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Nr. 103 683 ist nicht überrascht. Hieß nicht ein Satz der letzten Königin: Besser die starken Punkte befestigen, als alles kontrollieren zu wollen. Das ist das Ergebnis ...

Andere Geräusche. Als ob jemand sehr schnell gräbt. Haben die Kriegerinnen mit dem Felsenduft sie wiedergefunden? Nein . Zwei Hände tauchen vor ihnen auf. Ihre Kanten bilden eine Art Rechen ... Die Hände packen die Erde und werfen sie nach hinten. Auf diese Art treiben sie einen riesigen schwarzen Körper an.

Wenn das bloß kein Maulwurf ist!

Sie erstarren alle drei, ihre Mandibeln sind weit aufgerissen.

Es ist ein Maulwurf.

Sandwirbel. Eine Kugel aus schwarzen Haaren und weißen Krallen. Das Tier scheint zwischen den Sedimentsschichten zu schwimmen wie ein Frosch in einem Teich. Sie werden geohrfeigt, umgerührt, unter Lehmklumpen verschüttet. Aber sie kommen unversehrt davon. Die Wühlmaschine ist fort. Der Maulwurf hat nur Würmer gesucht. Es ist ihm eine große Freude, in ihre Nervenknoten zu beißen, um sie zu lahmen und sie dann lebend in seinem Bau zu lagern.

Die drei Ameisen machen sich wieder auf den Weg, nachdem sie sich einmal mehr methodisch gereinigt und gewaschen haben.

Sie sind in einen sehr schmalen und sehr hohen Durchgang eingedrungen. Ihre Führerin, die Soldatin, stößt einen Warnduft aus und deutet zur Decke. Jene ist in der Tat mit rot-schwarz gefleckten Wanzen übersät.

Das Muster auf dem Rücken dieser drei Kopf (neun Millimeter) langen Insekten scheint einen erbosten Blick darzustellen. Im allgemeinen ernähren sie sich von dem feuchten Fleisch toter, manchmal auch recht lebendiger Insekten.

Unversehens läßt sich eine Wanze auf das Trio fallen. Noch bevor sie den Boden erreicht, klemmt Nr. 103 683 den Hinterleib unter ihren Thorax und feuert einen Strahl Ameisensäure ab. Als die Wanze landet, hat sie sich in heißen Brei verwandelt.

Sie fressen sie hastig auf, dann machen sie sich davon, bevor noch eines dieser Ungetüme herunterkommt.

Intelligenz: Mit den eigentlichen Experimenten habe ich im Januar 58 begonnen. Erstes Thema: die Intelligenz. Sind Ameisen intelligent?

Um es zu erfahren, habe ich einer roten Ameise (formica rufa) mittlerer Größe und geschlechtslosen Typs folgendes Problem gestellt: Ich habe ein Stück harten Honig in ein Loch gesteckt. Dieses Loch habe ich jedoch mit einem schmalen, nicht besonders schweren, aber recht langen Zweig verstopft. Normalerweise vergrößert die Ameise ein Loch, um hineinzugelangen, aber in diesem Fall war das Gestell aus hartem Kunststoff, den sie nicht durchbohren kann.

Erster Tag: Die Ameise zerrt an dem Zweig, sie hebt ihn ein wenig an, dann läßt sie ihn los, hebt ihn wieder an.

Zweiter Tag: Die Ameise macht immer noch dasselbe. Und sie versucht, den Zweig an seinem Ende anzuschneiden. Kein Resultat.

Dritter Tag: Idem. Es sieht so aus, als hätte sich die Ameise auf eine falsche Überlegung versteift, die sie weiter verfolgt, weil sie sich keine andere vorstellen kann. Was ein Beweis für ihre Nichtintelligenz wäre ...

Vierter Tag: Idem.

Fünfter Tag: Idem.

Sechster Tag: Als ich morgens wach wurde, war der Zweig nicht mehr in dem Loch. Das muß in der Nacht geschehen sein.

Edmond Wells

Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens

Die folgenden Gänge sind halb verstopft. Die kalte und trockene Erde oben, die von weißen Wurzeln zurückgehalten wird, bildet Klumpen. Zuweilen fallen einige Bröckchen hinunter. »Innerer Hagel« nennt man das. Das einzige bekannte Mittel, sich davor zu schützen, ist doppelte Wachsamkeit und beim geringsten Duft von Geröll zur Seite springen.

Den Bauch auf den Boden gepreßt, die Antennen nach hinten geknickt, die Beine weit abgespreizt, rücken die drei Ameisen vor. Nr. 103 683 scheint genau zu wissen, wohin sie sie führt. Der Boden wird wieder feucht. Ein ekelhafter Geruch schwebt dort. Es riecht nach Leben. Nach Tier.

