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Er gab keine Antwort. Er starrte auf die weißen Haarwurzeln der Modefrisur, das erleichterte ihn.

»Wir sind soweit!« sagte einer der Gendarmen und hob sein Gewehr.

Sie hatten sich untereinander angeseilt.

»Okay, gehn wir.«

Sie gaben den drei Polizisten, die mit ihnen in Verbindung bleiben würden, ein Zeichen, dann stiegen sie in den Keller hinab.

Solange Doumeng setzte sich an einen Schreibtisch, auf den sie ihr Funkgerät gestellt hatte.

»Viel Glück, kommen Sie schnell zurück!«

3

Drei Odysseen

Endlich hat Nr. 56 den idealen Platz gefunden, um ihre Stadt zu bauen. Ein runder Hügel. Sie klettert hinauf. Von oben erkennt sie die weiter östlich gelegenen Städte: Zubi-zubikan und Glubi-diu-kan. Normalerweise dürfte die Verbindung mit dem Rest der Föderation keine Probleme geben.

Sie untersucht die Gegend. Die Erde ist ein wenig hart, und sie hat eine graue Farbe. Die neue Königin sucht eine Stelle, wo der Boden weicher ist, aber das ist überall dasselbe. Als sie - in der Absicht, ihr erstes Geburtsgemach zu graben -entschlossen ihre Mandibeln einsetzt, verspürt sie eine seltsame Erschütterung. Wie ein Erdbeben, aber viel zu lokalisiert, als daß es wirklich eines sein könnte. Sie piekst erneut in den Boden. Schon wieder, schlimmer noch: der Hügel hebt sich und rutscht nach links.

Soweit das Ameisengedächtnis zurückreicht, hat man schon viel erlebt, aber einen lebenden Hügel noch nie! Der hier rückt mit flottem Tempo voran, zerteilt die Gräser, tritt Zweige nieder.

Nr. 56 hat sich noch nicht von ihrer Überraschung erholt, als sie einen zweiten Hügel sieht, der näher rückt. Was für ein Zauber ist das? Bevor sie dazu kommt, wieder herabzusteigen, wird sie auf eine Art Rodeo verschleppt, in Wirklichkeit ein Liebestanz zweier Hügel. Die sich jetzt schamlos betatschen ... Zu allem Überfluß ist der Hügel, auf dem Nr. 56 sitzt, weiblich. Und der andere macht sich daran, langsam auf ihn draufzuklettern. Nach und nach erscheint ein steinerner Kopf, ein fürchterlicher Wasserspeier, der den Mund aufmacht.

Das ist zuviel! Die junge Königin verzichtet darauf, ihre Stadt in dieser Gegend zu gründen. Als sie sich von diesem Gebirge herabrollen läßt, erkennt sie, welcher Gefahr sie entronnen ist. Die Hügel haben nicht nur Köpfe, sondern obendrein vier krallenbewehrte Füße und kleine dreieckige Schwänze.

Das ist das erste Mal, daß Nr. 56 Schildkröten zu sehen bekommt.

zeit der Verschwörer:    Unter den Menschen ist folgendes

Organisationsprinzip am meisten verbreitet: Eine komplexe Hierarchie von »Verwaltenden« (Männern und Frauen, die an der Macht sind) betreut oder vielmehr leitet die eher beschränkte Gruppe der »Kreativen«, deren Arbeit sich anschließend, unter der Flagge der Distribution, die »Händler« bemächtigen ... Verwaltende, Kreative. Händler. Das sind die drei Kasten, die heutzutage den Arbeiterinnen, Soldatinnen und geschlechtlich Differenzierten bei den Ameisen entsprechen.

Der Kampf zwischen Stalin und Trotzki, den beiden russischen Führern zu Beginn des 20. Jahrhunderts, illustriert trefflich den Übergang von einem System, das die Kreativen begünstigt, zu einem System, das die Verwaltung begünstigt. Trotzki, der Mathematiker, Gründer der Roten Armee, wird nämlich von Stalin ausgeschaltet, dem Meister des Komplotts. Eine neue Ära beginnt.

Man kommt in den jeweiligen Gesellschaftsschichten besser und schneller voran, wenn man zu verführen, Killer zu versammeln, zu desinformieren weiß, als wenn man imstande ist, Konzepte oder neue Gegenstände zu schaffen.

Edmond Wells

Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens

Nr. 4000 und Nr. 103 683 haben sich wieder auf die durch Duftnoten gekennzeichnete Piste begeben, die zu dem Termitenhügel des Ostens führt. Sie begegnen Skarabäen, die damit beschäftigt sind. Humuskugeln zu rollen. Ameisenkundschafterinnen von einer Gattung, die so klein ist, daß man sie nur mit Mühe erkennt, anderen, die so groß sind, daß die beiden Soldatinnen kaum gesehen werden ...

