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Dreiunddreißigstes Kapitel.

Den Stock herbei!

Du störr'ger alter Schuft, achtbarer Prahler,

Wir wollen dich belehren.

Lear.

Die langen Tage und der frühe Aufgang der Sonne im Juli ließen den Neugierigen Zeit, sich zu versammeln, ehe noch die kleine Glocke der Akademie die Stunde ankündigte, wo Gericht über die Uebelthäter gehalten und die Strafe über die Schuldigen ausgesprochen werden sollte. Vom frühen Grauen des Morgens an drängten sich auf den Landstraßen und Waldpfaden, die an der Seite des Gebirgs sich nach Templeton hinunterschlängelten, Gruppen von Reitern und Fußgängern, welche dem Hafen der Gerechtigkeit zusteuerten. Hier sah man einen gut gekleideten Grundbesitzer auf einem glatten dünnschwänzigen Pferde die Landstraße einhertraben, das rothe Gesicht auf eine Weise in die Luft geworfen, welche sagte: „ich habe mein Land bezahlt und bekümmere mich um keinen Menschen,“ während seine Brust von dem Stolze des Bewußtseyns, zu der großen Jury zu gehören, schwoll. An seiner Seite ritt ein Gefährte, der sich wohl ebenso unabhängig fühlen mochte, aber, was Besitzthum und Ansehen betraf, doch unter dem Ersteren stand. Er war ein berüchtigter Prozeßkrämer — ein Mann, dessen Namen jedesmal auf dem Gerichtskalender erschien — der sein auf den vielfältigen Wegen der veränderlichen Gewohnheiten eines Ansiedlers erworbenes Vermögen den Harpyen der Gerichtshöfe in den Rachen warf, und der sich eben bemühte, dem Großgeschworenen sein Recht in einer Sache, die heute zur Entscheidung kommen sollte, recht klar auseinander zu setzen. An der Seite dieser beiden befand sich ein Fußgänger mit einem gestreiften Kittel über seinem Hemde und seinem besten Wollenhut über einem sonnverbrannten Gesichte, der eben aus seinem Schlupfwinkel in den Wäldern mittelst eines Fußpfades herausgekommen war und mit den Andern gleichen Schritt zu halten suchte, da er im Sinne hatte, als Mitglied der kleinen Jury die Zwistigkeiten seiner Nachbarn mit anzuhören und schlichten zu helfen. Man konnte an diesem Morgen wohl fünfzig ähnliche Gruppen von Landleuten sehen, welche sich in gleicher Absicht dem Hauptorte zu bewegten.

Um zehn Uhr waren die Straßen des Dorfes mit geschäftigen Gesichtern erfüllt. Einige sprachen von ihren Privatangelegenheiten. Andere horchten auf einen populären, politischen Sprecher, und nach Andere begafften die ausgelegten Vorräthe, Bewunderten die Schönheit derselben, oder untersuchten Sicheln, Aexte und andere Artikel, welche ihre Neugierde erregten. Unter dem Gedränge befanden sich auch einige Weiber, welche meist Kinder bei sich hatten und ihren bäurischen Herren und Gebietern in trägem, schlenderndem Gange folgten. Besonders fiel ein junges Paar in den Flitterwochen des Ehestandes auf; sie gingen in achtungsvoller Entfernung neben einander her, während der Jüngling die schüchternen Schritte seiner jungen Frau durch galantes Anbieten eines Daumens leitete.

Bei dem ersten Schlage der Glocke trat Richard aus der Thüre des kühnen Dragoners, ein in der Scheide steckendes Schwert in der Hand, welches, seiner Aussage nach, einer seiner Vorfahren bei Cromwell's Siegen geführt hatte, und gebot in gebieterischem Tone, für den Gerichtshof Platz zu machen. Dem Befehle wurde augenblickliche, wenn auch nicht sclavische Folge geleistet, und die Zuschauer nickten vertraulich den Mitgliedern der vorüberziehenden Procession zu. Eine Abtheilung von Constablen mit ihren Amtsstäben folgte dem Sheriff, und unmittelbar darauf erschien Marmaduke mit vier einfachen, ernst aussehenden Grundeigenthümern, seinen Beisitzern auf der Gerichtsbank. Die untergeordneten Richter unterschieden sich von dem besseren Theile der Znschauer in nichts als in der Gravität, welche sie heute mehr als gewöhnlich zur Schau trugen; auch hatte einer derselben eine altmodische, militärische Uniform mit zwei silbernen Epauletten, die nicht halb so groß als ein Paar moderner Achselquasten waren, und mit Schößen, die kaum die Mitte der Oberschenkel erreichten, angelegt. Dieser Gentleman war ein Oberster der Miliz, dazu Mitglied des Kriegsgerichts, welcher so viel Muße gefunden hatte, sich einen Augenblick seinen militärischen Obliegenheiten zu entziehen, um den Verhandlungen eines Civilgerichtshofs beizuwohnen; eine so wunderliche Erscheinung erregte jedoch weder Aufmerksamkeit noch Bemerkungen. Drei oder vier reinlich rasirte Rechtsgelehrte folgten so demüthig wie Lämmer, welche zur Schlachtbank gehen: einer oder zwei davon hatten es versucht, sich durch Brillen eine gelehrte Würde zu geben. Den Schluß der Procession bildete eine weitere Abtheilung von Constablen, und die Menge folgte derselben nach der Halle, wo der Gerichtshof seine Sitzung hielt.

