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„Gefangener, nehmt Eure Mütze ab,“ sagte Richter Temple.

Der Befehl wurde vielleicht nicht gehört, jedenfalls aber nicht beachtet.

„Nathanael Bumppo, man steht hier nicht mit bedecktem Haupte,“ wiederholte der Richter.

Natty fuhr bei dem Klange seines Namens zusammen, erhob dann sein Gesicht ernstgegen die Gerichtsbank und sagte:

„Wie?“

Herr Lippet stand von seinem Sitze am Tische auf und flüsterte dem Gefangenen etwas in's Ohr, worauf Natty beifällig nickte und seine hirschlederne Kopfbedeckung abnahm.

„Herr Distriktsanwalt,“ fuhr der Richter fort, „der Gefangene ist bereit. Wir harren der Anklage.“

Das Amt eines öffentlichen Anklägers war Dirck Van der School übertragen, der seine Brille aufsetzte und einen bedächtigen Blick auf seine Collegen vor den Schranken warf, worauf er, über seine Brillengläser wegsehend, die Anklage laut zu verlesen begann.

Sie betraf den Angriff auf die Person Hiram Doolittle's und war in der veralteten Sprache solcher Instrumente abgefaßt, wobei besonders Bedacht darauf genommen war, in der Schrift auch nicht eine einzige Benennung der verschiedenen im Gesetz erwähnten Angriffswaffen auszulassen. Sobald dieß geschehen, nahm Herr Van der School seine Brille ab, verwahrte sie im Futterale und steckte sie in die Tasche, augenscheinlich um sich das Vergnügen zu verschaffen, sie wieder herausholen und auf seine Nase setzen zu können. Nachdem dieses Manöver ein oder zwei Mal wiederholt worden, händigte er die Klagschrift Herrn Lippet ein, und zwar mit einer Miene, welche deutlich ausdrückte: „finde mir da einen Fehler auf, wenn du kannst!“

Natty horchte auf die Anklage mit großer Aufmerksamkeit, wobei er sich mit einem Ernste, welcher seine tiefe Theilnahme verrieth, gegen den Vorleser verbeugte — und als dieser fertig war, richtete er sich mit einem tiefen Seufzer seiner ganzen Länge nach auf. Aller Augen waren dem Gefangenen zugekehrt, von dessen Stimme man vergeblich erwartete, sie würde das Schweigen in der Halle unterbrechen.

„Ihr habt gehört, was man vor der großen Jury gegen Euch vorgebracht hat, Nathanael Bumppo,“ sagte der Richter; „Was habt Ihr gegen die Klage geltend zu machen?“

Der alte Mann ließ nachdenkend seinen Kopf sinken, erhob ihn aber bald wieder und lachte, ehe er antwortete:

„Ich kann nicht in Abrede ziehen, daß ich mit dem Menschen ein bischen rauh umgegangen bin; aber daß ich von all den Dingen, von welchen der Herr da gesprochen hat, hätte Gebrauch machen wollen, ist in seinen Hals hinein gelogen. Ich bin in meinem Alter kein sonderlicher Ringer mehr; aber als ich unter den Schottischirländern war — wartet ein wenig — es muß wohl um das erste Jahr des alten Krieges gewesen seyn — —“

„Herr Lippet, wenn Ihr der Advokat des Gefangenen seyd,“ fiel Richter Temple ein, „so belehrt Euren Clienten über das, was von ihm verlangt wird. Andernfalls wird ihm der Gerichtshof einen Rechtsbeistand zuweisen.“

Durch diesen Aufruf in dem Studium der Klagschrift unterbrochen, stand der Rechtsgelehrte auf, besprach sich eine Weile leise mit dem Jäger und erklärte sodann gegen den Gerichtshof, daß sie bereit seyen fortzufahren.

„Seyd Ihr schuldig, oder nicht schuldig?“ fragte der Richter.

„Ich kann mit gutem Gewissen sagen, daß ich nicht schuldig bin,“ versetzte Natty; „denn es kann von keiner Schuld die Rede seyn, wenn man thut was recht ist; und ich hätte mich lieber auf der Stelle umbringen lassen, ehe ich ihm erlaubt haben würde, in jenem Augenblick seinen Fuß in meine Thüre zu setzen.“

Richard richtete sich bei dieser Erklärung auf, und heftete einen Blick auf Hiram, den dieser mit einer leichten Bewegung seiner Augenbraunen erwiederte.

