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Letzterer, oder genauer gesagt: seine Larve, besitzt einen schaufelartigen Kopf, der es ihm ermöglicht, derlei Krater zu fertigen. Anschließend gräbt er sich darin ein und braucht nur noch auf Besuch zu warten.

Nr. 4000 begreift, wenn auch ein wenig spät, was passiert ist. Jede Ameise ist im Grunde leicht genug, um sich aus dieser Klemme zu befreien. Bevor sie sich jedoch an den Aufstieg machen kann, tauchen zwei lange, mit Stacheln versehene Mandibeln am Ende des Kessels auf und besprengen sie mit Sand.

Hilfe!

Sie vergißt darüber den von ihren ungebetenen Gästen verursachten Schmerz und die auf den Koleopterlikör zurückzuführenden Entzugserscheinungen. Sie hat Angst, sie will so nicht sterben.

Sie wehrt sich mit aller Kraft. Aber die Falle des Ameisenlöwen ist wie das Spinnennetz so angelegt, daß sie die Panik der Opfer ausnutzt. Je mehr Nr. 4000 strampelt, um aus dem Krater herauszuklettern, um so mehr stürzt der Hang ein und reißt sie in die Tiefe ... Wo der Ameisenlöwe sie weiterhin mit feinem Sand besprengt.

Nr. 103 683 hat schnell erfaßt, daß sie, wenn sie sich über den Rand beugt, um hilfreich ein Bein auszustrecken, nur Gefahr läuft, ebenfalls abzustürzen. Sie eilt fort, um sich auf die Suche nach einem langen und haltbaren Grashalm zu machen.

Die alte Ameise findet, daß die Zeit lang wird. Sie stößt einen stark duftenden Schrei aus und radelt noch heftiger durch den fast flüssigen Sand. Dadurch rutscht sie nur noch schneller ab. Sie ist nur noch fünf Kopf von den Scheren entfernt, die, aus der Nähe betrachtet, wirklich furchterregend sind. Jede Mandibel ist mit Hunderten von kleinen, messerscharfen Zähnen bewehrt, die wiederum durch lange, gebogene Stachel unterteilt sind. Das äußerste Ende bildet eine Art Pfriem, der imstande ist, mühelos jedweden Ameisenpanzer zu durchschlagen.

Endlich erscheint Nr. 103 683 am Rand des Kessels und hält ihrer Gefährtin ein Gänseblümchen hin. Schnell! Diese richtet die Beine auf, um den Stengel zu packen. Aber der Ameisenlöwe hat nicht vor, auf seine Beute zu verzichten. Wie besessen bespritzt er die beiden Ameisen mit Sand. Sie sehen und hören nichts mehr. Jetzt wirft der Ameisenlöwe mit kleinen Steinchen, die mit einem unheimlichen Geräusch von dem Chitin abprallen. Halb verschüttet, gleitet Nr. 4000 weiter ab.

Nr. 103 683 stemmt, den Stengel fest zwischen ihre Mandibeln geklemmt, die Beine in den Boden. Sie wartet vergeblich auf einen Ruck. Genau in dem Moment, als sie aufgeben will, schnellt ein Bein aus dem Sand ... Gerettet! Nr. 4000 hüpft endlich aus diesem Loch des Todes.

Unten schlagen die Scheren vor Wut und Enttäuschung zusammen. Der Ameisenlöwe braucht Proteine, um sich in eine ausgewachsene Ameisenjungfer zu verwandeln. Wie lange wird er warten müssen, bis eine neue Beute zu ihm herabrutscht?

Nr. 4000 und Nr. 103 683 reinigen sich und nehmen eine intensive Trophallaxie vor. Diesmal steht kein Koleopter-Honigtau auf dem Speiseplan.

»Tag, Bilsheim!«

Sie reichte ihm eine schlaffe Hand.

»Jaja, ich weiß, Sie sind überrascht, mich hier zu sehen. Aber da sich diese Angelegenheit endlos in die Länge dehnt und der Präfekt persönlich sein Interesse an einem guten Ausgang bekundet hat und bald wohl auch der Minister, habe ich beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen ... Kommen Sie, machen Sie nicht so ein Gesicht, ich zieh Sie doch nur auf, Bilsheim. Wo ist Ihr Sinn für Humor geblieben?«

Der alte Kommissar wußte nicht, was er antworten sollte. Seit fünfzehn Jahren ging das so. Bei ihr hatte sich noch kein »aber sicher« verfangen. Er wollte ihr in die Augen schauen, aber ihr Blick war hinter einer langen Strähne verborgen. Rothaarig, gefärbt. Die große Mode. Im Büro hieß es, sie versuche allen weiszumachen, daß sie rote Haare habe, um den starken Geruch, der von ihr ausging, zu erklären.

