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»Bruder Anshelm, Meister Pagol, der das Amt des Wahrers der Ordnung bekleidet, hat dich als besonders pflichtbewußt empfohlen.« Der kleine, korpulente Mann wich dem Blick des Inquisitors Roderick aus. Der feiste Geweihte, der mit unangenehm öliger Stimme sprach, saß auf einem thronartigen Sessel Anshelm direkt gegenüber.

Der schmale, aber hohe Saal, in dem sich Anshelm befand, wies außer den Bannern in den Farben des Praios keinen Schmuck auf. An seiner Stirnseite standen vier hohe, kostbar geschnitzte Stühle. Einer davon war verwaist. Das mußte der Platz sein, auf dem Baron Dexter Nemrod sonst zu sitzen pflegte.

Die anderen drei waren besetzt von Ordensbrüdern, die sich bereits seit Jahrzehnten im Kampf gegen die Ketzerei bewehrt hatten. Fast in der Mitte saß Roderick, derjenige, der das Wort an ihn gerichtet hatte. Die Fettpolster unter seinem Kinn erbebten bei jedem Wort, das er gesprochen hatte, und gaben ihm gemeinsam mit seinem voluminösen Körper ein eher komisches, als bedrohliches Äußeres. Doch dieser Eindruck täuschte. Kein anderer Inquisitor hatte so viele Hexen auf den Scheiterhaufen gebracht wie Roderick.

Links neben ihm saß Magon, den man in Gareth auch furchtsam Flammenhand nannte. Er war groß und muskulös. Sein Kopf war kahlgeschoren und sein Alter schwer zu schätzen. Er war Scharfrichter in den Diensten der Inquisition und dafür berühmt, daß er auch den verstocktesten Ketzer dazu überreden konnte, seine Sünden zu beichten, so daß er danach auf die Gnade des Praios hoffen durfte. Daß er an dieser Versammlung teilnahm, war etwas Besonderes, denn Magon bekleidete im Gegensatz zu Roderick nicht das Amt eines Geweihten.

Ganz rechts außen saß ein dürrer Mann, der selbst hier in der Stadt des Lichtes seine Rüstung nicht abgelegt hatte. Anshelm kannte ihn nur dem Namen nach. Graf Gumbert war Hauptmann in der Tempelgarde, doch war dies ein reines Ehrenamt. In Wirklichkeit leitete er einen Teil des Agentennetzes der KGIA. Der Graf hatte nach Baron Dexter Nemrod für einige Jahre die gefürchtete Maraskan-Abteilung des Dienstes geleitet und war dann weiter in Amt und Würden aufgestiegen. Man sagte von ihm, daß er fast so gut wie der Baron selbst über die Dinge, die im Reich vorgingen, informiert war.

»Anshelm«, Roderick hatte sich ihm wieder zugewandt.

»Ist es richtig, daß du bislang noch nicht unserem Bruder Marcian begegnet bist.«

»Nicht ganz, ehrwürdiger Bruder Roderick. Einmal habe ich ihn von weitem auf dem Übungsplatz gesehen.«

»Doch dich kennt er nicht?« Roderick strich nachdenklich über sein Doppelkinn.

»Nein, ehrwürdiger Bruder. Nicht, daß ich es wüßte.«

»Du weißt, daß Marcian sich schon einmal eines Verbrechens schuldig gemacht hat, das, wäre es allgemein bekannt geworden, dem Ruf der Inquisition nachhaltigen Schaden bereitet hätte?« Graf Gumbert sprach nun. Er maß Anshelm mit einem Blick, der den jungen Inquisitor zutiefst beunruhigte. Anshelm hatte zwar auch schon vor Jahren die Kunst des ›lodernden Blicks‹ erlernt - von dem man im Volk behauptete, ein Inquisitor könne einem so direkt in die Seele blicken -, doch Graf Gumberts Blick war von einer Intensität, wie Anshelm sie noch nie bei einem Sterblichen erlebt hatte.

»Ich habe Gerüchte gehört«, murmelte der junge Geweihte leise.

»Die Wahrheit ist, daß Marcian der Buhle einer Hexe war.« Magon hatte seine Stimme erhoben. »Eigentlich hätte er für diesen Verrat an der Inquisition auf den Scheiterhaufen gehört, doch da ihn der Baron schützte, wurde er nicht einmal aus seinem Amt als Inquisitor entfernt.«

»Nun ist uns durch einen meiner Agenten zugetragen worden, daß selbiger Marcian schon wieder Mittel anwendet, die uns zur Schande gereichen. Einer meiner Männer gehört zu den Vertrauten, mit denen er sich in Greifenfurt umgeben hat. Die Vorwürfe, die mich auf diesem Weg erreichten, sind so ungeheuerlich, daß ich dich, Bruder Anshelm, mit der Untersuchung der wahren Hintergründe dessen, was zur Zeit in dieser belagerten Stadt passiert, beauftragen möchte.«

»Und wie steht der Baron dazu?« wandte Anshelm zögerlich ein.