„Fahrt in der Sache fort, Herr Distriktsanwalt,“ sprach der Richter. „Sekretair, tragt die Erklärung des Angeklagten ein.“

Nach einer kurzen Anrede von Seiten Herrn Van der Schools wurde Hiram vor die Schranke gefordert, um sein Zeugniß abzulegen. Es war vielleicht buchstäblich wahr, aber mit all jener captatio benevolentia verklausulirt, welche sich in Sätzen, wie „keine schlimme Absicht“. „Pflichtgefühl als obrigkeitliche Person“, und „Augenzeuge, wie der Constable in der Ausübung seines Amtes gehemmt wurde“, ausdrücken ließ. Als dieß geschehen war und der Distriktsanwalt auf keinem weiteren Verhöre bestand, erhob sich Herr Lippet mit inquisitorischer Miene und stellte folgende Fragen:

„Seyd Ihr ein Constable dieses Bezirks, Sir?“

„Nein, Sir,“ versetzte Hiram; „ich bin bloß ein Friedensrichter.“

„Ich frage Euch, Herr Doolittle, im Angesichte dieses Gerichtshofes, bei Eurem Gewissen und Eurer Gesetzeskenntniß, ob Ihr ein Recht hattet, in die Wohnung dieses Mannes zu dringen?“

„Herr!“ räusperte sich Hiram, in dessen Innerem sich ein heftiger Kampf zwischen seiner Rachsucht und der Achtung seines Rufs als Gesetzmann erhob; „ich glaube — daß in — das heißt — dem strengen Recht nach — unter der Voraussetzung — vielleicht kein eigentliches — gesetzliches Recht vorhanden war; aber wie die Sache lag — und Billy nicht vorwärts wollte so dachte ich, ich dürfe mich wohl darein legen.“

„Ich frage Euch noch einmal, Sir,“ fuhr der Rechtsgelehrte, seinen Vortheil verfolgend, fort, „ob dieser alte — dieser freundlose alte Mann Euch wiederholt das Eintreten verbot oder nicht?“

„Je nun, ich muß gestehen,“ sagte Hiram, „daß er gewaltig widerhaarig war — nicht, was ich freundlich nenne; während er doch sah, daß ich bloß als Nachbar kam, der in das Haus eines Andern gehen will.“

„Ah, Ihr gesteht also zu, daß das Ganze nur als ein Besuch von Eurer Seite gemeint war, ohne daß eine gesetzliche Autorität dabei in's Spiel kam? Bemerken Sie sich die Worte des Zeugen, meine Herren: ,er kam bloß als Nachbar, der in das Haus eines Andern gehen will‘. Ich frage Euch nun, Sir, hat Nathanael Bumppo Euch nicht wiederholt den Eintritt verboten?“

„Es sind einige Worte zwischen uns gewechselt worden,“ entgegnete Hiram, „aber ich las ihm meine Vollmacht ausdrücklich vor.“

„Ich wiederhole meine Frage: „Hat er Euch nicht ausdrücklich gesag, Ihr solltet seine Wohnung nicht betreten?“

„Es ist zu einem ziemlichen Wortwechsel gekommen, aber ich habe die Vollmacht in der Tasche; sollte vielleicht der Gerichtshof Einsicht davon nehmen wollen?“

„Zeuge,“ unterbrach Richter Temple, „beantwortet die Frage: hat Euch der Beklagte den Eintritt in seine Hütte verboten oder nicht?“

„Je nun, ich dächte — —“

„Wir wollen eine unumwundene Antwort,“ fuhr der Richter mit Ernst fort.

„Ja, er that es.“

„Und versuchtet Ihr, nach diesem Verbot einzudringen?“

„Ja, aber ich hatte die Vollmacht in meiner Hand.“

„Fahrt fort in Eurem Verhör, Herr Lippet.“

Da jedoch der Anwalt sah, daß der Eindruck zu Gunsten seines Clienten war, so winkte er nur stolz mit der Hand, als wolle er die Einsicht der Jury nicht so weit in Zweifel ziehen, um eine fernere Vertheidigung für nöthig zu erachten, und versetzte:

„Nicht doch, Sir; ich überlasse das Weitere Euer Gnaden; mein Amt ist hier zu Ende.“