Solange Doumeng. Sie wurde immer säuerlicher, seit sie in die Wechseljahre gekommen war. Eigentlich hätte sie, um das auszugleichen, weibliche Hormone nehmen müssen, aber sie hatte viel zuviel Angst, dicker zu werden. Hormone, da staut sich das Wasser, das weiß jeder, also biß sie die Zähne zusammen und ließ die Schwierigkeiten, die ihr das Altern machte, an ihrer Umgebung aus.

»Weshalb sind Sie hier? Wollen Sie selbst da runter?« fragte der Kommissar.

»Das ist doch nicht Ihr Ernst, alter Freund! Nein, Sie gehen da runter, niemand anders als Sie. Ich bleibe hier, ich habe alles mitgebracht, eine Thermosflasche voll Tee und mein Walkie-talkie.«

»Und wenn ich in Schwulitäten gerate?«

»Sind Sie ein solcher Angsthase, daß Sie direkt das Schlimmste befürchten? Wie gesagt, wir stehen in Funkverbindung. Sobald Ihnen die geringste Gefahr droht, verständigen Sie mich, und ich werde die notwendigen Maßnahmen ergreifen. Außerdem sind Sie verdammt gut ausgerüstet, alter Freund, Sie gehen mit dem allerneusten Gerät da runter. Schauen Sie: Sie haben ein Kletterseil. Gewehre. Ganz zu schweigen von den sechs Jungs.«

Sie deutete auf die Gendarmen, die sogleich Haltung annahmen. Bilsheim brummte: »Galin ist mit acht Feuerwehrmännern runtergegangen, das hat ihm auch nicht viel genützt ...«

»Aber die hatten weder Waffen noch Funkverbindung! Kommen Sie, schauen Sie nicht so betreten drein, Bilsheim.«

Er hatte keine Lust, dagegen anzukämpfen. Dieses ständige Spielchen um Macht und Einschüchterung ging ihm auf die Nerven. Gegen Solange anzukämpfen hieß, selbst zu Doumeng zu werden. Sie war da wie Unkraut im Garten. Man mußte versuchen, selbst zu sprießen, ohne sich anstecken zu lassen.

Bilsheim, der ernüchterte Kommissar, schlüpfte in einen Höhlenanzug, schnürte sich das Kletterseil um die Taille und hängte sich das Walkie-talkie um.

»Sollte ich nie wieder raufkommen, möchte ich, daß meine ganze Habe den Waisen der Polizei zugute kommt.«

»Schluß mit dem Quatsch, mein lieber Bilsheim. Sie werden wieder raufkommen, und zur Feier des Tages werden wir zusammen ins Restaurant essen gehen.«

»Für den Fall, daß ich nicht wieder raufkomme, möchte ich Ihnen etwas sagen .«

Sie runzelte die Stirn.

»Na, na, hören Sie auf mit Ihren Kindereien, Bilsheim!«

»Ich möchte Ihnen sagen ... Eines Tages müssen wir alle für unsere schlechten Taten büßen.«

»Jetzt wird er noch zum Mystiker! Nein. Bilsheim. Sie irren sich, man büßt nicht für seine schlechten Taten! Mag sein, daß es einen >lieben Gott< gibt, wie Sie sagen, aber wenn, dann pfeift er auf uns! Und wenn Sie zu Lebzeiten nichts genossen haben, werden Sie es nach dem Tod auch nicht mehr!«

Sie lachte kurz und hämisch, dann trat sie ganz nah an ihren Untergebenen heran. Der hielt den Atem an. Üble Gerüche würde er in diesem Keller noch zur Genüge in die Nase bekommen .

»Aber so schnell werden Sie nicht sterben. Sie werden mir diese Sache klären. Ihr Tod würde keinem nutzen.«

Vor Verärgerung wurde der Kommissar wieder zum Kind, er war nur noch der kleine Junge, dem man seine Schaufel weggenommen hat und der - wohlwissend, daß er sie nie wiederbekommen wird - einige schwache Beleidigungen ausstößt.

»Klar, mein Tod wäre das Scheitern Ihrer >persönlichen< Ermittlungen. Dann sieht man, was dabei herauskommt, wenn Sie, wie Sie sagten, >die Sache selbst in die Hand nehmen<.«

Sie trat noch näher, als wollte sie ihn auf den Mund küssen. Statt dessen raunte sie ihm bedächtig-feucht ins Gesicht: »Sie mögen mich nicht, was, Bilsheim? Niemand mag mich, und das ist mir schnurz, außerdem mag ich Sie auch nicht. Und ich habe auch nicht das geringste Interesse, beliebt zu sein. Ich will nur, daß man mich fürchtet. Eins sollten Sie trotzdem wissen: Wenn Sie da unten draufgehen, stört mich das keineswegs, ich werde einen dritten Trupp losschicken. Wenn Sie mir wirklich schaden wollen, dann kommen Sie siegreich und lebend zurück, dann wäre ich Ihnen zu Dank verpflichtet.«