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Die Kundschafterinnen kurven um Bäume. Erdhügel, dornige Büsche herum, schlängeln sich weiter in Richtung unheilvollen Osten.

Der Weg ist schmaler geworden, aber immer noch sind Einheiten zur Straßenreinigung unterwegs. Die Verkehrswege zwischen den einzelnen Städten werden niemals vernachlässigt. Straßenwärterinnen reißen das Moos aus, entfernen Zweige, die den Weg versperren, setzen Duftzeichen.

Die Arbeiterinnen, die der Gruppe entgegenkommen, werden immer seltener. Mitunter finden sich auf dem Boden Pheromonenhinweise: »Bei Kreuzung 29 einen Umweg durch den Hagedorn machen!« Vielleicht ist man dort auf die jüngste Spur eines Hinterhalts feindlicher Insekten gestoßen.

Nr. 103 683 erwartet eine Überraschung nach der andern. Sie ist noch nie in dieser Gegend gewesen. Es gibt hier Satanspilze von achtzig Kopf Höhe! Dabei ist diese Sorte charakteristisch für die Gebiete im Osten.

Und sie entdeckt allerlei seltsame Pflanzen: den wilden Hanf, dessen Blüten den Morgentau so gut festhalten, den wunderbaren und beunruhigenden Frauenschuh. Katzenpfötchen mit langen Stengeln ...

Sie geht auf ein Springkraut zu, dessen Blüten Bienen ähneln, und ist so unvorsichtig, es zu berühren. Sogleich platzen ihr die reifen Früchte ins Gesicht, bedecken sie mit klebrigen gelben Samenkörnern. Ein Glück, daß das keine alternaria ist ...

Keineswegs entmutigt, klettert sie auf ein Hasenkraut, um sich den Himmel näher anzusehen. Dort oben sieht sie Bienen, die Achten beschreiben, um ihren Schwestern den Standort der Blütenpollen anzugeben.

Die Landschaft wird immer wilder. Rätselhafte Düfte erfüllen die Luft. Hunderte von kleinen, nicht zu identifizierenden Wesen fliehen in alle Richtungen. Man bemerkt sie nur an dem Knacken der trockenen Blätter.

Ihr Kopf kribbelt noch, als sich Nr. 103 683 wieder der Truppe anschließt. Und so gelangen sie ruhigen Schritts in die Umgebung der föderierten Stadt Zubi-zubi-kan. Ein Gehölz wie jedes andere auch, würde man von weitem sagen. Wären da nicht der Geruch und der »ausgeschilderte« Weg, würde niemand eine Stadt hier vermuten. In Wirklichkeit ist Zubi-zubi-kan eine klassische »rote« Stadt mit einem Baumstumpf, einer Kuppel aus Zweigen und Deponien. Aber alles ist unter Sträuchern verborgen.

Die Eingänge befinden sich noch oben, fast am höchsten Punkt der Kuppel. Man erreicht sie über eine Gruppe von Farn und wilden Rosen. Was die Kundschafterinnen auch tun.

Drinnen wimmelt es von Leben. Die Pflanzenläuse sind nicht leicht zu erkennen, sie haben die gleiche Farbe wie die Blätter. Eine kundige Antenne und ein kundiges Auge machen jedoch mühelos Tausende von kleinen grünen Warzen aus, die langsam - in dem Maße, wie sie den Saft »abgrasen« -wachsen.

Vor langer Zeit wurde zwischen den Ameisen und den Pflanzenläusen ein Abkommen geschlossen. Letztere ernähren die Ameisen, die sie als Gegenleistung schützen. Tatsächlich stutzen manche Städte ihren »Milchkühen« die Flügel und geben ihnen ihre eigenen Identifizierungsdüfte. So lassen sich die Herden bequemer hüten ...

Auch Zubi-zubi-kan übt sich in dieser miesen Technik. Als Wiedergutmachung, oder vielleicht aus purem Modernismus, hat die Stadt auf ihrer zweiten Etage grandiose Ställe gebaut, die mit allem für das Wohlergehen der Pflanzenläuse erforderlichen Komfort ausgerüstet sind. Die Ameisenammen pflegen dort die Eier ihrer Läuse mit der gleichen Konzentration wie die ihrer Artgenossinnen. Das erklärt auch die außergewöhnliche Bedeutung und das feine Aussehen des dortigen Viehbestands.

Nr. 103 683 und ihre Begleiterinnen nähern sich einer Herde, die damit beschäftigt ist, dem Zweig eines Rosenstrauchs das Blut auszusaugen. Sie stellen zwei, drei Fragen, aber die Läuse lassen ihren Rüssel in dem pflanzlichen Fleisch, ohne sie im geringsten zu beachten. Außerdem, vielleicht beherrschen sie die Duftsprache der Ameisen überhaupt nicht ... Die Kundschafterinnen suchen mit ihren Antennen nach der Hirtin. Doch sie entdecken keine.

