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„Das ist allerdings ein lobenswerther Charakter, Herr Edwards,“ entgegnete der Richter mit Milde, „ich bin aber nie so glücklich gewesen, seine Achtung zu gewinnen, denn gegen mich war er immer zurückstoßend, was ich ihm übrigens, als die Grille eines alten Mannes, nachgesehen habe. Auch soll er, wenn ich ihm als sein Richter entgegen treten muß, wegen seines früheren Benehmens nichts von mir zu befahren haben, ebenso wenig als seine kürzlich geleisteten Dienste sein Verbrechen mildern können.“

„Verbrechen?“ wiederholte Edwards. „Ist es ein Verbrechen, einen lauernden Spürhund von seiner Thüre zu treiben? Verbrechen! O nein, Sir, wenn in dieser Sache ein Verbrechen vorgefallen ist, so kömmt es nicht auf seine Rechnung.

„Auf wessen sonst, Sir?“ fragte Richter Temple, indem er den aufgeregten Jüngling mit seiner gewohnten Ruhe in's Auge faßte.

Diese Frage war mehr, als der junge Mann ertragen konnte. Bisher hatten seine Gefühle mehr in der Tiefe seiner Seele getobt, aber nun kam der Vulkan zum Ausbruch.

„Anf wessen? und das mir,“ rief er. „Frage Dein eigenes Gewissen. Richter Temple. Gehe hinaus zu dieser Thüre und betrachte das Thal, den ruhigen See, diese schattigen Berge, und frage Dein eigenes Herz, wenn Du eines hast: woher kamen diese Reichthümer, dieses Thal, diese Berge, und warum bin ich ihr Besitzer? Ich sollte meinen, die Gestalten Mohegan's und Lederstrumpfs, die verarmt und verlassen durch das Land ziehen, sollten Dir allein schon den Anblick entleiden.“

Marmaduke hörte diesen leidenschaftlichen Ausbruch anfangs mit hohem Erstaunen an; aber als der Jüngling geendet hatte, winkte er seiner ungeduldigen Tochter, zu schweigen, und erwiederte:

„Oliver Edwards. Du vergißst, vor wem Du stehst Ich habe gehört, junger Mann, daß Du Ansprüche auf die Abkunft von den eingebornen Eigenthümern dieses Bodens gründest; aber sicherlich kann Dich die Erziehung, die Du erhalten, nichts nützen, wenn sie Dich nicht gelehrt hat, die Berechtigung der Weißen anzuerkennen. Diese Ländereien sind mein Eigenthum durch die Abtretung Deiner Vorfahren, wenn es anders mit Deiner angeblichen Abkunft seine Richtigkeit hat, und ich rufe den Himmel zum Zeugen auf für den Gebrauch, den ich davon gemacht habe. Nach einer solchen Sprache müssen wir uns trennen. Ich habe Dir zu lange Schutz in meinem Hause gegeben; aber jetzt ist die Zeit da, wo Du es verlassen mußst. Komm auf mein Zimmer und ich will Dir auszahlen, was ich Dir noch schulde; auch soll Dein dermaliges Ungestüm Deinem Glücke nicht im Wege stehen, wenn Du auf den Rath eines Mannes hören willst, der um so viele Jahre älter ist, als Du.“

Das nicht zu bewältigende Gefühl, welches einen so leidenschaftlichen Ausbruch des Jünglings herbeigeführt hatte, war entschwunden, und er sah Marmaduke's sich entfernender Gestalt mit einer Leerheit in den Blicken nach, welche die Abwesenheit seines Geistes bekundete. Endlich faßte er sich und langsam im Zimmer umherblickend, bemerkte er Elisabeth, welche noch immer mit gesenktem Haupte auf dem Sopha saß und ihr Antlitz mit den Händen bedeckt hielt.

„Miß Temple,“ begann er, denn in seinem Benehmen zeigte sich keine Spur mehr von der frühern Wildheit — „Miß Temple, ich habe mich vergessen; ich habe Ihrer vergessen. Sie haben den Entschluß Ihres Vaters vernommen, und ich verlasse noch diesen Abend das Haus. Von Ihnen aber wenigstens möchte ich in Frieden scheiden.“

Elisabeth erhob langsam ihr Antlitz, über das sich ein flüchtiger Ausdruck der Trauer hinstahl; als sie aber ihren Sitz verließ, leuchteten ihre Augen wieder von dem gewöhnlichen Feuer; ihre Wange brannte, und ihre ganze Haltung schien einem anderen Wesen anzugehören.

