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„Was ist denn das, was da neben zehn Uhr Vormittags steht? Ein Vollmond! Habt Ihr bei Tag einen Mond gesehen? Es ist mir wohl früher solch ein Ereigniß zu Ohren gekommen, doch — eh! Was ist das nebenan? ein Stundenglas?“

„Das?“ entgegnete Benjamin, indem er kaltblütig über des Sheriffs Schulter sah und mit spaßhafter Geberde den Tabak im Munde hin und her rollte; „je nun, das ist eine kleine Bemerkung, die mich selber angeht. Es soll nämlich nicht den Mond, sondern Betty Hollister's Gesicht vorstellen, Squire; denn sehen Sie, ich hörte so etwas, als hätte sie eine neue Ladung Jamaicarum flußaufwärts erhalten, und so sprach ich denn diesen Morgen bei ihr an — zehn Uhr steht also da? Ja, um diese Zeit muß es gewesen seyn, denn ich war auf dem Gang nach der Kirche begriffen und versuchte ein Glas; ich habe es ins Log eingetragen, damit es mir nicht entfalle, es wie ein ehrlicher Mann zu bezahlen.“

„So das ist's also?“ sagte der Sheriff, etwas unwillig über diese Einschwärzung in seine Notizentafel; „und konntet Ihr kein besseres Glas machen als dieses? Es sieht ja aus wie ein Todtenkopf mit einem Stundenglase.“

„Ei, da mir der Stoff behagte, Squire,“ versetzte der Hausmeister, „so kehrte ich auf dem Heimwege wieder ein und nahm noch ein Glas zu mir, welches ich auf dem Boden des ersten ankreidete, und so hat das Ding diese Gestalt erhalten. Ich bin aber heute Abend wieder dort gewesen und habe alle drei zumal bezahlt, weßhalb Euer Gnaden wohl mit dem Wischer darüber fahren mag.“

„Für solche Notizen will ich Euch eine eigene Schiefertafel kaufen, Benjamin,“ entgegnete der Sheriff, „ich mag im Journal keine derartigen Aufzeichnung haben.“

„Sie brauchen sich nicht zu bemühen, Squire, Sie brauchen sich nicht zu bemühen; denn da ich mit der Weibsperson wahrscheinlich noch oft in Verkehr treten werde, so lange nämlich dieses Fest anhält, so habe ich mit Betty einen Borgvertrag eingegangen; sie macht ihre Zeichen an die Innenseite ihrer Schenkverschlagsthüre, und ich führe die Controlle mit diesem Kerbholz da.“

Bei diesen Worten brachte Benjamin ein Stück Holz zum Vorschein, an dem fünf sehr tiefe Kerben eingeschnitten waren. Der Sheriff blickte einen Moment auf dieses sinnreiche Contobuch, und fuhr dann fort:

„Was haben wir hier? Samstag Nachmittag zwei Uhr — ei, das ist ja ein ganzes Familiengelage! Zwei Weingläser auf der Seite!“

„Die bedeuten zwei Frauenzimmer; das eine stellt Miß 'Lizzy vor, und dasandere ist des Pfarrers Tochter.“

„Base Elisabeth und Miß Grant?“ rief der Sheriff verwundert. „Was haben denn diese mit meinem Tagebuch zu thun?“

„Sie hatten genug zu thun, um den Rachen des Panthers zu entrinnen,“ sagte der unerschütterliche Hausmeister. „dieses Ding hier, sehen Sie, Squire, das vielleicht wie eine Ratte aussieht, ist die Bestie, und das andere da, mit aufwärts gekehrtem Kiele, ist der arme alte Brave, der so nobel starb, wie ein Admiral, welcher für König und Vaterland ficht; und dieß hier ist — —“

„Eine Vogelscheuche,“ unterbrach ihn Richard.

„Ei, es sieht vielleicht etwas wild aus,“ fuhr der Hausmeister fort, „aber nach meinem Urtheile, Squire, ist es das beste Bild, das ich je gemacht habe, weil es dem Mann am meisten ähnlich sieht; — es ist Natty Bumppo, welcher den Panther hier erschoß, der den Hund dort todt biß, und wahrscheinlich die jungen Damen da gefressen oder sonst getödtet haben würde.“

„Und was zum Teufel soll all dieß heißen?“ rief Richard ungedultig.

„Was es heißen soll?“ wiederholte Benjamin. „Es ist so wahr als das Log der Boadishey —

Er wurde hier durch den Sheriff unterbrochen, welcher jetzt einige direkte Fragen an ihn stellte und auf diesem Wege hinreichend verständliche Antworten erhielt, um sich eine ziemlich richtige Vorstellung von dem Thatbestande machen zu können. Als das Erstaunen und — wir müssen Richard Gerechtigkeit widerfahren lassen, auch die Erschütterung, welche durch diese Erzählung geweckt worden, einigermaßen nachließen, wandte der Sheriff seine Augen abermals auf die Tafel, wo ihm noch weitere unerklärliche Hieroglyphen entgegen traten.

