sich für Geld in dem Etablissement eines gewissen Lancorian hingegeben, und angeblich hat sie sogar Unzucht mit den orkischen Besatzern getrieben. Wie kommt es, daß man so übel von ihr spricht? Und warum duldet Ihr das? Schließlich wird damit auch Euer Ansehen beschmutzt.«

»Es steht mir nicht zu, gegen die Wahrheit anzureden. Cindira hat tatsächlich in der Fuchshöhle gearbeitet.«

Für einen Moment schien Anshelm fassungslos. Dann brach es aus ihm heraus. »Wie ist es möglich, daß sich ein Mann Eures Ansehens mit einer Dirne abgibt. Ihr beschmutzt damit nicht nur Euch selber, sondern die ganze Geweihtenschaft. Nun wundert es mich nicht mehr, wenn Praios sein Antlitz von Greifenfurt abgewandt hat. Wie konntet Ihr so etwas tun? Wie kann man so pflichtvergessen sein?«

Der Geweihte steigerte sich immer mehr in seine Wut hinein. »Am liebsten würde ich Euch auf der Stelle verhaften lassen, Marcian. Wenn diese Schande ruchbar wird, wird man Euch in Gareth den Prozeß machen. Meiner Meinung nach gehört Ihr für den Rest Eures Lebens in eine Gebetzelle gesperrt, damit Ihr Zeit habt, über Gottesfurcht nachzudenken. Ist Euch denn niemals bewußt gewesen, was Ihr da tut?«

»Ich liebe Cindira und handelte nach meinem Gefühl. Für mich ist es nicht ehrenrührig, mit der Frau zu leben, der mein Herz gehört.«

»Ihr sprecht mit der Zunge von Dämonen, Bruder Marcian. Ihr wißt nicht, was Ihr da sagt. Natürlich ist gegen die Liebe im Grunde nichts einzuwenden, auch wenn es mir fraglich erscheint, ob die Liebe zu Praios es erlaubt, mit einer Sterblichen geteilt zu werden. Sollte doch alle Hingabe des Geweihten seinem Amt dienen.«

»In diesem Punkt laßt Euch belehren, Anshelm. Auch wenn ich Inquisitor bin, so habe ich doch niemals das Amt eines Geweihten bekleidet.«

»Sehr ungewöhnlich ...« Der Hochgeweihte hatte den Kopf leicht schief gelegt und musterte Marcian. »Trotzdem halte ich es für schädlich, wenn Ihr bei einer Frau liegt, die sich diesen Tieren hingegeben hat. Findet Ihr das nicht auch abstoßend? Allein die Vorstellung, daß sich eine Frau freiwillig mit einem Ork einlassen könnte, erscheint mir ungeheuerlich.«

»Es sind noch weitaus ungeheuerlichere Dinge in dieser Stadt geschehen...«

»Lenkt nicht ab, Marcian. Ich muß Euch sagen, daß ich über diese Enthüllungen zutiefst erschüttert bin. Meine Pflicht als Hochgeweihter der Stadt ist es, alle Verstöße gegen Sitte oder Natur strengstens zu ahnden. Nur so läßt sich die Moral der Bürger wieder herstellen. Wäre Frieden, würde ich Euch von meinen Tempelgardisten verhaften lassen und gemeinsam mit Eurer Buhle in Ketten nach Gareth schaffen, doch in Anbetracht Eurer besonderen Lage werde ich Gnade vor Recht ergehen lassen. Sorgt dafür, daß diese Cindira die Stadt verläßt, und wir werden diese Angelegenheit zumindest so lange ruhen lassen, bis Frieden herrscht.«

Einen Moment lang war Marcian versucht, nach seinem Schwert zu greifen. Was bildete sich dieser feiste, kleine Mann eigentlich ein? Was wußte er schon vom Krieg? Wahrscheinlich hatte dieser Anshelm bislang kaum die schützenden Mauern seines Tempels verlassen. Warum sollte er sich ihm fügen?

Doch wer würde ihm folgen, wenn er gegen den neuen Hochgeweihten aufbegehrte? Die Truppen, die mit den Schiffen gekommen waren, bestimmt nicht, und auch die Städter würden nicht auf seiner Seite stehen.

