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Aber mit ihren kurzen Beinen brauchen die Zwerginnen zehn Schritte, wo die Roten einen Satz machen. Ihnen geht die Puste aus, während sie den Hügel hinaufklettern. Genau das haben die Strateginnen der Föderation vorgesehen. Denn diese erste Attacke hatte nur einen Zweck: die Truppen der Zwergameisen aus ihrem Kessel hervorzulocken und sie dann auf dem Abhang anzugreifen.

Die Roten erreichen den Kamm, die Einheiten der Zwerginnen verfolgen sie völlig ungeordnet weiter. Oben richtet sich mit einemmal ein Wald von Dornen auf. Das sind die riesigen Zangen der Kornbeißerinnen. Sie schwenken sie, lassen sie in der Sonne aufblitzen, dann richten sie sie parallel zum Boden aus und stürzen sich auf die Zwerginnen, Kernbeißer, Zwergbeißer!

Der Überraschungseffekt ist durchschlagend. Die Shigaepuanerinnen, benommen, die Antennen starr vor Schreck, werden niedergemäht wie Gras. In rasantem Tempo, den Höhenunterschied ausnutzend, sprengen die Kornbeißerinnen die feindlichen Linien. Die je sechs Arbeiterinnen unter ihnen sind mit Leib und Seele dabei. Sie sind die Raupenketten dieser Kriegsmaschinen. Dank eines perfekt synchronen Antennenkontakts zwischen Drehturm und Rädern fräst sich dieses Tier mit sechsunddreißig Beinen und zwei riesigen Mandibeln mühelos in die feindlichen Massen.

Die Zwerginnen haben gerade noch Zeit, diese Kolosse wahrzunehmen, die zu Hunderten über sie herfallen, ihre Reihen eindrücken, platt machen, zerquetschen. Die übergroßen Mandibeln fahren in die Menge nieder, grasen sie ab und schnellen wieder hoch, beladen mit Beinen und blutigen Köpfen, die sie wie Stroh knacken lassen.

Totale Panik. Die entsetzten Zwerginnen rempeln sich an, kommen nicht vom Fleck, manche töten sich gegenseitig.

Die belokanischen Panzer sind, nachdem sie das Zwergen-fußvolk auf diese Weise »gekämmt« haben, in ihrem Schwung über jenes hinausgeschossen. Stop. Sie wenden und erklimmen, immer noch tadellos in einer Reihe, bereits wieder den Hang, um die Feinde erneut niederzuwalzen. Die Überlebenden würden ihnen gerne zuvorkommen, aber oben zeichnet sich eine zweite Front von Panzern ab, die den Hügel hinunterrast!

Die beiden Kolonnen kreuzen sich wunderbar parallel. Vor jedem Panzer stapeln sich die Kadaver. Das ist ein einziges Blutbad.

Die Lacholakanerinnen, die von weitem die Schlacht verfolgen, kommen heraus, um ihre Schwestern anzufeuern. Die anfängliche Überraschung ist reiner Begeisterung gewichen. Sie stoßen Pheromone der Freude aus. Das ist ein Sieg der Technologie und der Intelligenz! Nie zuvor ist die Genialität der Föderation so klar zum Ausdruck gekommen.

Shi-gae-pu hat jedoch nicht all seine Karten aufgedeckt. Es hat noch seine Geheimwaffe. Normalerweise war diese Waffe nur dazu gedacht, die hartnäckigen Bewohner von La-chola-kan »auszuräuchern«, aber angesichts der schlimmen Wendung, die der Kampf genommen hat, beschließen die Zwergameisen, ihren Trumpf auszuspielen.

Die Geheimwaffe stellt sich in Form von Schädeln roter Ameisen dar, die von einer braunen Pflanze durchbohrt sind.

Einige Tage zuvor haben die Zwerginnen den Kadaver einer Kundschafterin der Föderation entdeckt. Ihr Körper war unter dem Druck eines parasitischen Pilzes, der alternaria, geplatzt. Die Forscherinnen der Zwergameisen hatten das Phänomen untersucht und festgestellt, daß dieser parasitische Pilz flüchtige Sporen erzeugt. Jene heften sich an den Panzer, zerfressen ihn, dringen in das Tier ein, wo sie wachsen, bis der Rumpf explodiert.

Was für eine Waffe!

Und dazu von unfehlbarer Sicherheit und garantierter Verwendbarkeit. Denn während sich die Sporen auf das Chitin der Roten heften, finden sie auf dem der Zwergameisen keinen Halt. Ganz einfach, weil sich letztere - kälteempfindlich, wie sie sind - mit Schneckenschleim einzureiben pflegen! Und diese Substanz bietet einen Schutz gegen die alternaria.