Das Gebäude bestand aus einer Grundlage von viereckigtem Zimmerholze, hin und wieder durch kleine, vergitterte Fenster durchbrochen, aus welchen einige nachdenkliche Gesichter auf das Gedränge niedersahen. Unter den Gefangenen befanden sich die schuldbewußten, eingeschüchterten Falschmünzer und unser ehrlicher Lederstrumpf. Die Kerker unterschieden sich, dem Aeußern nach, von den Gemächern der Schuldner nur durch den kleineren Umfang der Licht-Oeffnungen, die größere Stärke der Eisengitter und die Köpfe von Kloben, welche als Schutz gegen den ungesetzlichen Gebrauch von schneidenden Instrumenten in das Holz eingetrieben waren. Der obere Stock war Rahmenarbeit, regelmäßig mit Dielen bedeckt, und enthielt ein einziges Gemach, das für die Zwecke des Gerichtshofs anständig decorirt war. Eine Bank erhob sich auf einer schmalen Plateform bis auf Mannshöhe über dem Boden und zog sich, vorn durch ein Geländer gestützt, durch die gänze Raumbreite. Im Mittelpunkt befand sich ein roher Armstuhl zum Gebrauche des präsidirenden Richters. Weiter vorn auf dem Boden des Zimmers stand ein großer mit grünem Wollenzeug überzogener und von Bänken umgebener Tisch, und an jeder seiner Seiten waren Reihen sich erhöhender Sitze für die Geschworenen angebracht. Jeden einzelne dieser Abtheilungen umgab ein Gitter. Der übrige Theil des Gemachs war freier Raum zum Gebrauche der Zuschauer.

Als die Richter sich gesetzt, die Advokaten an dem Tische Platz genommen und der Lärmen und das Scharren mit den Füßen in der Area sich gelegt hatte, wurden die üblichen Proclamationen erlassen, die Geschworenen beeidigt, die Klagen vorgebracht, und der Gerichtshof schritt zur Tagesordnung.

Wir wollen den Leser nicht mit einer Beschreibung der verfänglichen Diskussionen, welche die ersten zwei Stunden ausfüllten, ermüden. Richter Temple hatte Kraft seines Amtes, den Geschworenen die Nothwendigkeit einer schleunigen Abfertigung an's Herz gelegt, indem er ihnen, aus Rücksichten der Menschlichkeit, zuerst die Gefangenen im Kerker zur Beachtung empfahl. Demgemäß verkündigte, nach Abfluß der eben erwähnten Zeit, der Ruf eines Gerichtsdieners: „für die große Jury Platz zu machen“, den Eintritt dieser Körperschaft. Die gewöhnlichen Förmlichkeiten wurden beobachtet, worauf der Obmann zwei Klagschriften auf die Gerichtsbank legte, von denen dem Richter zuerst der Name Nathanael Bumppo's in's Auge fiel. Im Saale herrschte tiefe Stille, indem nur von der Seite der Gerichtsbank aus ein kurzes Flüstern mit dem Sheriff stattfand, welcher sofort seiner Dienstmannschaft ein Zeichen gab. Ein paar Minuten nachher wurde das Schweigen durch eine allgemeine Bewegung unter den Zuhörern unterbrochen, und unmittelbar darauf wurde Lederstrumpf von zwei Constablen in die Angeklagtenschranke geführt. Das Gesumme legte sich; das Volk drang wieder in den geöffneten Raum, und bald trat aufs Neue eine so tiefe Stille ein, daß man die schweren Athemzüge des Gefangenen vernehmen konnte.

Natty trug seine hirschledernen Kleider, jedoch ohne den Rock, dessen Stelle nur durch ein Hemd von grober Leinwand, das oben lose mittelst einer Hirschsehne schloß und den rothen Hals unter den wetterbraunen Zügen des Mannes schauen ließ, vertreten wurde. Es war das erste Mal, daß er die Schwelle eines Gerichtshofs überschritten hatte, und in seine persönlichen Gefühle schien sich ein bedeutender Grad von Neugierde zu mischen. Er erhob seine Augen zu der Gerichtsbank und von da nach der Geschworenen-Loge, der Schranke und dem Gedränge außerhalb derselben, wo er allenthalben auf Blicke traf, die fest auf ihn geheftet waren. Er betrachtete sodann sich selbst, als suche er hier die Ursache dieser ungewöhnlichen Anfmerksamkeit, sah sich noch einmal in der Versammlung um, und öffnete dann den Mund zu seinem stummen und bezeichnenden Lachen.