Tatsächlich gibt es über zwölftausend Arten von Ameisen, und jede hat ihre eigene Morphologie. Die kleinsten messen nur ein paar hundert Mikron, die größten können bis zu sieben Zentimeter erreichen. Die roten Ameisen befinden sich in der Mitte.

Nr. 4000 scheint sich endlich zurechtzufinden. Sie müssen noch diesen grünen Moosfleck überqueren, diesen Akazienstrauch hinaufklettern, unter diesen Narzissen herkrabbeln, und normalerweise müßte das dann hinter diesem Baumstumpf sein.

Und in der Tat, kaum haben sie den Baumstumpf hinter sich gelassen, erscheinen hinter Quellern und Sanddornen der Fluß des Ostens und der Hafen von Satei.

»Hallo, hallo, Bilsheim, können Sie mich hören?«

»Klar und deutlich.«

»Alles in Ordnung?«

»Keine Probleme.«

»Die Länge des abgerollten Seils gibt an, daß Sie 480 Meter hinter sich haben.«

»Wunderbar.«

»Haben Sie etwas gesehen?«

»Nichts von Belang. Bloß ein paar in den Stein geritzte Inschriften.«

»Was für Inschriften?«

»Esoterisches Zeug. Soll ich Ihnen eine vorlesen?«

»Nein, ich glaube Ihnen aufs Wort ...«

Der Bauch von Nr. 56 ist in hellem Aufruhr. Im Inneren zerrt es, stößt es, rumpelt es. Sämtliche Bewohner ihrer künftigen

Stadt werden allmählich ungeduldig.

Also verzichtet sie auf große Ansprüche. Sie wählt einen Kessel aus ockerfarbener bis schwarzer Erde und beschließt, dort ihre Stadt zu gründen.

Der Ort ist keine schlechte Wahl. Es gibt in der Umgebung keine Duftnoten von Zwergameisen, Termiten oder Wespen. Es gibt sogar einige Pheromonenpisten, die darauf hinweisen, daß sich schon Belokanerinnen bis hierher vorgewagt haben.

Sie kostet die Erde. Der Boden ist reich an Spurenelementen, nicht zu trocken, aber auch nicht allzu feucht. Sogar ein kleiner Busch ragt über den Kessel.

Sie reinigt eine kreisrunde Fläche von dreihundert Kopf Durchmesser, was den optimalen Grundriß ihrer Stadt darstellt.

Mit den Kräften am Ende, würgt sie mehrmals, um Nahrung aus ihrem Sozialkropf nach oben zu befördern, aber der ist schon lange leer. Sie hat keine Energiereserven mehr. Also reißt sie mit einem Ruck ihre Flügel ab und verzehrt gierig die muskulösen Wurzeln.

Mit diesem Kalorienschub müßte sie einige Tage auskommen.

Dann vergräbt sie sich bis zum Rand der Antennen. Niemand darf sie sehen während dieser Zeit, in der sie eine wehrlose Beute abgibt.

Sie wartet. Die in ihrem Körper versteckte Stadt wird langsam wach. Wie wird sie sie nennen?

Als erstes muß sie sich den Namen einer Königin ausdenken. Einen Namen zu haben heißt, bei den Ameisen als autonomes Wesen zu existieren. Die Arbeiterinnen. Soldatinnen. »Jungfrauen« werden einzig nach der Nummer der Geburtsreihenfolge benannt. Die fruchtbaren Weibchen hingegen dürfen einen Namen annehmen.

Hmm ... Sie ist, als sie aufbrach, von den Kriegerinnen mit dem Felsengeruch gejagt worden, also braucht sie sich nur »die verfolgte Königin« zu nennen. Oder nein, sie ist verfolgt worden, weil sie versucht hat, das Rätsel der geheimen Waffe zu lösen. Nicht, daß sie das vergißt. Also ist sie »die aus dem Geheimnis hervorgegangene Königin«.

Und sie beschließt, ihrer Stadt den Namen »Stadt der aus dem Geheimnis hervorgegangenen Königin« zu geben. Was sich in der Duftsprache der Ameisen so anhört: Chli-Pu-Kan.

Zwei Stunden später. Erneuter Kontakt.

»Alles klar, Bilsheim?«

»Wir sind vor einer Tür. Eine ganz normale Tür mit einer langen Inschrift. In altertümlichen Lettern.«