„Ich vergebe Ihnen, Edwards , und mein Vater wird Ihnen gleichfalls vergeben,“ sagte sie, als sie die Thüre erreicht hatte. „Sie kennen uns noch nicht, aber die Zeit wird wohl kommen, wo Sie Ihre Ansichten wechseln werden.“

„Ueber Sie? Niemals!“ unterbrach sie der Jüngling. „Ich—“

„Ich will sprechen, Sir, und nicht hören. Es liegt etwas in dieser Sache, was ich nicht begreife; aber sagen Sie Lederstrumpf, daß er in meinem Vater nicht bloß den Richter, sondern in uns auch Freunde vor sich hat. Beunruhigen Sie den alten Mann nicht unnöthiger Weise durch eine Erzählung des eben stattgehabten Vorgangs. Er hat die gerechtesten Ansprüche an uns, und sie sollen durch das, was Sie gesprochen, nicht gemindert werden. Herr Edwards, ich wünsche Ihnen Glück und wärmere Freunde.“

Der Jüngling wollte noch reden, aber sie verschwand so schnell durch die Thüre, daß er, als er in die Hausflur trat, nirgends mehr etwas von ihr erblicken konnte. Er blieb einen Augenblick wie betäubt stehen; dann stürzte er aus dem Hause und schlug, statt Marmaduke auf sein Zimmer zu folgen, unmittelbar den Weg nach der Hütte der Jäger ein.

Zweiunddreißigstes Kapitel.

Die Erde maß er und die Bahn der Sterne,

Der Monden Lauf, auf unbegrenzter Ferne.

Pope.

Richard kehrte erst in der Nacht des folgenden Tages von der Erfüllung seiner amtlichen Obliegenheit zurück. Es war ein Theil seines Geschäftes gewesen, die Verhaftung einer Falschmünzerbande zu beaufsichtigen, welche selbst in jener frühen Periode sich in die Wälder begraben hatte, um daselbst ihr schlechtes Geld auszuprägen und es nachher von einem Ende der Union bis zum andern in Umlauf zu setzen. Diese Amtsreise war erfolgreich gewesen, und der Sheriff zog ungefähr um Mitternacht an der Spitze einer bewaffneten Macht von Gerichtshelfern und Constabeln, welche vier gebundene Uebelthäter in ihrer Mitte hatte, im Dorfe ein. An dem Thore des Herrenhauses trennte man sich, nachdem Herr Jones seine Beistände beauftragt hatte, ihre Gefangenen in das Bezirksgefängniß abzuliefern, worauf der Sheriff mit einer Art von Selbstzufriedenheit, wie sie ein Mann von seinem Schlage wohl empfinden mag, wenn er einmal wirklich sehr Verständiges ausgeführt hat, den Kiesweg hinanschritt.

„Holla! Aggy!“ schrie Richard, als er die Thüre erreichte — „Wo bist Du, Du schwarzer Schlingel? Soll ich denn im Freien übernachten? Holla! Aggy! Brave! Brave! Ho, ho, wo bist Du hin gekommen, Brave! Er ist nicht auf seinem Posten! Alle Welt schläft; nur ich armer Teufel muß die Augen offen halten, damit Andere sicher schlummern mögen. Brave! Brave! Nun, so träge auch der Hund geworden ist, so muß ich ihm doch nachsagen, daß ich jetzt zum erstenmal sehe, wie er Jemand zur Nachtzeit der Thüre nahe kommen läßt, ohne ihn zu beschnuppern, um ausfindig zu machen, ob er ein ehrlicher Mann sey oder nicht. Seine Nase führte ihn dabei fast so sicher, als mich mein Auge. Hollah! Agamemnon! wo bist du? Ah! da kömmt der Hund endlich.

Der Sheriff war inzwischen abgestiegen, und sah auch eine Gestalt, welche er für Brave hielt, langsam aus der Hütte kriechen, als sich dieselbe plötzlich zu seinem großen Erstaunen, statt auf vier Beine, auf zwei aufrichtete, und er im Sternenlichte den krausen Kopf und das schwarze Gesicht des Negers unterscheiden konnte.

„Ha! was zum Teufel, machst Du hier, Du schwarzer Schuft?“ rief er. „Ist's in dieser warmen Nacht für Dein Guineablut im Hause nicht heiß genug, sondern mußst Du auch noch den armen Hund vertreiben, um in seinem Stroh zu schlafen?“

Unterdessen war der Bursche ganz wach geworden, und versuchte es nun, heulend seinem Herrn zu antworten: —

„O! Massa Richard! Massa Richard! solch ein Ding! solch ein Ding! Ich nie denken, er sterben! Ach Gott! Ist nicht begraben — ihn aufgehoben, bis Massa Richard zurück seyn — ein Grab gegeben — —“

Hier gewannen die Gefühle des Negers vollständig die Oberhand, und statt die Ursache seines Schmerzes deutlich aus einander zu setzen, heulte er nur laut hinaus.

„Wie? Was? begraben? Grab? Tod?“ rief Richard, mit einem Zittern in seiner Stimme. „Doch nicht Ernstliches Hoffentlich ist Benjamin nichts begegnet? Ich weiß, er hatte eine belegte Zunge; aber ich gab ihm — —“