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Er nimmt sie und zerquetscht sie zwischen Daumen und Zeigefinger. Der gelbe und schwarze Saft läuft über seine Finger.

»Die hat’s jetzt schon erwischt«, erklärt er. »Na schön, mach Platz, hier fliegen gleich die Fetzen!«

»Supergyros gibt das!« ruft Philippe.

»Die reinste Apokalypse!« kichert Jean.

»Was schätzt du, wie viele sind da drin?«

»Bestimmt Millionen. Angeblich haben letztes Jahr Ameisen hier in der Gegend ’ne Villa überfallen.«

»Die werden wir auch rächen«, sagte Jean. »Los, duck dich hinter den Baum da.«

Belo-kiu-kiuni denkt an die Menschen. Ihnen beim nächstenmal weitere Fragen stellen. Wie setzen sie das Rad ein?

Jean läßt ein Streichholz aufflammen und wirft es auf die Kuppel aus Zweigen und Kiefernnadeln. Dann läuft er los, um keinen Splitter abzubekommen.

Da ist sie, die chlipukanische Armee erblickt die Hauptstadt. Wie groß sie ist!

Belo-kiu-kiuni beschließt, unverzüglich mit ihnen zu sprechen. Sie muß ihnen auch sagen, daß sie ihnen problemlos mehr Honigtau liefern kann; die Produktion läßt sich dieses Jahr gut an.

Das Streichholz fällt auf die Zweige der Kuppel.

Die chlipukanische Armee ist nah genug. Sie rüstet zum Angriff.

Jean springt hinter die große Kiefer, wo Philippe bereits in Deckung gegangen ist.

Das Streichholz fällt auf eine Stelle, die weder mit Spiritus noch mit Unkrautvertilgungsmittel getränkt ist. Es geht aus.

Die Jungen richten sich auf.

»Verdammter Mist!«

»Ich weiß, was wir machen. Wir legen ’n Stück Papier drauf, dann haben wir ’ne große Flamme, die garantiert bis zu dem Spiritus kommt.«

»Hast du Papier dabei?«

»Öh ... bloß ’ne Metrofahrkarte.«

»Gib her.«

Eine Schildwache oben auf der Kuppel entdeckt etwas Mysteriöses: Nicht nur, daß mehrere Viertel seit einer Weile nach Alkohol riechen, jetzt steckt auch noch mitten auf der Spitze ein gelbes Stück Holz. Sie setzt sich sogleich mit einer Arbeitszelle in Verbindung, damit dieser Alkohol abgewaschen und der gelbe Balken entfernt wird.

Eine andere Schildwache kommt zur Tür Nr. 5 gelaufen. Alarm! Alarm! Eine Armee roter Ameisen greift uns an!

Die Fahrkarte brennt. Die beiden Jungen gehen erneut hinter der Kiefer in Deckung.

Eine dritte Schildwache sieht eine große Flamme am Ende des gelben Holzstücks auflodern.

Die Chlipukanerinnen rücken im Sturmschritt vor, wie sie es bei den Sklavenhalterinnen gesehen haben.

Erste Explosion.

Die gesamte Kuppel fängt Feuer.

Verpuffungen, Funken.

Trotz der sich ausbreitenden Hitze versuchen Jean und Philippe die Augen offenzuhalten. Das Spektakel enttäuscht sie nicht. Das trockene Holz brennt wie Zunder. Als die Flammen das Desinfektionsmittel erreichen, fliegt alles in die Luft. Weitere Detonationen. Grüne, rote, braune Funkengarben spritzen aus der »Stadt der verirrten Ameise«.

Die chlipukanische Armee hält inne. Das Solarium mit allen Eiern, dem gesamten Vieh flammt als erstes auf, dann greift das Feuer auf die gesamte Kuppel über.

Die Verbotene Stadt wird gleich in den ersten Sekunden der Katastrophe erfaßt. Die Ammen sind regelrecht zerplatzt. Kriegerinnen rennen herbei, um die Königin, die einzige Eierlegerin, herauszuholen. Zu spät, sie ist an den giftigen Gasen erstickt.

Der Alarm verbreitet sich im Nu. Alarmstufe 1: aufstachelnde Pheromone werden ausgestoßen; Alarmstufe 2: unheilverkündendes Trommeln dröhnt durch sämtliche Gänge; Alarmstufe 3: »Verrückte« rennen durch die Tunnel und geben ihre Panik weiter; Alarmstufe 4: alles Wertvolle (Eier, Fortpflanzungsfähige, Vieh, Nahrung ...) wird in die Tiefe transportiert, während in Gegenrichtung die Soldatinnen nach oben eilen, um sich dem Kampf zu stellen.