„Was haben wir noch?, Zwei boxende Männer? Hat ein Friedensbruch statt gefunden? Ja, so geht's, wenn ich dem Flecken nur einen Augenblick den Rücken zukehre — —“

„Das ist der Richter und der junge Herr Edwards,“ fiel ihm der Hausmeister ganz cavaliermäßig in's Wort. — „Wie? 'Duke im Kampf mit Oliver? Was Teufels ist denn in euch alle gefahren? Hat sich doch in den letzten sechs und dreißig Stunden mehr zugetragen, als in den verwichenen sechs Monaten zusammengenommen!“

„Ja, so ist's in der That, Squire,“ entgegnete der Majordomo. „Ich habe einmal ein schmuckes Jagdschiff gesehen, und ein Gefecht auf seinem Hintertheile, das nicht so viel in sein Logbuch brachte, als ich hier auf dieser Schiefertafel habe. Es kam jedoch dieß Mal nicht zu Thätlichkeiten: sie haben nur ein bischen das Maul gegen einander gebraucht.“

„Nur fort! nur fort!“ rief Richard. „Es war wegen der Minen — ja, ja, ich sehe es, ich sehe es; hier ist ein Mann mit einer Haue auf seiner Schulter. Ihr hörtet also alles mit am Benjamin ?“

„Ich weiß nicht, was sie für Mienen dabei machten, Squire,“ erwiederte der Hausmeister, „aber so viel kann ich sagen, daß sie sich sehr offen gegen einander aussprachen. Ich habe allerdings ein Stückchen davon mit angehört, denn die Fenster standen offen, und ich befand mich ganz in der Nähe. Aber das hier ist keine Haue, sondern ein Anker, den ein Mann auf der Schulter trägt; der andere Hacken läuft auf dem Rücken herunter, freilich etwas zu nahe; und das bedeutet, daß der Junge in die See gestochen und seinen Hafen mit dem Rücken angesehen hat.

„So? Hat also Edwards das Haus verlassen ?“

„Ja.“

Richard fuhr in dieser Weise fort, und nach einem langen und ausführlichen Verhör gelang es ihm, alles aus Benjamin heraus zu holen — nicht nur das, was derselbe von der stattgehabten Zwistigkeit wußte, sondern auch den Versuch, Natty's Hütte zu visitiren, und Hiram's Niederlage. Der Sheriff war kaum im Besitz dieser Thatsachen, welche Benjamin mit aller möglichen Rücksicht für Lederstrumpf berichtete, als Ersterer seinen Hut aufnahm und, nachdem er dem erstaunten Hausmeister befohlen hatte, die Thüren zu schließen und zu Bette zu gehen — das Haus verließ.

Richard war schon eine Weile verschwunden, als Benjamin noch immer, mit in die Seite gestemmten Armen und die Augen fes tauf die Thüre gerichtet, dastand; endlich erholte er sich jedoch einigermaßen von seiner Verblüffung und schickte, sich an, den erhaltenen Befehlen nachzukommen.

Es ist bereits gesagt worden, daß das Bezirksgericht, über welches Marmaduke Temple den Vorsitz führte, am folgenden Morgen seine regelmäßige, periodische Sitzung abhalten sollte. Richards Begleiter waren Gerichtsdiener, welche sowohl ihr durch die Sitzungen nöthig gewordener Dienst, als auch der Gefangenen-Transport nach dem Dorfe gebracht hatte, und der Sheriff kannte ihre Gewohnheiten zu gut, um nicht überzeugt zu seyn, daß er die meisten, wo nicht alle von ihnen, in dem Restaurationszimmer des Gefängnisses finden würde, wo sie die Eigenschaften des kerkermeisterlichen Branntweins besprachen. Er nahm daher seinen Weg durch die schweigsamen Straßen des Dorfes unmittelbar nach dem kleinen und unsicheren Gebäude, welches alle Schuldner, nebst einigen Verbrechern des Bezirks barg, und wo für unkluge Prozeßkrämer Recht gesprochen wurde, die einfältig genug waren, zwei Dollars wegzuwerfen, um von ihren Nachbarn Einen zu erhalten. Die Ankunft von vier Uebelthätern unter der Bewachung von einem Dutzend Polizeibeamten war damals in Templeton ein Ereigniß, und als der Sheriff bei dem Gefängnisse anlangte, entdeckte er aus allen Merkmalen, daß seine Untergebenen im Sinne hatten, die Nacht durchzuzechen.

Der Wink des Sheriffs brachte zwei seiner Gehilfen an die Thüre, welche ihrer Seits sechs oder sieben der Constabeln auswählten. Mit dieser Macht versehen, ging Richard durch das Dorf voran auf das Seeufer zu, ohne daß die Stille der nächtlichen Wanderung durch andere Töne, als durch das Bellen eines oder des anderen, durch die gemessenen Schritte der Polizeimannschaft beunruhigten Kettenhunds oder durch das leise Gemurmel des Häufleins unterbrochen wurde, welches einige behutsame Fragen und Antworten hinsichtlich des Zwecks seiner Expedition wechselte. Als sie die kleine hölzerne Brücke, die über den Susquehanna führte, hinter sich hatten, bogen sie von der Straße ab und nach dem Felde ein, welches der Schauplatz des Sieges über die Tauben gewesen war. Von hier aus folgten sie ihrem Führer in das niedrigecFichten- und Kastaniengebüsch, welches längs der Seeufer, wo der Pflug die Bäume noch nicht verdrängt hatte, aufschoß, und bald betraten sie den Wald selbst. Hier machte Richard Halt und sammelte seine Schaar um sich.