Nr. 327 bleibt stehen. Er ist nicht ganz sicher, aber ihm war, als hätte sich eine Wand unmerklich bewegt. Er geht auf die verdächtige Zone zu; die Wand bebt erneut. Er weicht zurück. Eine Ausbeulung zeichnet sich ab, doch zu klein, als daß es ein Maulwurf sein könnte. Die Ausbeulung verwandelt sich in eine Spirale, eine Art Höcker wächst in ihrer Mitte und spritzt hervor, um sich auf ihn zu stürzen.

Das Männchen stößt einen Duftschrei aus.

Ein Regenwurm! Nr. 327 zerschneidet ihn mit einem Mandibelbiß. Aber jetzt tropft dieses sich ringelnde Getier ringsum von den Wänden. Bald sind es so viele, daß man glauben könnte, in den Eingeweiden eines Vogels zu sein.

Einer der Würmer verfällt darauf, sich um den Thorax des Weibchens zu schlingen. Jenes schnappt mit den Mandibeln zu und schneidet ihn in mehrere Stücke, die sich rechts und links davonschlängeln. Andere Würmer kommen hinzu und winden sich um ihre Beine und Köpfe. Daß die Antennen in Mitleidenschaft gezogen werden, ist besonders unangenehm. Sie legen alle drei gemeinsam an und beschießen die harmlosen Askariden mit Säure. Am Ende ist der Boden nur mehr ein Relief aus ockerfarbenem Fleisch, das immer noch hüpft, als wollte es sie herausfordern.

Sie rennen davon.

Als sie sich wieder fassen, zeigt ihnen Nr. 103 683 eine weitere Reihe von Gängen, die sie durchqueren müssen. Je weiter sie kommen, um so schlechter riecht es, aber sie gewöhnen sich daran. Man gewöhnt sich an alles. Die Soldatin deutet auf eine Wand und erklärt, daß sie dort graben müssen.

Das sind die alten sanitären Einrichtungen aus Kompost, der Versammlungsort ist unmittelbar daneben. Wir treffen uns gerne hier, da ist man ungestört.

Sie spielen Wühlmaus. Auf der anderen Seite gelangen sie in einen großen Saal, in dem es nach Exkrementen riecht.

Die dreißig Soldatinnen, die sich ihrer Sache angeschlossen haben, warten tatsächlich auf sie. Aber um mit ihnen zu reden, müßte man die Grundbegriffe des Puzzles kennen, denn sie sind in ihre Einzelteile zerlegt. Mancher Kopf weit vom Thorax entfernt .

Fassungslos inspizieren sie den makabren Saal. Wer mag sie hier getötet haben, im Keller von Bel-o-kan?

Bestimmt etwas, was von unten kommt, stößt das 327. Männchen hervor.

Das glaube ich kaum, erwidert das 56. Weibchen und schlägt trotz allem vor, den Boden aufzugraben.

Sie schlägt die Mandibeln hinein. Schmerz. Darunter ist nackter Fels.

Ein riesiger Granitfelsen, erklärt Nr. 103 683 kurz darauf, das ist der Grund, der harte Boden der Stadt. Und der ist dick. Sehr dick. Und breit. Sehr breit. Noch nie ist jemand bis zu seinem Rand vorgedrungen.

Wer weiß, vielleicht ist das sogar der Boden der Welt. Ein merkwürdiger Geruch breitet sich aus. Etwas, was in den Raum getreten ist. Etwas, was ihnen sofort sympathisch ist. Nein, keine Ameise aus dem Volk, sondern ein Lomechusekäfer.

Noch als Larve hat Nr. 56 Belo-kiu-kiuni über dieses Insekt reden hören:

Kein Gefühl kommt dem gleich, was man bei der Einnahme des Nektars der Lomechuse empfindet, wenn man erst einmal davon gekostet hat. Sie ist die Frucht aller körperlichen Begierde, ihr Sekret zerstört den unbeugsamsten Willen.

In der Tat unterdrückt die Einnahme dieser Substanz den Schmerz, die Angst, die Intelligenz. Die Ameisen, die das Glück haben, ihre Giftlieferantin zu überleben, verlassen auf der Suche nach neuen Dosen unaufhaltsam die Stadt. Sie essen nicht mehr, ruhen sich nicht mehr aus und wandern bis zur Erschöpfung. Schließlich pressen sie sich an einen Grashalm, wenn sie keine Lomechuse finden, und siechen dahin, gepeinigt von den tausend Martern des Entzugs.

Die junge Nr. 56 hat eines Tages gefragt, warum man eine solche Geißel, der Termiten und Bienen schonungslos den Garaus machen, in der Stadt dulde. Belo-kiu-kiuni hat geantwortet, daß es zwei Wege gebe, ein Problem anzugehen: entweder man hält es sich vom Leib, oder man läßt sich von ihm durchdringen. Der zweite sei nicht unbedingt der schlechteste. Das Sekret der Lomechuse ist, wohldosiert oder mit anderen Substanzen gemischt, eine hervorragende Medizin.