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Sie kommt nicht dazu, weiter darüber nachzudenken. Die Roten haben aufgehört zu graben. Eine Wasserflut spritzt aus der Decke. Die Sklavenhalterinnen versuchen durch den Gang zu fliehen, aber dieser ist jetzt durch einen großen Felsen versperrt. Und das Wasser steigt. Diejenigen, die nicht bereits durch den Aufprall des Wassers niedergestreckt wurden, wehren sich mit aller Kraft.

Die Idee zu dieser Falle ist der roten Kriegerin gekommen, die darauf hingewiesen hat, daß man nicht die Vorfahren kopieren dürfe. Anschließend hat sie die Frage gestellt: Was ist die Besonderheit unserer Stadt? Als Antwort nur ein einziges Pheromon: Der unterirdische Bach im 12. UG.

Also haben sie eine Rinne gegraben, den Boden mit dicken, wasserundurchlässigen Blättern abgedeckt und so eine Art Kanal geschaffen. Der Rest hing eher mit der Technik der Zisternen zusammen. Sie haben ein großes Becken in einer Kammer eingerichtet und dessen Zentrum mit einem Zweig angebohrt. Das Schwierigste war, den Bohrzweig über der Wasseroberfläche zu halten. Dieses heikle Unterfangen wurde von an der Decke hängenden Ameisen erfolgreich bewältigt.

Die Sklavenhalterinnen unten zappeln und strampeln. Die meisten sind bereits ertrunken, aber als sich das gesamte Wasser in den unteren Saal ergossen hat, steht es so hoch, daß es einigen Kriegerinnen gelingt, durch das Loch in der Decke zu steigen. Die Roten haben keine Mühe, sie mit Säurestrahlen zu erledigen.

Eine Stunde später rührt sich keine der Sklavenhalterinnen mehr. Die Königin Chli-pu-ni hat gesiegt. Sie gibt ihre erste historische Sentenz von sich: Je höher das Hindernis, um so größer die Verpflichtung, über uns hinauszuwachsen.

Ein dumpfes und regelmäßiges Klopfen ließ Augusta in die Küche eilen, wo sich Professor Leduc gerade durch das Loch in der Mauer zwängte. Also so was, nach achtundvierzig Stunden! Endlich kommt mal jemand zurück, und dann muß es ausgerechnet dieser Fiesling sein, dessen Verschwinden ihr ganz egal gewesen wäre!

Sein Höhlenanzug war zerfetzt, aber er selbst war unversehrt. Er hatte ebenfalls nichts erreicht, das sah man ihm an der Nase an.

»Und?«

»Was, und?«

»Haben Sie sie gefunden?«

»Nein .«

Augusta war aufgewühlt. Zum erstenmal kehrte jemand lebend und nicht verrückt aus diesem Loch zurück. Es war also möglich, dieses Abenteuer zu bestehen!

»Ja, was ist denn nun da unten? Führt das in den Wald von Fontainebleau, wie Sie meinten?«

Er schälte sich aus seinem Helm.

»Geben Sie mir bitte erst etwas zu trinken. Ich habe all meine Vorräte aufgebraucht, und ich habe seit gestern mittag nichts mehr getrunken.«

Sie brachte ihm eine Tasse Kräutertee, den sie in einer Thermosflasche warm hielt.

»Soll ich Ihnen sagen, was da unten ist? Da ist eine Wendeltreppe, die über mehrere hundert Meter steil nach unten führt. Dann kommt eine Tür, dahinter ein rot schimmernder Gang voller Ratten und ganz am Ende eine Mauer, die Ihr Enkel Jonathan gebaut haben muß. Eine sehr starke Mauer, ich habe vergeblich versucht, mit dem Preßlufthammer ein Loch zu bohren. Vermutlich verschiebt oder dreht sie sich, sie ist nämlich mit einer Tastatur für ein Kodewort versehen.«

»Eine Tastatur für ein Kodewort?«

»Ja, wahrscheinlich muß man darauf das Lösungswort der Frage eintippen.«

»Was für eine Frage?«

»Wie bildet man vier gleichseitige Dreiecke mit sechs Streichhölzern?«

Augusta konnte nicht umhin, laut aufzulachen. Was den Wissenschaftler profund ärgerte.

»Sie kennen die Lösung!«

Prustend stieß sie hervor:

»Nein! O nein! Ich kenn die Lösung nicht! Aber die Frage, die kenn ich!«

Und sie lachte, lachte. Professor Leduc brummelte:

»Ich habe stundenlang danach gesucht. Sicher, mit Dreiecken, die V-förmig verschachtelt sind, kommt man zu einem Ergebnis, aber die sind nicht gleichseitig.«

Er packte seine Sachen ein.

