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»Vielleicht, doch bitte entschuldigt mich nun. Ich muß noch ein letztes Mal das Schiff vermessen und die Daten mit meinen Berechnungen vergleichen.«

»Ich bin sicher, daß morgen beim Stapellauf alles gutgehen wird.« Sanin streckte ihm die Hand entgegen. Eigentlich mochte Leonardo so joviale Gesten nicht, doch die Hand auszuschlagen, wäre eine Beleidigung. Der Admiral ergriff seine zögerlich ausgestreckte Rechte und drückte sie kräftig. Dabei musterte er ihn noch einmal mit seinen dunkelbraunen Augen, um die sich ein Kranz feiner Falten zog. »Das Reich brauchte mehr Männer wie Euch, Leonardo. Mögen die Zwölfgötter Eure Wege behüten!«

Mit diesen Worten drehte sich der große Mann um und ging gemessenen Schrittes zum Tor der Schiffshalle zurück.

Das Reich braucht Männer wie mich. Leonardo mußte über die pathetischen Worte des Admirals lächeln. Wahrscheinlich hatte Sanin keine Ahnung. Doch Leonardo wußte ganz genau, daß die Inquisition ihn jahrelang hatte beobachten lassen. In der Stadt des Lichtes stand er im Ruf ein Ketzer zu sein, auch wenn man ihm nie etwas hatte nachweisen können. Doch seine ungewöhnlichen Ideen waren nicht überall geschätzt.

Das war einer der Gründe, warum er in Havena lebte. Dort war er vor dem direkten Zugriff der Inquisition sicher. Dabei waren die Vorwürfe gegen ihn im höchsten Grade lächerlich. Angeblich sollte er mit seinen Erfindungen die Ordnung der Götter durcheinanderbringen. So ein Unsinn. Die Götter dürften wohl kaum menschliche Hilfe brauchen, um ihre Ordnung aufrecht zu erhalten. Aber solche Gedanken behielt er besser für sich. Leonardo drehte sich noch einmal zu seinem Schiff um. Hoffentlich würde es die großen Erwartungen erfüllen, die alle in die Widder steckten. Vor allem den jungen Prinzen würde er ungern enttäuschen. Er war so anders als die meisten Adligen, die Leonardo bisher kennengelernt hatte. Man stelle sich das vor. Ein Prinz, der mit gemeinen Soldaten plauderte und vor einigen Wochen darauf bestanden hatte, mitsamt seinem Offiziersstab in einer der einfachen Holzbaracken am Stadtrand untergebracht zu werden, weil er kein besseres Quartier haben wollte, als die Frauen und Männer, die an seiner Seite ihr Leben für das Reich riskierten.

Auf dem Feldzug im letzten Jahr soll er nach der Schlacht am Orkenwall sogar mit dem Kopf im Schoß eines alten Pikeniers eingeschlafen sein. Wirklich ungewöhnlich. Seine Soldaten vergötterten ihren Anführer. Doch Helden sterben jung. Erst heute hatte der Prinz verkündet, daß er persönlich die Kavallerie anführen würde, die die Schiffe den Fluß hinauf eskortierte. Hoffentlich würde sein Glück ihn nicht verlassen.

Leonardo murmelte ein Gebet an Rondra, die Göttin der Krieger. Brin war ein Mann wie die Kriegerkönige in den alten Heldenliedern. Hoffentlich würde ihn Rondra nicht schon zu bald an ihre Seite rufen.

Zerwas pfiff leise durch die Zähne. Er hatte eine Hügelkuppe erreicht und konnte nun die ganze Flotte überblicken, die sich gegen die Strömung den Großen Fluß hinauf kämpfte. Fünfzig Schiffe! Der größte Flottenverband, der jemals auf diesem Strom gefahren war.

Die meisten waren freilich nur kleine Flußkähne, die durch die Techniker des Windhager Regiments notdürftig auf einen Kampf vorbereitet waren, doch durch ihre schiere Masse wurden auch sie zu einer Gefahr. Die meisten der Schiffe hatten havenisch getakelte Masten. Leonardo hatte Sanin davon überzeugen können, daß die Dreieckssegel den großen quadratischen Segeln, die bislang auf den Schiffen vorgeherrscht hatten, überlegen waren. Mit dieser Takelung konnte man flexibler auf die durch die Flußkehren ständig wechselnden Windverhältnisse reagieren.

Fast alle der Flußkähne waren mit Hornissen oder leichten Aalen ausgerüstet worden, um sich gegen feindliche Bogenschützen zur Wehr setzen zu können.

Hoffentlich war Sadrak Whassoi gut ausgerüstet. Diese Flotte machte den Eindruck, als würde sie sich durch nichts aufhalten lassen. Am Ostufer wurden sie von fast fünfhundert Reitern begleitet, über die der Prinz persönlich das Kommando führte. Sie dienten als Eskorte für die muskelbepackten Arbeitspferde, die auf dem Treidelpfad gingen. Um schneller gegen die Strömung vorwärts zu kommen, wurden alle Schiffe von Kaltblütergespannen gezogen.