»Begreift Ihr nicht, was für ein großmütiges Angebot ich Euch mache?«

Anshelm stand jetzt unmittelbar vor ihm. Kleine Tröpfchen Speichel trafen den Inquisitor ins Gesicht, während sich der Hochgeweihte ereiferte. »Schickt sie fort! Nur dann kann ich Euch beiden den Prozeß ersparen. Wenn sie nicht mehr aufzufinden ist, könnt nur Ihr ganz allein angeklagt werden, Marcian. Ich respektiere, was Ihr hierin den vergangenen Monaten geleistet habt. Kaum ein anderer hätte die Stadt so lange gegen die Orks halten können. Aber jetzt seid klug! Wenn Ihr diese Frau tatsächlich so sehr liebt, wie Ihr sagt, dann schickt sie fort. Nur so könnt Ihr wenigstens sie retten.«

Es war, als sei alle Kraft aus seinen Gliedern gewichen. Marcian konnte nicht mehr kämpfen. Anshelm hatte recht! Wenn der Hochgeweihte wirklich die Verbindung zwischen ihm und Cindira in Gareth zur Anklage bringen würde, dann stand das Urteil schon jetzt fest. Er mußte sich fügen. Seine Geliebte zu retten war der letzte Sieg, den er in diesem Krieg noch erringen konnte.

»Warum kämpfst du nicht um mich? Ich hatte gedacht, daß du mich liebst.«

Cindira standen die Tränen in den Augen. Sie konnte kaum fassen, was er ihr gesagt hatte.

»Ich muß dich opfern, weil ich dich liebe, begreifst du das denn nicht?«

Wie sollte er sie mit Argumenten überzeugen, die für ihn selber schal klangen? Marcian war verzweifelt. Ohne Cindira wollte er nicht mehr leben. Aber es ging nicht allein um ihn. Er durfte nicht auch noch sie ins Unglück stürzen.

»Was ist so falsch daran, wenn ein Inquisitor eine Frau liebt? Verlangt es dein Amt, daß du keine Liebe kennst?«

»Das ist nicht verboten, aber ...« Marcian wußte nicht, wie er ihr erklären sollte, was Anshelm ihm vorgehalten hatte, ohne sie zutiefst zu verletzen.

»Bin ich denn eine schlechtere Frau als irgendein Bürgermädchen?«

»Nein ... Bitte, glaube nicht, daß ich das denke, aber ...«

»Wie kannst du dann zulassen, daß dieser Hochgeweihte mich aus der Stadt treibt?«

»Wenn du nicht gehst, wird er dich in Ketten legen lassen. Was glaubst du denn, was er mit dir machen läßt? Sobald Frieden ist, wird er dich nach Gareth schaffen lassen. Dort habe ich viele Feinde, die nur auf eine solche Gelegenheit warten. Wenn man dich erst einmal der hochnotpeinlichen Befragung unterzieht, wirst du denen alles erzählen, was sie hören wollen.«

»Du meinst, ich werde gefoltert? Warum?«

»Weil sie dich zu dem Werkzeug machen wollen, mit dem sie mich vernichten. Selbst wenn das nicht in der Absicht von Anshelm liegt. Bist du erst einmal in den Verliesen der Inquisition, ist unser beider Schicksal besiegelt.«

Cindira blickte ihn fassungslos an. »Ich kann verstehen, daß man dich aus den Reihen der Inquisition verstoßen wird, weil dein Umgang mit mir nicht dem Bild eines Inquisitors entspricht. Aber was habe ich getan, daß man uns beide mit dem Tod bedroht?«

Marcian nahm sie in die Arme und streichelte ihr sanft durchs Haar. Nur mühsam gelang es ihm die Fassung zu bewahren. »Gar nichts hast du getan. Aber man wird dir vorwerfen, daß du dich mit den Orks eingelassen hast. Sie werden behaupten, daß du eine Spionin der Schwarzpelze seist. Vielleicht wird man auch sagen, daß du vom Liebesdämon Laraan besessen bist, weil keine menschliche Frau sich freiwillig einem Ork hingeben würde. Auch in diesem Fall wird unser beider Urteil der Tod sein, denn ein Inquisitor, der sich einer von Dämonen Besessenen hingegeben hat, ist untragbar.«

»Aber das ist doch alles nicht wahr. Das weißt du doch!« Cindira klammerte sich an ihn.

»Natürlich weiß ich das ... Aber sie werden dich mißbrauchen, um mich zu vernichten. Glaub mir!«

»Und wenn ich stark bleibe und alles leugne. Müssen sie mich dann nicht gehen lassen?«