Die Belokanerinnen haben vielleicht den Panzer erfunden, doch die Shigaepuanerinnen haben die bakteriologischen Waffen entdeckt.

Ein Infanteriebataillon setzt sich in Bewegung, ausgerüstet mit dreihundert verseuchten, im Zuge der ersten Schlacht um La-chola-kan erbeuteten Schädeln roter Ameisen.

Sie werfen sie mitten unter die Feindinnen. Die Kornbeißerinnen und ihre Trägerinnen beginnen unter dem tödlichen Staub zu niesen. Als sie sehen, daß ihre Panzer davon befallen werden, verlieren sie den Kopf. Die Trägerinnen lassen ihre Last im Stich. Die wieder unbeweglichen Kornbeißerinnen werden von panischer Angst erfaßt und legen sich mit ihren Artgenossinnen an. Alles geht drunter und drüber.

Gegen 10 Uhr trennt ein plötzlicher Kälteeinbruch die Streitkräfte. In eisigen Luftströmen kann man nicht kämpfen. Die Truppen der Zwergameisen nutzen die Pause, um sich zu befreien. Die Panzer der Roten erklimmen mühsam den Hügel.

In beiden Lagern zählt man die Verletzten, schätzt das Ausmaß der Verluste. Bedrückende Zwischenbilanz. Beide Seiten möchten der Schlacht eine andere Richtung geben.

Bei den Belokanerinnen hat man die Sporen der alternaria erkannt. Man beschließt, sämtliche Soldaten, die mit dem Pilz in Berührung gekommen sind, zu opfern, um ihnen weitere Qualen zu ersparen.

Spioninnen kommen angelaufen. Es gibt ein Mittel, sich gegen diese bakteriologische Waffe zu schützen: Man muß sich mit Schneckenschleim einreiben. Gesagt, getan. Man opfert drei dieser (immer seltener anzutreffenden) Weichtiere, damit sich jeder gegen die Geißel schützen kann.

Antennenkontakt. Die roten Strateginnen vertreten die Ansicht, daß man nicht mehr nur mit den Panzern angreifen kann. In der neuen Aufstellung werden sie das Zentrum bilden, aber hundertzwanzig Legionen üblicher Infanterie und sechzig Legionen fremder Infanterie werden auf den Flügeln aufmarschieren. Man schöpft neuen Mut.

argentinische Ameisen: Die argentinischen Ameisen (Iridomyrmex humilis) sind 1920 in Frankreich erschienen. Höchstwahrscheinlich wurden sie in Oleanderkübeln eingeschleppt, die dazu bestimmt waren, die Straßen der Côte d’Azur zu verschönern.

Ihre Existenz wird zum erstenmal 1866 in Buenos Aires gemeldet (daher ihr Beiname). 1891 finden sie sich in den Vereinigten Staaten, in New Orleans.

In den Strohschütten exportierter argentinischer Pferde versteckt, gelangen sie 1908 nach Südafrika. 1910 nach Chile, 1917 nach Australien und 1920 nach Frankreich.

Diese Art zeichnet sich nicht nur durch ihre geringe Größe aus, die sie, verglichen mit anderen Ameisen, zu Pygmäen macht, sondern auch durch ungewöhnliche Intelligenz und kriegerische Aggressivität (übrigens ihre Hauptmerkmale).

Kaum im Süden Frankreichs ansässig, führen die argentinischen Ameisen gegen sämtliche einheimischen Arten Krieg ... und besiegten sie allesamt!

1960 überschreiten sie die Pyrenäen und ziehen bis Barcelona. 1967 gehen sie über die Alpen und ergießen sich bis Rom. In den 70er Jahren dann beginnen die Iridomyrmex wieder nach Norden zu ziehen. Man glaubt, daß sie in einem heißen Sommer Ende der 90er Jahre die Loire überquert haben. Dort stoßen diese Eindringlinge, deren Kampfstrategien denen eines Cäsar oder Napoleon in nichts nachstehen, auf zwei etwas hartnäckigere Arten: die roten Ameisen (im Süden und Osten der Pariser Region) und die Pharaonenameisen (im Norden und Westen von Paris).

Edmond Wells

Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens

Die Schlacht am Klatschmohnhügel ist noch nicht entschieden. Um 10.13 Uhr beschließt Shi-gae-pu. Verstärkung zu schicken. Zweihundertvierzig Legionen der Reservearmee ziehen los, um sich den Überlebenden der ersten Angriffswelle anzuschließen. Man erklärt ihnen die Sache mit den »Panzern«. Die Antennen vereinen sich zur AK. Es muß ein Mittel geben, mit diesen komischen Maschinen fertigzuwerden ...

Gegen 10.30 Uhr macht eine Arbeiterin einen Vorschlag: