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Sie reinigt systematisch ihre Antennen, dann saugt sie die Luft ein. Wo ist sie? Hoffentlich ist sie nicht auf der falschen Seite des Flusses gestrandet!

Sie bewegt ihre Antennen mit 8000 Schwingungen/Sekunde. Sie nimmt Spuren bekannter Gerüche wahr. Glück gehabt, sie ist am Westufer des Flusses. Allerdings gibt es hier nicht die geringste Pheromonenpiste. Sie muß ein wenig näher an die Hauptstadt heran, wenn sie ihre zukünftige Stadt an die Föderation anbinden will.

Endlich kann sie abheben. Richtung Westen. Sehr weit wird sie vorerst nicht kommen. Die Muskeln ihrer Flügel sind erschöpft, und so bleibt sie im Tiefflug.

Sie kehren in den Hauptsaal von Guayei-Tyolot zurück. Seit sich Nr. 103 683 nach den Termiten des Ostens erkundigt hat, meidet man sie, als wäre sie alternaria-infiziert. Sie murrt nicht, konzentriert sich ganz auf ihre Mission.

Ringsum tauschen die Belokanerinnen mit den Guayeityolotinnen Nahrung aus, lassen sie die neueste Ernte von Lamellenpilzen probieren, kosten ihrerseits den aus wilden Raupen gewonnenen Honigtau.

Dann, nach den verschiedensten Düften, verlagert sich das Gespräch auf die Eidechsenjagd. Die Einheimischen erzählen, daß man kürzlich drei Eidechsen gesichtet habe, die die Blattlausherden von Zubi-zubi-kan terrorisiert hatten. Sie sollen zwei Herden von tausend Tieren und sämtliche Hirtinnen getötet haben .

Eine Zeitlang habe Panik geherrscht. Die Hirtinnen hätten ihr Vieh nur noch durch die gesicherten, in das Fleisch der Zweige gegrabenen Gänge getrieben. Doch dank der Säure-Artillerie sei es gelungen, diese drei Drachen zu vertreiben. Zwei hätten sich weit fort verzogen. Die dritte habe sich verletzt auf einem Stein fünftausend Kopf von hier niedergelassen.

Die zubizubikanischen Einheiten haben ihr bereits den Schwanz abgetrennt. Man müsse die Gelegenheit nutzen und dem Tier schnell den Rest geben, bevor es neue Kräfte schöpfe.

Stimmt es, daß der Schwanz der Eidechsen nachwächst? erkundigt sich eine Kundschafterin. Man bejaht ihre Frage.

Der Schwanz, der nachwächst, ist aber anders als vorher. Wie Mutter sagt: Man findet nie genau das wieder, was man verloren hat. Der zweite Schwanz hat keine Wirbel, er ist viel weicher.

Eine Guayeityolotin fügt weitere Informationen hinzu. Die Eidechsen sind sehr temperaturempfindlich, mehr noch als die Ameisen. Wenn sie viel Sonnenenergie getankt haben, ist ihre Reaktionszeit phantastisch, wenn es jedoch kalt ist, sind ihre Bewegungen erheblich langsamer. Die Einheimische meint, man müsse den morgigen Angriff auf diesem Phänomen aufbauen. Das Beste wäre, den Saurier im Morgengrauen zu attackieren. Dann habe ihn die Nacht abgekühlt und er sei lethargisch.

Aber wir werden auch abgekühlt sein! mischt sich eine Belokanerin energisch ein.

Nicht, wenn wir die Technik der Zwerginnen zur Kälteabwehr anwenden, erwidert eine Jägerin. Wir werden uns mit Zucker und Alkohol vollstopfen und unsere Panzer mit Schneckenschleim einreihen, damit die Kalorien nicht zu schnell aus unserem Körper entweichen.

Nr. 103 683 vernimmt diese Sätze mit zerstreuter Antenne. Sie denkt an das Rätsel des Termitenhügels, an das unerklärliche Verschwinden der Kundschafterinnen, von dem die alte Kriegerin berichtet hat.

Die erste Guayeityolotin, jene, die ihr die Trophäen gezeigt hat, kommt auf sie zu.

Hast du mit Nr. 4000 geredet?

Ja.

Nimm nicht für bare Münze, was sie dir gesagt hat. Das ist, als ob du mit einem Kadaver gesprochen hättest. Sie ist vor einigen Tagen von einer Schlupfwespe gestochen worden.

Eine Schlupfwespe! Nr. 103 683 graust es vor Entsetzen. Die Schlupfwespe verfügt über einen langen Saugrüssel, mit dem sie nachts die Ameisennester durchlöchert, bis sie auf einen wannen Körper stößt. Sie durchbohrt ihn und legt dort ihre Eier.

Das ist einer der größten Alpträume der Ameisenlarven: eine Spritze, die oben an der Decke auftaucht und alles auf der Suche nach weichem Fleisch abtastet, um ihre Jungen darin abzusetzen. Letztere wachsen seelenruhig in dem Organismus heran, der sie aufgenommen hat, bis sie sich in gefräßige Larven verwandeln, die das lebende Tier von innen anknabbern.

Das verfehlt nicht seine Wirkung: Diese Nacht träumt Nr. 103 683 von einem fürchterlichen Rüssel, der sie verfolgt, um ihr seine fleischfressenden Kinder zu übertragen.

Der Kode an der Haustür war noch derselbe. Nicolas hatte seine Schlüssel behalten, er brauchte, um die Wohnung zu betreten, nur die Siegel durchzureißen, die von der Polizei angebracht worden waren. Seit dem Verschwinden der Feuerwehrleute hatte man alles unverändert gelassen. Die Kellertür stand sogar sperrangelweit offen.

Da er keine Taschenlampe hatte, machte er sich mir nichts, dir nichts daran, eine Fackel herzustellen. Er schaffte es, ein Tischbein abzubrechen, und umwickelte es mit einer dicken Krone aus zerknittertem Papier, das er dann ansteckte. Das Holz entzündete sich problemlos, eine kleine, aber ruhige, anhaltende Flamme, die auch dem Luftzug widerstand.

Er stürzte sich unverzüglich auf die Wendeltreppe, in der einen Hand die Fackel, in der andern sein Taschenmesser. Wild entschlossen, die Kiefer zusammengepreßt, fühlte er sich wie ein richtiger Held.

Er lief hinab, tiefer, immer tiefer ... Das hörte überhaupt nicht auf, es ging immer weiter und immer im Kreis, so lange, bis es ihm vorkam, als wäre er Stunden unterwegs. Er hatte Hunger, ihm war kalt, aber es trieb ihn weiter.

Er lief noch schneller, flog beinahe, und begann unter dem unverputzten Gewölbe zu brüllen, ein Brüllen, in dem sich Rufe nach seinen Eltern und vibrierendes Kriegsgeschrei abwechselten. Sein Schritt hatte inzwischen eine außergewöhnliche Sicherheit, er nahm rasant Stufe um Stufe, ohne sich dessen bewußt zu sein.

Plötzlich stand er vor einer Tür. Er stieß sie auf. Zwei Rattensippen, die einander bekämpften, flohen vor dieser heulenden und funkenumringten Gestalt.

Die älteren Ratten machten sich Sorgen. Seit einiger Zeit häuften sich die Besuche dieser »Großen«. Was hatte das zu bedeuten? Wenn der da bloß nicht die Verstecke der schwangeren Weibchen in Brand steckte!

Nicolas setzte seinen Abstieg fort, er rannte so schnell, daß er die Ratten nicht einmal bemerkt hatte ... Stufen, immer nur Stufen, und seltsame Inschriften, die er diesmal bestimmt nicht lesen würde. Plötzlich ein Geräusch (flap, flap). Er spürte etwas. Eine Fledermaus klammerte sich an seine Haare. Er versuchte sich loszumachen, aber das Tier schien mit seinem Schädel verwachsen zu sein. Er wollte es mit seiner Fackel verscheuchen, versenkte sich aber nur ein paar Haarsträhnen. Er schrie und lief weiter. Die Fledermaus saß wie ein Hut auf seinem Kopf. Sie flatterte erst davon, nachdem sie ihm ein wenig Blut abgenommen hatte.

Nicolas spürte seine Müdigkeit nicht mehr. Keuchend, Herz und Schläfen pochend, daß sie fast platzten, rannte er plötzlich gegen eine Mauer. Er stürzte, rappelte sich sofort wieder hoch. Seine Fackel brannte noch. Er richtete die Flamme auf die Mauer.

Das war wirklich eine Mauer. Besser noch: Nicolas erkannte die Beton- und Stahlplatten, die sein Vater mit sich geschleppt hatte. Und die Zementfugen waren noch frisch.

»Papa, Mama, antwortet mir, wenn ihr da seid!«

Aber nein, nichts, nur das nervtötende Echo. Diese Mauer, er hätte schwören können, daß die sich öffnete, denn so war das in den Filmen, und außerdem war da keine Tür.

Was steckte hinter dieser Mauer? Schließlich fand er eine Inschrift:

Wie bildet man vier gleichseitige Dreiecke mit sechs Streichhölzern?

Und genau darunter war ein kleiner Bildschirm mit Tasten angebracht. Die Tastatur enthielt keine Zahlen, sondern Buchstaben. Vierundzwanzig Buchstaben, mit denen man das Lösungswort oder den Lösungssatz eingeben konnte.