Oben in der Kuppel sucht man nach Lösungen. Artillerieeinheiten gelingt es, einige Bereiche zu löschen, indem sie schwach konzentrierte Ameisensäure einsetzen. Als diese improvisierte Feuerwehr den Erfolg ihrer Bemühungen sieht, bespritzt sie als nächstes die Verbotene Stadt. Vielleicht kann man das königliche Gemach retten, wenn man es befeuchtet.

Aber das Feuer siegt. Die eingeschlossenen Ameisen ersticken an den giftigen Dämpfen. Weißglühende Brückenbögen stürzen auf die entsetzten Massen. Die Panzer schmelzen und verbiegen sich wie Plastik in einer heißen Pfanne.

Nichts widersteht dem Ansturm dieser ungeheuren Hitze.

episode: Ich habe mich geirrt. Wir sind nicht ebenbürtig, wir sind keine Konkurrenten. Die Anwesenheit der Menschen ist nur eine kurze »Episode« in ihrer unbestrittenen Herrschaft auf Erden.

Sie sind viel, viel zahlreicher als wir. Sie haben mehr Städte, sie bewohnen viel mehr ökologische Nischen. Sie leben in trockenen, eisigen, heißen oder feuchten Zonen, in denen kein Mensch überleben könnte. Wohin unser Blick auch fällt, überall gibt es Ameisen.

Sie waren hundert Millionen Jahre vor uns da, und danach zu urteilen, daß sie einer der wenigen Organismen waren, die der Atombombe

widerstanden haben, werden sie sicher noch hundert Millionen Jahre nach uns da sein. Wir sind nur ein Zwischenspiel von drei Millionen Jahren in ihrer Geschichte. Im übrigen, wenn eines Tages außerirdische Wesen auf unserem Planeten landen, werden sie sich da nicht täuschen. Sie werden sich zweifelsohne mit ihnen unterhalten. Mit ihnen: den wahren Herren der Erde.

Edmond Wells

Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens

Am nächsten Morgen ist die Kuppel gänzlich verschwunden. Der schwarze Stumpf steht vollkommen kahl in der Mitte der Stadt.

Fünf Millionen Bürgerinnen sind tot. Sämtliche Ameisen, die sich in der Kuppel und seiner unmittelbaren Umgebung befanden.

All jene, die so geistesgegenwärtig waren, nach unten zu gehen, sind unversehrt.

Die Menschen, die unter der Stadt leben, haben nichts bemerkt. Die riesige Granitplatte hat sie abgeschirmt. Und das Ganze hat sich während einer ihrer künstlichen Nächte abgespielt.

Belo-kiu-kiunis Tod stellt den größten Verlust dar. Ohne ihre Eierlegerin ist das Volk ernstlich bedroht.

Die chlipukanische Armee indes hat sich an der Bekämpfung des Feuers beteiligt. Kaum erfahren die Kriegerinnen von Belo-kiu-kiunis Tod, entsenden sie Boten zu ihrer Stadt. Einige Stunden später erscheint, getragen von einem Nashornkäfer, Chli-pu-ni persönlich, um sich die Schäden anzusehen.

Als sie zu der Verbotenen Stadt kommt, ist die Feuerwehr noch im Begriff, die Asche zu begießen. Es gibt nichts mehr zu bekämpfen. Sie erkundigt sich, und man erzählt ihr, wie sich die unbegreifliche Katastrophe abgespielt hat.

Da es keine fruchtbaren Königinnen mehr gibt, wird sie selbstverständlich die neue Belo-kiu-kiuni und bezieht das königliche Gemach der Hauptstadt.

Jonathan wacht als erster auf. Er ist überrascht, den Drucker des Computers rattern zu hören.

Auf dem Bildschirm steht ein Wort.

Warum?

Sie haben also während der Nacht gesendet. Sie wollen sich unterhalten. Er tippt den üblichen Satz, der jedem Dialog vorausgeht.

Mensch: Guten Tag, ich bin Jonathan.

Ameise: Ich bin die neue Belo-kiu-kiuni. Warum?

Mensch: Die neue Belo-kiu-kiuni? Wo ist die alte?

Ameise: Ihr habt sie getötet. Ich bin die neue Belo-kiu-kiuni. Warum?

Mensch: Was ist passiert?

Ameise: Warum?

Damit bricht die Verbindung ab.

Jetzt weiß sie alles.

Sie, die Menschen, haben das getan.