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»Hier haben wir dieses Problem nicht. Man kann keine persönlichen Ambitionen haben, wenn man in einer kleinen Gruppe unter der Erde lebt ...«

Schweigen.

»Zudem reden wir immer weniger, wir brauchen das nicht mehr, um einander zu verstehen.«

»Ja, hier passiert etwas. Aber wir verstehen es noch nicht und haben auch noch keine Kontrolle darüber. Wir sind längst nicht am Ziel, wir sind noch auf halbem Weg.«

Erneutes Schweigen.

»Kurz und gut, ich hoffe, es wird euch in unserer kleinen Gemeinschaft gefallen.«

Nr. 801 kommt erschöpft in ihrer Geburtsstadt an. Geschafft! Sie hat es geschafft.

Chli-pu-ni nimmt sofort einen Gedankenaustausch vor, um zu erfahren, was geschehen ist. Was sie hört, bestätigt sie in ihren schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich des unter der Granitplatte verborgenen Geheimnisses.

Sie beschließt. Bel-o-kan unverzüglich militärisch anzugreifen. Die ganze Nacht über rüsten sich ihre Soldatinnen aus. Die ultramoderne fliegende Legion ist fertig.

Nr. 103 683 macht einen Vorschlag. Während ein Teil der Armee von vorne angreift, könnten zwölf Legionen heimlich einen Bogen um die Stadt schlagen, um einen Sturm auf den Stumpf mit dem königlichen Gemach zu unternehmen.

DAS UNIVERSUM STREBT: Das Universum geht in Richtung Komplexität. Vom Wasserstoff zum Helium, vom Helium zum Kohlenstoff. Immer komplexer, immer ausgeklügelter, so die Entwicklung, die die Dinge nehmen.

Von allen bekannten Planeten ist die Erde der komplizierteste. Sie befindet sich in einer Zone, in der ihre Temperatur schwanken kann. Ihre Oberfläche besteht aus Meeren und Bergen. Doch wenn ihr Spektrum an Lebensformen auch praktisch unbegrenzt ist, so gibt es doch zwei, die durch ihre Intelligenz über die anderen hinausragen. Die Ameisen und die Menschen.

Man könnte meinen, Gott habe den Planeten Erde ausgesucht, um ein Experiment anzustellen. Er hat zwei Gattungen mit zwei völlig konträren Philosophien auf den Weg des Bewußtseins geschickt, um zu sehen, welche schneller vorankommt.

Das Ziel ist vermutlich, zu einem kollektiven planetarischen Bewußtsein zu gelangen: der Zusammenschluß sämtlicher Hirne der Gattung. Das ist meines Erachtens die nächste Phase des Abenteuers des Bewußtseins. Die nächste Stufe der Kompliziertheit.

Die beiden führenden Gattungen haben indes getrennte Wege beschritten:

Um intelligenter zu werden, hat der Mensch sein Hirn aufgebläht, bis es eine geradezu monströse Größe hatte. Eine Art dicker Blumenkohl.

Um zu dem gleichen Ergebnis zu gelangen, haben die Ameisen statt dessen Tausende von kleinen Hirnen verwandt, die durch sehr subtile Kommunikationssysteme miteinander verbunden waren.

Unter dem Strich erbringt diese Masse von kleinen Bröckchen ebensoviel Materie und Intelligenz wie der menschliche Blumenkohl. Der Kampf geschieht mit ebenbürtigen Waffen.

Aber was wäre, wenn diese beiden Formen von Intelligenz, statt getrennte Wege zu gehen, kooperierten ...?

Edmond Wells

Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens

Jean und Philippe interessieren sich für nichts als fürs Fernsehen, höchstens noch für den Flipper. Selbst der nagelneue, kürzlich erst mit hohem Kostenaufwand angelegte Minigolfplatz interessiert sie nicht mehr. Und erst die Spaziergänge durch den Wald ... Für sie gibt es nichts Schlimmeres, als wenn ihnen der Aufpasser befiehlt, frische Luft zu schnappen.

Sicher, letzte Woche, als sie die Frösche aufgeblasen haben, das war schon amüsant, aber das Vergnügen war ein wenig kurz.

Heute jedoch scheint Jean eine Betätigung eingefallen zu sein, die Interesse verdient. Er zieht seinen Freund aus der Gruppe von Waisenkindern, die dämlicherweise welke Blätter sammelt, um noch dämlichere Bilder damit zu machen, und zeigt ihm eine Art Zementkegel. Ein Termitenhügel.

Sie zögern nicht, ihn mit den Füßen zu zertrampeln, aber es kommt nichts raus, der Hügel ist leer. Philippe beugt sich herab und schnüffelt.

»Die hat der Straßenwärter abgemurkst. Riech mal, das stinkt nach Vertilgungsmittel, die sind da drinnen alle krepiert.«

Enttäuscht wollen sie sich gerade wieder zu den anderen gesellen, als Jean auf der anderen Seite des kleine Bachs, unter einem Strauch halb verdeckt, eine Pyramide erblickt.

Volltreffer! Ein beeindruckender Ameisenhaufen, ein richtiger Dom, mindestens einen Meter hoch! Lange Kolonnen von Ameisen gehen ein und aus, Hunderte, Tausende von Arbeiterinnen, Soldatinnen, Kundschafterinnen. Hierhin ist das DDT noch nicht gekommen.

Jean hüpft vor Aufregung von einem Bein aufs andere.

»He, hast du so was schon mal gesehn?«

»O nein, du willst doch nicht schon wieder Ameisen fressen ... Die letzten haben ätzend geschmeckt ...«

»Wer redet denn von fressen? Du hast ’ne richtige Stadt vor dir, so was wie New York oder Mexiko. Weißt du nicht mehr, was die im Fernsehen gesagt haben? In so ’nem Ding wimmelt es von Viechern. Guck dir diese Bekloppten an, die ackern wie blöd!«

»Na ja ... Hast du vergessen, daß sich Nicolas so lange für Ameisen interessiert hat, bis er verschwunden war? Ich bin sicher, er hatte Ameisen im Keller, und die haben ihn aufgefressen. Ich hab keine Lust, neben diesem Ding rumzustehn. Das gefällt mir nicht! Scheißameisen, gestern hab ich welche gesehn, die krochen aus ’nem Loch auf dem Minigolfplatz, vielleicht wollten die da ihr Nest bauen ... Verdammte Drecksameisen!«

Jean rüttelt ihn an der Schulter.

»Na eben! Du magst keine Ameisen, und ich auch nicht. Wir bringen sie um! Wir rächen unseren Kumpel Nicolas!«

Der Vorschlag weckt Philippes Interesse.

»Sie umbringen?«

»Na klar, warum nicht? Wir stecken diese Stadt an! Stell dir vor, ganz Mexiko in Flammen, weil es uns so paßt!«

»Okay, wir stecken sie an. Ja. Für Nicolas ...«

»Warte, ich hab noch ’ne bessere Idee: Wir blasen da Unkrautmittel rein, das gibt ’n richtiges Feuerwerk.«

»Genial ...«

»Paß auf, wir haben elf Uhr, in zwei Stunden treffen wir uns hier wieder. Dann geht uns der Aufpasser nicht auf den Keks, und alle anderen sind in der Mensa. Ich besorg das Unkrautmittel. Du siehst zu, daß du ’ne Schachtel Streichhölzer auftreibst, das ist besser als ’n Feuerzeug.«

»Alles klaro!«

Die Infanterieeinheiten rücken rasch vor. Wenn die anderen föderierten Städte fragen, wohin sie ziehen, antworten die Chlipukanerinnen, daß im Westen eine Eidechse gesichtet worden ist und daß die Hauptstadt sie um Unterstützung gebeten hat.

Über ihnen summen die Nashornkäfer, in ihrem Schwung kaum gebremst durch das Gewicht der Artilleristinnen, die auf 13 Uhr. In Bel-o-kan herrscht buntes Treiben. Man nutzt die Hitze, um die Eier, die Puppen und die Pflanzenläuse im Solarium anzuhäufen.

»Ich hab Brennspiritus mitgebracht, damit das noch besser hochgeht«, erklärt Philippe.

»Bestens«, sagt Jean. »Ich hab Unkrautmittel gekauft. Zwanzig Francs die Dose, diese Geldschröpfer!«

Belo-kiu-kiuni spielt mit ihren fleischfressenden Pflanzen. Seit sie da sind, fragt sie sich, warum sie eigentlich nie einen Schutzwall daraus gemacht hat, wie sie es ursprünglich vorhatte.

Dann denkt sie wieder an das Rad. Wie kann man diese geniale Idee verwerten? Vielleicht könnte man eine große Zementkugel anfertigen, sie mit den Fußspitzen ins Rollen bringen und damit die Feinde zerquetschen. Sie sollte den Plan aufs Tapet bringen.

»Okay, ich hab alles drauf geschüttet, den Spiritus und das Unkrautmittel.«

Während Jean spricht, klettert eine Ameisenkundschafterin an ihm hoch. Sie klopft mit den Antennen gegen den Stoff seiner Hose.

Sie scheinen eine riesige lebende Struktur zu sein. Können Sie mir Ihre Identifikationsdüfte geben?