»Wenn Sie einverstanden sind, werde ich einen befreundeten Mathematiker fragen und noch einmal zurückkommen.«

»Nein!«

»Wie? Nein?«

»Ich habe Ihnen eine Chance gegeben, das war die einzige! Wenn Sie sie nicht nutzen konnten, dann ist es jetzt zu spät. Schaffen Sie diese beiden Koffer hier raus. Auf Wiedersehen, Monsieur!«

Sie rief ihm nicht einmal ein Taxi. Ihre Abneigung hatte die Oberhand gewonnen. Er hatte etwas an sich, das sie entschieden nicht riechen konnte.

Sie setzte sich in die Küche, vor die beschädigte Mauer. Jetzt hatte sich die Sachlage geändert. Sie entschloß sich, Jason Bragel und diesen Rosenfeld anzurufen. Sie hatte sich entschieden, sich vor ihrem Tod noch ein wenig zu amüsieren.

MENSCHLICHE PHEROMONE:    Wie die Insekten, die über Düfte

kommunizieren, verfügt auch der Mensch über eine olfaktorische Sprache, in der er sich unbewußt mit seinesgleichen unterhält.

Da wir keine Antennen als Sender haben, scheiden wir unsere Pheromone durch Achselhöhlen, Brüste, Kopfhaut und Geschlechtsteile aus.

Diese Botschaften werden unbewußt wahrgenommen, sind deshalb aber nicht weniger wirkungsvoll. Der Mensch hat fünfzig Millionen olfaktorischer Nervenenden, fünfzig Millionen Zellen, die imstande sind. Millionen von Gerüchen zu identifizieren, obwohl unsere Sprache nur vier Gerüche kennt.

Wie nutzen wir diese Form der Kommunikation?

Zunächst einmal als sexuellen Appell. Ein Mann kann sich sehr gut zu einer Frau hingezogen fühlen, weil er ihren natürlichen Duft schätzt (der überdies viel zu oft von künstlichen Düften überlagert wird!) Ebenso kann er eine andere abstoßend finden, deren Pheromone ihn nicht »ansprechen«.

Der Vorgang ist recht subtil. Die beiden Wesen bemerken das olfaktorische Gespräch, das sie miteinander geführt haben, nicht einmal. Man könnte zu Recht sagen, »die Liebe ist blind«.

Der Einfluß der menschlichen Pheromone kann auch in puncto Aggression zutage treten. Wie bei den Hunden wird ein Mensch, der den Geruch mit der Botschaft »Angst« auf seiten seines Widersachers wahrnimmt, ganz natürlich Lust haben, jenen anzugreifen.

Zu guter Letzt: Eine der erstaunlichsten Folgen der Auswirkung menschlicher Pheromone ist wohl die Synchronisierung der Menstruationszyklen. Man hat in der Tat beobachtet, daß Frauen, die zusammenleben, Gerüche absondern, die den jeweiligen Organismus dahingehend beeinflussen, daß sie gleichzeitig ihre Regel bekommen.

Edmond Wells

Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens

Sie erblicken die ersten Schnitterinnen inmitten gelber Felder. Eigentlich sollte man eher von Holzfällerinnen sprechen, denn ihr Getreide ist erheblich größer als sie, und sie müssen die Stengel ganz unten anschneiden, damit die nahrhaften Körner zu Boden fallen.

Daneben besteht ihre Haupttätigkeit darin, sämtliche Pflanzen zu vernichten, die um ihre Felder herum wachsen. Dazu benutzen sie ein Vertilgungsmittel eigener Produktion: die Indolessigsäure, die sie mit einer Hinterleibsdrüse versprühen.

Die Schnitterinnen schenken Nr. 103 683 und Nr. 4000 bei deren Eintreffen kaum Beachtung. Sie haben noch nie rote Ameisen gesehen, und für sie sind diese beiden Insekten bestenfalls entflohene Sklavinnen oder zwei Ameisen, die auf der Suche nach der Lomechuse-Droge (??) sind. Kurzum, Landstreicherinnen oder Drogenabhängige.

Schließlich jedoch identifiziert eine der Schnitterinnen ein Molekül des Duftes der blutroten Ameisen. Gefolgt von einer Kameradin, verläßt sie ihren Arbeitsplatz und kommt näher.

Ihr habt die Blutroten getroffen? Wo sind sie?