Es war schon beachtlich, was Sanin und der Generalstab in den letzten Wochen geleistet hatten. Alle Arbeitspferde im Umkreis von hundert Meilen waren für dieses Unternehmen zusammengezogen worden. Die Zwerge des Koschgebirges mußten fast ihre gesamten Kupfervorräte zu großen Platten geschmiedet haben, mit denen dann die vordersten drei Schiffe des Konvois gepanzert worden waren.

Krieger und Abenteurer hatten sich aus allen Himmelsrichtungen freiwillig gemeldet. Ein Teil von ihnen war der Reiterei angegliedert worden, die meisten füllten allerdings die Decks der Schiffe. Ausgerüstet mit Bogen und Armbrüsten, waren sie gegen jeden Angriff, den die Orks von den Ufern aus unternehmen mochten, wohl gewappnet.

Selbst Efferd und der sagenumwobene Flußvater schienen dem Unternehmen günstig gesonnen zu sein. Das braune Wasser des gewaltigen Stroms stand jetzt so hoch, daß die meisten Sandbänke überspült waren und es bislang keine Probleme mit dem Vorrücken gegeben hatte.

Zwanzig Meilen, das war die Strecke, die sie am ersten Tag zurückgelegt hatten. Und wenn sie dasselbe Tempo wie bisher beibehielten, würden sie auch am zweiten Tag nicht weniger schaffen. Höchstens anderthalb Wochen mochten sie bei diesem Tempo bis Greifenfurt brauchen.

Zerwas war gespannt, was der Schwarze Marschall dagegen unternehmen würde. In der Gestalt des Ritters Roger hatte der Vampir an allen wichtigen Versammlungen des Generalstabs teilnehmen können. Die Pläne des Prinzen kannte er bis ins Detail, und vor acht Tagen war er noch einmal des Nachts in seiner Dämonengestalt im Lager des Sharraz Garthai vor Greifenfurt erschienen. Er hatte dem Orkgeneral alles verraten, was er wußte, und ihm dringend empfohlen, seinen Oberbefehlshaber zu verständigen. Nun lag es bei den Schwarzröcken, was sie aus den Informationen machten. Wieder blickte er auf den Fluß hinab. Die Spitze des Konvois bildeten die drei gepanzerten Schiffe, die Meister Leonardo konstruiert hatte. Es folgten drei Flußgaleeren mit je 80 Rojern. Die Schiffe kamen aus Havena, gehörten aber eigentlich zur dritten Galeerenflotte der kaiserlichen Flotte im Meer der Sieben Winde. Sie bildeten den Abschluß der vorderen Kampfgruppe der Flotte. Ihnen folgten 40 Flußschiffe der unterschiedlichsten Größen. Es gab kleine Nachen, die von den Zwergen, die den Angbarer See befuhren, gestellt worden waren, etliche Flußschiffe von freien Kapitänen und zu guter letzt sogar einige der größeren Schiffe aus den Handelcompanien von Elenvina und Havena. Diese Lastkähne, die normalerweise nur im Treidelverkehr auf der unteren Hälfte des Großen Flusses Verwendung fanden, waren von Meister Leonardo mit einem Ring dickbauchiger, fest an den Rumpf getauter Fässer umgeben worden. So erhielten die Lastkähne zusätzlichen Auftrieb und konnten auch die Strecke bis Greifenfurt schaffen, obwohl das Bett des Stroms im Norden wesentlich flacher war. Erreichten die Lebensmittel und Waffen, die auf diesen Schiffen transportiert wurden, tatsächlich ihr Ziel, so würden die Belagerten ohne Probleme den Rest des Winters überstehen. Ganz zu schweigen von den unzähligen Söldnern und Abenteurern, die dem Aufruf des Prinzen gefolgt waren. Mit diesen Truppen mochte es vielleicht sogar gelingen, den Belagerungsring um die Stadt zu sprengen.

Zerwas gab seinem Pferd die Sporen und lenkte es den Hügel hinab, um sich wieder dem Hauptverband der Reiterei anzuschließen. Seine Linke krampfte sich vor Wut um den Sattelknauf. Sein Plan, der Flotte durch den Alchimisten Promos den Untergang zu bringen, schien fehlgeschlagen zu sein. Promos fehlte noch immer eine wichtige Chemikalie, um seine Arbeit zu vollenden.

Wütend knirschte Zerwas mit den Zähnen. Diese Runde seines Intrigenspiels hatte er verloren. Vielleicht mochte es dem Schwarzen Marschall gelingen, die fünfhundert Reiter aufzuhalten, doch die Schiffe würde er nicht abfangen können. Greifenfurt schien gerettet!