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Von der alten belokanischen Kundschafterin ist nichts mehr übrig. Gleichzeitig nehmen die von den Schlupfwespeneiern verursachten Qualen ein Ende. Man kann erkennen, daß eine Larve dieser Wespe ihren Rücken durchbohrt hat, kaum mehr als ein weißer Punkt mitten auf dem platten roten Körper ...

So schlagen die Wächter des Randes der Welt also zu. Man hört einen Lärm, nimmt einen Luftzug wahr, und im nächsten Moment ist alles zerstört, pulverisiert, vernichtet. Nr. 103 683 hat das Phänomen noch nicht ganz analysiert, als eine erneute Verpuffung zu hören ist. Der Tod schlägt also auch dann zu, wenn niemand seine Schwelle überschreitet. Wieder fällt Staub zur Erde.

Nr. 103 683 möchte dennoch nicht auf die Überquerung verzichten. Sie denkt an Satei. Das Problem ist ähnlich gelagert. Wenn man oben nicht durchkommt, muß man unten durch. Man muß diese schwarze Erde wie einen Fluß sehen, und das beste Mittel, einen Fluß zu passieren, besteht darin, einen Tunnel zu graben.

Sie redet darüber mit den sechs Schnitterinnen, die sogleich hellauf begeistert sind. Das ist so einleuchtend, daß sie nicht begreifen, weshalb sie nicht längst darauf gekommen sind! Und so machen sie sich daran, mit aller Kraft ihrer Mandibeln zu schaufeln.

Jason Bragel und Professor Rosenfeld waren nie begeisterte Kräuterteetrinker, doch jetzt waren sie im Begriff, es zu werden. Augusta erzählte ihnen alles haarklein. Sie teilte ihnen mit, daß sie von ihrem Sohn nach ihr als nächste Erben der Wohnung bestimmt worden seien. Wahrscheinlich wären sie, wie sie selbst, eines Tages versucht, den Untergrund zu erforschen. Da wäre es doch sinnvoller, wenn sie mit vereinten Kräften vorgingen.

Nach dieser Einleitung redeten sie alle drei sehr wenig. Sie verstanden sich wortlos. Ein Blick, ein Lächeln ... Keiner von ihnen hatte je eine solch spontane geistige Osmose erlebt. Das ging über den reinen Intellekt hinaus; man hätte meinen können, sie seien geboren, um einander zu ergänzen, als würden ihre genetischen Programme ineinandergreifen und verschmelzen. Das war Zauberei. Augusta war steinalt, und doch fanden die beiden anderen, sie sei wunderschön ...

Sie kamen auf Edmond zu sprechen; ihre Zuneigung zu dem Verstorbenen, die frei von jedem Hintergedanken war, erstaunte sie selbst. Jason Bragel redete nicht von seiner Familie, Daniel Rosenfeld redete nicht von seiner Arbeit, Augusta redete nicht von ihrer Krankheit. Sie beschlossen, noch am gleichen Abend hinabzusteigen. Sie wußte, das war das einzige, was sie zu tun hatten, hier und jetzt.

lange hat man: Lange hat man geglaubt, die Informatik im allgemeinen und speziell die Programme künstlicher Intelligenz würden die menschlichen Begriffe vermischen und unter neuen Blickwinkeln präsentieren. Kurzum, man erwartete von der Elektronik eine neue Philosophie. Aber selbst wenn man sie anders präsentiert, bleibt die ursprüngliche Materie ein und dieselbe: Gedanken, die von der menschlichen Vorstellungskraft hervorgebracht wurden. Das ist eine Sackgasse.

Der beste Weg, das Denken zu erneuern, besteht darin, aus der

Edmond Wells

Enzyklopädie des absoluten und relativen Wissens

Chli-pu-kan gedeiht an Größe und Intelligenz, ist jetzt eine »erwachsene« Stadt. Unter Anwendung der Wassertechnologien hat man ein ganzes Netz von Kanälen unterhalb des 12. UG geschaffen. Diese Wasserarme ermöglichen einen raschen Nahrungstransport von einem Ende der Stadt zum andern.

Die Chlipukanerinnen hatten Zeit genug, die Techniken des Transports auf dem Wasserweg weiterzuentwickeln. Das Nonplusultra stellt ein treibendes Heidelbeerblatt dar. Man braucht bloß die richtige Strömung zu wählen und kann in aller Ruhe über eine beträchtliche Entfernung reisen. Von den Pilzkulturen im Osten zu den Stallungen im Westen zum Beispiel.

Die Ameisen hoffen, daß es ihnen eines Tages gelingt. Schwimmkäfer abzurichten. Diese großen, mit Luftsäcken unter den Deckflügeln ausgestatteten Unterwasserkäfer schwimmen in der Tat sehr schnell. Wenn man sie dazu bringen könnte, die Blätter anzuschieben, verfügten diese Flöße über einen Antrieb, der weniger zufällig wäre als die Strömungen.

Chli-pu-ni bringt eine weitere futuristische Idee vor. Sie erinnert sich des Nashornkäfers, der sie aus dem Spinnennetz befreit hat. Welch vollkommene Kriegsmaschine! Diese Käfer haben nicht nur ein großes Hörn und einen undurchdringlichen Panzer, zudem fliegen sie mit hoher Geschwindigkeit. Chli-pu-ni denkt unverblümt an eine ganze Legion dieser Tiere, eine ganze Legion mit zehn Artilleristinnen auf dem Kopf jedes einzelnen. Sie sieht bereits, wie diese quasi unverwundbaren Besatzungen über die feindlichen Truppen herfallen und sie mit Säure überschwemmen ...

Einziges Hindernis: Wie alle Käfer erweisen sich auch die Nashornkäfer als äußerst schwierig zu zähmen, da es nicht einmal gelingt, ihre Sprache zu verstehen! Also sind zehn Arbeiterinnen ständig damit beschäftigt, deren Duftemissionen zu entschlüsseln und zu versuchen, ihnen die Pheromonensprache der Ameisen beizubringen.

Wenn die Ergebnisse vorerst auch mäßig sind, schaffen es die Chlipukanerinnen doch, ihr Vertrauen zu gewinnen, indem sie sie mit Honigtau vollstopfen. Die Nahrung ist schließlich die am weitesten verbreitete Insektensprache.

Dieser kollektiven Dynamik zum Trotz ist Chli-pu-ni besorgt. Drei Trupps von Abgesandten hat sie in Richtung Föderation losgeschickt, um Chli-pu-kan als fünfundsechzigste Stadt anerkennen zu lassen, und sie hat immer noch keine Antwort. Sollte Belo-kiu-kiuni das Bündnis ablehnen?

Je mehr sie darüber nachdenkt, um so mehr ist Chli-pu-ni davon überzeugt, daß ihre abgesandten Spioninnen Fehler begangen haben, daß sie sich von den Kriegerinnen mit dem Felsengeruch haben abfangen lassen. Sofern sie nicht der halluzinierenden Droge im 50. UG erlegen sind ... Oder gab es noch andere Möglichkeiten?

Sie möchte Gewißheit haben. Sie will weder auf die Anerkennung durch die Föderation noch auf die Fortführung der Untersuchung verzichten! Sie beschließt, Nr. 801 loszuschicken, ihre beste und scharfsinnigste Kriegerin. Um der jungen Soldatin sämtliche Trümpfe in die Hand zu geben, nimmt die Königin einen Gedankenaustausch mit ihr vor, so daß jene ebensoviel über das Geheimnis weiß wie sie selbst. Nr. 801 wird:

Chli-pu-kans Auge, das sieht Chli-pu-kans Antenne, die fühlt Chli-pu-kans Kralle, die zuschlägt.

Die alte Dame hatte einen Rucksack bis zum Rand mit Lebensmitteln und Getränken, darunter drei Thermosflaschen mit heißem Kräutertee, vollgestopft. Bloß nicht den gleichen Fehler machen wie dieser Fiesling Leduc, der schnell wieder zurückkommen mußte, weil er den Faktor Nahrung vernachlässigt hat ... Andererseits, hätte er jemals das Kodewort erraten? Augusta hatte ihre Zweifel.

Jason Bragel hatte unter anderem eine Tränengasgranate, ein dickes Modell, und drei Gasmasken besorgt; Daniel Rosenfeld hatte seinerseits einen Fotoapparat mit Blitzlicht mitgenommen, das Neueste, was es auf dem Markt gab.

Inzwischen kreisten sie durch das steinerne Karussell. Wie all ihre Vorgänger rief der Abstieg auch in ihnen Erinnerungen, fast vergessene Gedanken wach. Kindheit, erster Schmerz. Fehler und Irrtümer, enttäuschte Liebe, Egoismus, Stolz, Gewissensbisse ...

Ihre Körper bewegten sich mechanisch, fern jeder Müdigkeit. Sie drangen in das Fleisch des Planeten, in ihre Vergangenheit vor. Ah, wie lang war das Leben, und wie vernichtend konnte es sein, viel eher vernichtend als schöpferisch ...

Endlich gelangten sie an eine Tür. Eine Tür mit einer Inschrift:

Im Augenblick des Todes befällt die Seele die gleiche Empfindung wie jene, die in das große Mysterium eingeweiht sind.

Zunächst ist alles eine beschwerliche Reise, eine beunruhigende, endlose Fahrt durch die Finsternis.