»Marcian konnte sich nur halten, weil Nemrod ihn schützte, doch du kannst dir dessen sicher sein, daß auch dieser eine Schandfleck in dem ansonsten untadeligen Lebenslauf des Barons eines Tages seine Konsequenzen haben wird. Vielleicht sind seine Tage im Amt des Großinquisitors gezählt, so daß er Marcian schon bald nicht mehr schützen kann.« Gumberts Gesichtsausdruck war schwer zu deuten. Er schien über das Vorgehen des Großinquisitors ernsthaft entsetzt zu sein. Und das zu Recht, dachte sich Anshelm, wenn es wirklich stimmte, daß Baron Dexter Nemrod Marcian wider besseres Wissen protegiert hatte, dann wäre er nicht mehr würdig, sein Amt als erster Inquisitor des Reiches auszuüben.

»Du darfst uns nicht mißverstehen, Bruder«, mischte sich Roderick wieder ein. »Uns geht es hier nicht darum, eine Intrige zu spinnen. Wir wollen die Wahrheit ans Licht bringen, um die Inquisition vor Schaden zu bewahren. Deshalb legen wir diese Aufgabe auch in deine Hände. Du kennst Marcian nicht und bist weder sein Freund noch sein Feind. Du wirst gerecht urteilen können, ob er gefehlt hat oder ob unser Verdacht nur auf übler Nachrede beruht.«

»Ein schweres Amt«, antwortete Anshelm zögerlich.

»Gewiß Bruder, doch sind wir alle der Meinung, daß es bei dir in den rechten Händen liegt. Außerdem möchten wir dich noch mit einer zweiten nicht minder wichtigen Aufgabe betrauen. Wir wissen, daß sich Geweihte fast aller Götter der Flotte des Prinzen angeschlossen haben, denn die Bürger Greifenfurts müssen seit nunmehr anderthalb Jahren auf den Trost und Beistand von Götterdienern verzichten, weil die Orks bei der Eroberung der Stadt alle Geweihten verschleppten. Du sollst dort für die Errichtung eines neuen Praiostempels sorgen und wirst in Greifenfurt das Amt des Hochgeweihten bekleiden. Das Haus des Herren ist, wie du sicher wissen wirst, durch die Orks zerstört worden. Doch Greifenfurt ist für unseren Kult eine überaus wichtige Stadt. Nicht nur, daß der Glanz des Praios die Bluttaten der Schwarzpelze vergessen machen soll, vor Jahrhunderten ist dort der Götterbote Scraan in seiner fleischlichen Gestalt zu Tode gekommen. Allein schon ihm zum Ruhme geziemt es sich so schnell als möglich, die Präsenz des Praios, repräsentiert durch einen würdigen Geweihten, wiederherzustellen.«

Anshelm zögerte. Seit einer Weile schon gab es Gerüchte, daß sich Baron Dexter Nemrod von seinem Amt als Großinquisitor zurückziehen wollte. Ober einer der drei hier sein Amt übernehmen würde? Ganz ungeachtet davon, daß es ihm als neuem Hochgeweihten des Praios in Greifenfurt obliegen würde, zu entscheiden, ob Marcian schuldig war oder nicht. Bis sich noch einmal die Gelegenheit bieten würde, ein so hohes Tempelamt zu übernehmen, mochten Jahre vergehen. Anshelms Entscheidung stand fest.

»Ehrwürdige Meister, ich fühle mich zutiefst geehrt durch das Vertrauen, daß Ihr, trotz meines niedrigen Ranges in der Geweihtenschaft, in mich setzt. Ich werde versuchen, Eure Erwartungen nach bestem Wissen und zur Ehre unseres Gottes zu erfüllen.«

»Gut, Bruder Anshelm.« Roderick lächelte zufrieden. »So begebe dich nun in deine Kammer, um für die Reise zu packen, und beeile dich, denn im Hof erwarten dich schon ein Pferd und drei Ritter der Tempelgarde, zu deinem Schutz. Du mußt der Reichsstraße nach Angbar folgen, und sobald du auf die Breite triffst, gen Norden reiten. Dann wirst du auf den Prinzen und seine Armee stoßen. Möge das Licht des Praios immer auf deinen Wegen scheinen.«

»Ihr ehrt mich durch Euer Vertrauen und Euren Großmut.« Anshelm verbeugte sich vor den drei Würdenträgern und verließ dann eiligen Schrittes den Saal.

3

»Glaubst du, daß ich Unglück bringe?«

Marcian lag erschöpft vom Liebesspiel neben Cindira und starrte die hohe Decke seines Turmgemachs an.

»Mir hast du noch kein Unglück gebracht.«

Der Inquisitor drehte sich um und strich der Südländerin sanft über ihr rabenschwarzes Haar.