Dann geschieht etwas Erschreckendes. Drei Marienkäfer lassen sich mitten unter die Herde fallen. Diese gefährlichen Raubtiere säen Panik unter den armen Läusen, die mit ihren gestutzten Flügeln nicht fliehen können.

Doch die Wölfe rufen die Hirtinnen auf den Plan. Zwei zubizubikanische Ameisen springen hinter einem Blatt hervor. Denn dort haben sie sich versteckt, um die roten Räuber mit den schwarzen Punkten überraschen zu können. Sie legen auf sie an und erlegen sie mit ihren präzisen Säurestrahlen.

Dann laufen sie herbei und beruhigen die noch völlig verängstigten Herden. Sie melken sie, trommeln auf ihren Hinterleib, streicheln ihre Antennen. Daraufhin geben die Pflanzenläuse eine große Blase durchsichtigen Zuckers von sich. Den kostbaren Honigtau. Während sie sich mit diesem Likör sättigen, nehmen die zubizubikanischen Hirtinnen die belokanischen Kundschafterinnen wahr.

Sie begrüßen sie. Antennenkontakt.

Wir sind gekommen, um die Eidechse zu jagen, sendet eine der Belokanerinnen.

Dann müßt ihr weiter nach Osten gehen. Man hat eines dieser Ungetüme in der Nähe des Postens Guayei-Tyolot gesichtet.

Statt ihnen die übliche Trophallexie anzubieten, fordern die Hirtinnen sie auf, sich direkt an den Tieren zu laben. Die Kundschafterinnen lassen sich das nicht zweimal sagen. Jede wählt sich eine Pflanzenlaus und klopft ihr auf den Hinterleib, um den köstlichen Honigtau hervorzulocken.

Das ist schwarz, ölig im Innern des Rachens, und es stinkt. Nr. 56, gänzlich mit Sabber beschmiert, rutscht in den Schlund des Raubvogels. Da jener keine Zähne hat, hat er sie nicht zerkaut, sie ist noch unversehrt. Kommt nicht in Frage, sich aufzugeben, mit ihr würde eine ganze Stadt untergehen.

Mit äußerster Anstrengung pflanzt sie ihre Mandibeln in das glatte Fleisch der Speiseröhre. Dieser Reflex rettet sie. Der Schwalbe wird übel, sie hustet und speit die widerspenstige Nahrung weit von sich. Geblendet versucht Nr. 56 zu fliegen, aber ihre klebrigen Flügel sind viel zu schwer. Sie fällt mitten in einen Fluß.

Ringsum zappeln Männchen in ihrem Todeskampf. Sie registriert den unrhythmischen Flug von rund zwanzig ihrer Schwestern hoch oben, die den Schwalben entkommen sind. Erschöpft verlieren sie an Höhe.

Eine von ihnen landet auf einer Teichrose, wo zwei Salamander unverzüglich Jagd auf sie machen. Sie holen sie ein und zerfetzen sie. Die anderen Königinnen werden eine nach der andern von den Tauben, den Kröten, den Maulwürfen, den Schlangen, den Fledermäusen, den Igeln, den Hühnern und den Küken aus dem Spiel des Lebens gerissen ... Letzten Endes haben von den eintausendfünfhundert Weibchen, die losgeflogen sind, nur sechs überlebt.

Nr. 56 gehört dazu. Wie durch ein Wunder. Sie muß leben. Sie muß ihre eigene Stadt gründen und das Rätsel der Geheimwaffe aufklären. Sie weiß, daß sie dazu Hilfe braucht, daß sie auf die Menge zählen kann, die bereits ihren Bauch bevölkert. Sie braucht sie nur daraus zu entlassen ...

Aber als erstes muß sie sehen, daß sie hier wegkommt ...

Indem sie den Winkel der Sonnenstrahlen berechnet, findet sie heraus, wo sie gelandet ist. Auf dem Fluß des Westens. Kein sehr empfehlenswerter Ort, denn wenn es auch auf sämtlichen Inseln der Welt Ameisen gibt, weiß man doch nicht, wie sie es als Nichtschwimmer angestellt haben, dorthin zu gelangen.

Ein Blatt treibt an ihr vorüber, sie hält sich mit aller Kraft ihrer Mandibeln daran fest. Sie strampelt wie besessen mit den Hinterbeinen, aber dieser Antrieb hat nur mäßigen Erfolg. Sie hält sich schon eine ganze Weile auf diese Art über Wasser, als sich ein gigantischer Schatten abzeichnet. Eine Kaulquappe? Nein, das ist tausendmal größer als eine Kaulquappe. Nr. 56 erkennt eine spitz zulaufende Form mit einer glatten und getigerten Haut. Das ist für sie eine ganz neue Erscheinung. Eine Forelle!

Die kleinen Krebse. Hüpferlinge und Wasserflöhe fliehen vor dem Ungeheuer. Jenes taucht ab, dann steigt es auf, direkt auf die Königin zu, die sich entsetzt an ihr Blatt klammert.